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WIEN/ Staatsoper: OTELLO. Premiere

20.06.2019 | Oper


Aleksandrs Antonenko, Olga Bezsmertna. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

OTELLO – Premiere Staatsoper 20. Juni 2019

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Es ist die zweite nicht unbedingt nötige Neuinszenierung dieser Saison. Zugegeben, die Mielitz-Inszenierung war ein Ärgernis, aber wenn ich eine Neuinszenierung plane, muss ich auch eine entsprechende Besetzung zur Verfügung haben – doch davon später. Es stellt sich also die Frage nach dem „Warum?“ und irgendwie wurde ich von Anfang an das Gefühl nicht los, dass der Hauptgrund darin lag, auch in Wien „endlich“ eine politisch korrekte Inszenierung, also eine, in der der Sänger der Titelrolle nicht schwarz geschminkt ist, zu haben. Um Missverständnissen vorzubeugen, ich halte die politische Korrektheit für eine durchaus vernünftige Sache, wenn sie dazu dient, Menschen vor Diskriminierung, Beleidigung und Ähnlichem zu schützen. Aber wie so oft wird eine an sich gute Sache dazu mißbraucht, um eine einseitige politische Ansicht als alleingültige durchzusetzen. In unserem konkreten Fall geht es um das sogenannte „Black facing“, also die Ablehnung, dass sich Weiße schwarz schminken. Nun bin ich der Meinung, dass es durchaus abzulehnen ist, wenn sich jemand z.B. im Fasching schwarz schminkt, um sich über eine bestimmte Bevölkerungsgruppe lustig zu machen oder bei Sportveranstaltungen, um gewisse Sportler zu verhöhnen. Was allerdings daran, dass sich Sänger oder Schauspieler für eine Rolle, die der Autor des Stückes so definiert hat, schwarz schminken, rassistisch oder diskriminierend sein soll, hat mir bislang noch niemand schlüssig erklären können. Gerade im „Otello“ ist der Umstand, dass dieser ein Schwarzer ist, der Schlüssel dazu, dass es letztlich zur Katastrophe kommt. Gerade der Satz „Il rio destino impreco che al Moro ti donò“am Ende von Jagos Traumerzählung entfernt die letzten Schranken der Selbstbeherrschung. Der Hinweis auf das Taschentuch in Cassios Händen ist dann nur merhr der Auslöser für die völlig irrationale Raserei.

Und so war es denn auch, der Otello dieser Produktion ist nicht schwarz geschminkt. Dabei kann man mit der Inszenierung durch Adrian Noble ansonsten mit Einschränkungen durchaus zufrieden sein. Wie schon bei „Alcina“ und „Hänsel und Gretel“ wird die Geschichte so erzählt, wie sie im Libretto steht. Warum er allerdings die Handlung vom Ende des 15. Jahrhunderts an den Anfang des 20. Jahrhunderts verlegt bleibt unverständlich bzw. möchte er hier zumindest ein Kriterium des zeitaktuellen Theaters erfüllen.. In einem praktikablen Bühnenbild – kupferfarbene Wände, die variabel aufgestellt werden können – und zum Teil zeitlich uneinheitlich bis kitschigen Kostümen von Dick Bird läuft die Handlung einigermassen flüssig ab. Die Personenführung ist nicht sehr ausgeprägt und auch der Chor tritt – mit Ausnahme des Ringelreihtanzes im 2. Akt – nur auf und ab. Einige Ungereimtheiten – wie z.B, der Umstand, dass der 2.Akt im Mannschaftsquartier beginnt und das Kerzenmeer im 4. Akt, nimmt man hin – es hat schon Schlimmeres gegeben.

 

Etwas problematischer ist die musikalische Seite. Generell muss man sagen, hätte es sich um eine Repertoirvorstellung gehandelt, könnte man durchaus zufrieden sein, für eine Premiere war es allerdings doch etwas zu wenig. Aleksandrs Antonenko ist zweifelsohne der heute gefragteste Ínterpret der Titelrolle. Er verfügt über eine kräftige metallene Stimme, seine Leistung ist aber sehr oft auch von der Abendverfassung abhängig. An diesem Abend war er in einer recht guten Verfassung und setzte sein Material nicht uneffektvoll ein. Was allerdings fehlte, war eine überzeugende Gestaltung, wobei ich mehr die stimmliche als die darstellerische meine. Bei vielen Passagen fehlte der entsprechende Ausdruck. Er vermochte es nicht, das in ihm  keimende Misstrauen glaubhaft zu machen. Das beginnt beim „Ora e per sempre“ wo man nicht das Gefühl hat, dass ihm seine Erfolge als Feldherr egal zu werden beginnen und die „Sangue“-Rufe kommen so beiläufig, dass man nnicht das Gefühl hat, dass er in die völlige Raserei verfallen wird. Was ihm ebenfalls fehlt, sind die leisen Zwischentöne, besonders im Liebesduett des 1.Aktes, wo ihm dann am Ende auch noch die Töne etwas abrutschen. Olga Bezsmertna (Desdemona) ist ohne Zweifel eine wertvolle Stütze des Ensembles und sie sang an diesem Abend zwar schön, aber seelenlos.Weder im grossen Ensemble des 3. Aktes als auch in ihrer grossen Szene im 4. Akt vermochte sie echt zu berühren. So war auch aus dem Abschied von Emilia die Todesahnung nicht zu verspüren.


Vladislav Sulimsky (Jago). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Vladislav Sulimsky vom Marijnski-Theater als Jago verfügt über einen rauhen Bariton ohne wirklich interessantes Timbre. Außerdem fehlt ihm der für die dramatischen Baritonrollen Verdis notwendige gefährliche Ausdruck. Das Credo bleibt wirkungslos und auch sonst glaubt man nicht wirklich, dass er zu so einer Intrige fähig ist. Jinxu Xiahu als Cassio beweist wieder einmal, dass er ein wichtiges Ensemblemitglied ist und Jongmin Park sang einen klangschönen Lodovico. Margarita Gritskova war als Emilia fast eine Luxusbesetzung, konnte aber trotzdem (rollenbedingt) erst in der Schlusszene auf sich aufmerksam machen.

Dass der Abend musikalisch unbefriedigend blieb lag auch am Dirigenten Myung-Whun Chung. Natürlich, das Orchester kennt das Werk, aber es gelang dem Dirigenten nicht, es zu einer außergewöhnlichen Leistung anzuspornen. Da klang manches einfach nur laut, ohne daß der Grund dafür erkennbar war, anderseits plätschert es wieder etwas uninspiriert dahin. Ein grosser Bogen fehlte ebenso wie der entsprechende Aufbau mancher Stellen. Eklatant macht sich das beim grossen Ensemble im 3. Akt bemerkbar. Es beginnt etwas beiläufig und wird plötzlich laut, ohne dass ein organischer Spannungsaufbau bemerkbar wäre.

Der von Thomas Lang einstudierte und geleitete Chor sang sehr gut.

Am Ende für mich nicht ganz verständlicher großer Jubel für die Sänger und den Dirigenten und nur ganz wenige Buhs für das Regieteam.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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