Thomas Johannes Mayer, , Daniel Johansson. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
WIEN/ STAATSOPER 31.03.2019 „Orest“ Premiere
Wenn die Wiener Staatsoper, noch dazu bei einer Premiere, nicht ausverkauft ist, dann ist das ein bedenkliches Zeichen. Vor allem dafür, dass das Interesse an moderner Oper nicht überbordend groß ist. Manfred Trojahns Vertonung des Euripides-Stoffes kann man aber durchaus als gelungen bezeichnen. Kleine inhaltliche Änderungen (das Libretto stammt vom Komponisten selbst) tun dem grausamen Geschehen keinen Abbruch, das Rächen, Morden und Hassen bestimmt das Geschehen auf der Bühne im gerade noch erträglichen Höchstmaß. Von den sechs Protagonisten, wenn man die Doppelrolle des Apollo/Dionysos als eine nimmt, handelt nur eine – Helenas Tochter Hermione – menschlich-blutunrünstig. Ein Verhältnis, das man, wie sonst in Opern üblich, eher umgekehrt wünscht. Marco Arturo Marelli, der für Regie, Bühne (bescheiden, aber passend) und Licht verantwortlich zeichnet, hält es mit der alten Regel: An der Rampe wird gesungen (bei dem erforderlichen Stimmaufwand eine kluge Entscheidung), um optimale Wirkung zu erzielen.
Thomas Johannes Mayer, Laura Aikin. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Die Personenführung beschränkt sich auf den reibungslosen Ablauf der Grausamkeiten. Die Musik bietet sehr viel Dramatik, Ausbrüche, Lautstärke (die bei längerer Spieldauer eine Gefahr für das Gehör wäre), ist aber ideal der Handlung angepasst, man meint einem Gruselfilm live beizuwohnen. Die Explosivität der Handlung wird eins zu eins in der Musik widergegeben, eine Meisterleistung des Komponisten. Das Orchester spielte unter dem ausgezeichneten Dirigenten Michael Boder hervorragend, als Begleitung der Sänger aber stets rücksichtsvoll, wo es nötig war. Die Titelrolle verkörperte Thomas Johannes Mayer mit unglaublichem Kraftaufwand. Seine Stimme ließ kaum Ermüdungserscheinungen erkennen, die man ihm nicht hätte verübeln können. Den von Blutrausch Besessenen spielte er durchaus glaubwürdig. Die „Elektra-erprobte“ Evelyn Herlitzius sang mit der für sie charakteristischen sicheren, metallischen Stimme, die durch Mark und Bein ging. Auch Laura Aikin war als unglückliche Helena mit viel Temperament am Werk. Ihre nicht allzu große Stimme bewältigte die Rolle aber bestens. Audrey Luna sang die Hermione. Sie gilt als Spezialistin für moderne Opern („The Tempest“ 2015 hier in Wien), ich glasklarer Sopran war auch bei den mörderischen Spitzentönen makellos. Thomas Ebenstein als Menelaos blieb ein wenig blass, was ja eigentlich zur unauffälligen Rolle des Fast-Königs passte. Daniel Johansson sang die Götterpartien Apollo/Dionysos mit Bravour. Auch er musste an die Grenzen seiner Stimmkapazität gehen, diese Tenorrolle erforderte sehr viel Kraft und sichere Höhe. Das Publikum war sehr angetan von dem Gebotenen und spendete reichlich Applaus. Eine Premiere ohne Buhs – fast eine Sensation.
Johannes Marksteiner