Opern Air im Burggarten
07.09.2025
Die Wiener Staatsoper startet glanzvoll in ihre neue Saison
Die Wiener Staatsoper hat ihre Saison 2025/26 zwar bereits vor vier Tagen mit der Zauberflöte eröffnet, doch der eigentliche Start in die neue Spielzeit war ein Open-Air-Galakonzert in Starbesetzung bei freiem Eintritt im wunderschönen Burggarten Wiens, nur wenige Schritte von der Wiener Staatsoper entfernt. Der Andrang zu dem Freiluftkonzert war enorm, es wollten mehr Leute kommen als der Burggarten Platz hat. Ein abwechslungsreiches Programm bot Staatsoperndirektor Bogdan Roscic, der auch gleich gemeinsam mit ORF-Kultur-Lady Barbara Rett – der ORF übertrug das Klassik-Event im TV – durch den Opernabend führte.
Das Konzert, das gleichzeitig auch an die Zerstörung der Wiener Staatsoper kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs vor nunmehr 80 Jahren als auch an die Wiedereröffnung vor 70 Jahren erinnerte, begann zwar zunächst mit der enttäuschenden Mitteilung, dass Sonya Yoncheva kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Doch das angekündigte Programm wurde durchgezogen, und für ihre Arien und Szenen wurde Ersatz gefunden.
Das Konzert wurde von drei großen Sängernamen geprägt: Elina Garanca, Benjamin Bernheim und Jonas Kaufmann traten mehrmals auf. Und es waren vor allem Garanca und Bernheim, die sich in Bestform präsentierten.
Elina Garanca. Foto: Ausschnitt aus der ORF-Übertragung
Elina Garanca, die sich nach jedem Auftritt umgezogen hatte, beeindruckte zunächst mit der Arie Acerba voluttà aus Cileas Adriana Lecouvreur. Später am Abend war es jedoch die Arie der Marguerite D’amour l’ardente flamme aus Berlioz‘ La damnation de Faust die zu einem der ganz großen Höhepunkte des Abends wurde. Garancas Mezzosopran betörte mit sinnlichem Ausdruck, die Stimme legte sich wie ein Schleier um die herrliche Musik. Ähnlich geschmeidig erklang der Abendsegen aus Humperdincks Hänsel und Gretel, den sie gemeinsam mit Camilla Nylund, die für Yoncheva eingesprungen war, ertönen ließ.
Nylund hatte am Vormittag ganz spontan zugesagt für ihre erkrankte Kollegin einzuspringen, und übernahm dann auch gleich noch Vissi d’arte aus Tosca, dass sie mit üppiger Stimme gekonnt und stilvoll präsentierte. Auch wenn man sich hier doch etwas mehr an Italianità gewünscht hätte.
Benjamin Bernheim. Foto: Ausschnitt aus der ORF-Übertragung
Der zweite Star des Abends war zweifellos Benjamin Bernheim, der einmal mehr unterstrich, dass er im lyrisch-französischen Fach weltweit die Nummer Eins ist. In seinem ersten Auftritt war er ein souveräner Des Grieux in Massenets Manon – eine Partie die er im Laufe der neuen Saison erfreulicherweise auch an der Wiener Staatsoper singen wird. Da es sich bei dieser ersten Darbietung um das leidenschaftliche Saint-Sulpice-Duett aus Manon gehandelt hat, und Bernheim seine geplante Duett-Partnerin Yoncheva abhandengekommen ist (wie gerne hätte man diese beiden zusammen mit dieser Musik gehört!), musste hier kurzerhand ebenfalls Ersatz gefunden werden. Und dieser ergab sich in der französisch-amerikanischen Sopranistin Sandra Hamaoui, die erst jüngst mit Benjamin Bernheim – nach zweijähriger Verlobungszeit – nun vor den Traualtar getreten ist. Hamaoui hinterließ bei ihrem ersten Wiener Auftritt einen guten Eindruck, sang an der Seite ihres Gatten eine stimmlich feingliedrige Manon, jugendlich im Klang und dabei stimmlich gut mit Bernheim harmonierend. Eine interessante junge Sängerin, der man in Wien hoffentlich wieder begegnen wird.
In seinem zweiten Auftritt glänzte Bernheim mit der Arie des Romeo Ah! Leve-toi soleil aus Gounods Romeo et Juliette – eine seiner weiteren Glanzrollen. Die Partie hat er bereits letzte Saison an der WSO gesungen. Doch einer der absoluten Höhepunkte des Abends war dann sein dritter Auftritt mit der Arie des Nadir Je crois entendre encore aus Bizets selten gespielter Oper Die Perlenfischer. Es ist erstaunlich mit welcher Sicherheit und Leichtigkeit Bernheim diese schwierige Arie sang, die ihn in höchste Tenorregionen führte. Bernheim betörte in jeder Phrase und begeisterte mit wohligem Klang im Piano und zartesten Pianissimo. Die Perlenfischer kommen 2026 auf die Bühne der Wiener Staatsoper. Leider nicht mit Bernheim als Nadir. Aber eine Bitte an die Direktion: Verpflichten Sie bitte Bernheim subito als Nadir!
Boris Pinkhasovich, Jonas Kaufmann. Foto: Ausschnitt aus der ORF-Übertragung
Der dritte große Name des Abends war natürlich jener von Jonas Kaufmann. Doch der Tenor blieb in seinen Auftritten unter den Erwartungen. Zu Beginn präsentierte er ein unausgewogenes Cielo e mar aus La Gioconda. Deutlich besser agierte er im Freundschaftsduett aus Don Carlo. Doch der hervorragende Bariton Boris Pinkhasovich (der sich einen Soloauftritt verdient hätte) harmonierte stimmlich so gar nicht mit Kaufmann. Das mag sicher daran gelegen haben, dass die Stimmen der beiden einander zu sehr ähnelten. Ja, der Rodrigo hörte sich phasenweise sogar deutlich heller als der Carlo von Kaufmann an. Jemand im Publikum sagte, die beiden hätten die Rollen ganz gut tauschen können. Unterstützt wurden die beiden in ihrem Auftritt von Dan Paul Dumitrescu als Mönch. Bei seinem dritten Auftritt sang Kaufmann dann die Sternenarie aus Tosca. Aber so recht konnte er die Sterne, die für alle am Himmel zu sehen waren, nicht erreichen. Denn auch hier zeigte sich – wie schon bei seinen Auftritten zuvor – dass Kaufmann mit viel Druck sang und sich sehr mühte, was auf Kosten des Klanges ging. Diese Mühe des Singens wurde dann auch optisch sehr deutlich, schließlich sah man die Sänger in Großaufnahme auf der Videowall. Nein, das war sicher nicht der Abend des Jonas Kaufmann.
Neben den Sängerstars präsentierte die Wiener Staatsoper aber auch einige Mitglieder ihres Ensembles. So bei Brüderlein und Schwesterlein aus Die Fledermaus. Hier waren Clemens Unterreiner, Jenni Hietala, Ileana Tonca, Daria Sushkova, Ilia Staple, Hans Peter Kammerer und Jörg Schneider mit von der Partie.
Mit dem Terzett Soave sia il vento aus Mozarts Cosi fan tutte gab man auch ganz jungen Sängern aus dem Opernstudio der Wiener Staatsoper die Möglichkeit sich einem breiten Publikum zu präsentieren. In diesem Fall waren das Hannah-Theres Weigl, Anita Monserrat und Andrei Maksimov.
Eine schöne Idee war es auch Mitglieder der Opernschule der Wiener Staatsoper einen Auftritt einzuräumen. So sangen die Kinder der Opernschule Szenen aus Bizets Carmen.
Auf Niemanden wurde vergessen: Das Orchester der Wiener Staatsoper, dass an diesem besonderen Abend von Bertrand de Billy geleitet wurde, hatte noch die Möglichkeit „solistisch“ mit der Ouvertüre zu Mozarts Le nozze di Figaro und Wagners Walkürenritt seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und auch der wunderbare Chor der Staatsoper hatte seine ganz eigenen Momente: Gleich zu Beginn startete dieser mit dem Einzug der Gäste aus Tannhäuser in den Abend, während später noch der Matrosenchor aus Der fliegende Holländer folgte.
Zum Ausklang versammelten sich noch mal die Sänger des Abends und sangen das mitreißende Im Feuerstrom der Reben aus Die Fledermaus von Johann Strauss, wobei es auch hier wieder Garanca und Bernheim waren, die besonders glänzten und bewiesen, dass sie auch die Leichtigkeit für die Operette mitbringen.
Ein herrliches Konzert das vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde.
Die neue Saison ist offiziell eröffnet!
Lukas Link