WIEN/ Staatsoper: NORMA am 12.3. 2025
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Die Staatsoper betraute einmal mehr Cyril Teste mit der Szene; — noch finden sich offenbar zu wenige Inszenierungen im Repertoire, welche den Einsatz von Live-Kameras und -Bildern erfordern. Teste siedelte seine Arbeit im Frankreich der Resistance an: kein gallisches, von den Römern besetztes Dorf zur Zeit von Caesars Herrschaft. Kein Druidenkult mit Misteln, kein Irminsul — obwohl doch mehrmals davon gesungen wird. Stattdessen wuchtete Valérie Grall eine herabgekommene Fabrikshalle mit hohen Fenstern an der Rückseite auf die Bühne, durch welche Julien Boizard das Licht einfallen und sich im Trockennebel brechen ließ. Rückzugsort der Gallier im Kampf wider die Römer, nicht besetztes Land. Und während Oroveso als Anführer der als unterdrückte, hungernde Landbevölkerung kostümierten Druiden und Priesterinnen davon sang, dass der aufgehende Mond das Zeichen für Normas Erscheinen und das Schneiden der Misteln geben werde, besprenkelte er vier aufgebahrte Leichname mit Blütenblättern, ehe diese von der Bühne getragen wurden. Mehr Regisseurs-Theater geht nicht…
…In Pausengesprächen hörte ich wiederholt, dass Norma wohl nur Maria Callas’ wegen Wiedereinzug ins Repertoire gehalten habe. Unseren an Wagner und Strauss, aber auch an Berg bis zu Messian geschulten (oder sollte ich sagen: verbildeten) Ohren klingt der bel canto Bellinis oft konventionell und vorhersehbar. Ich neige zur Ansicht, daß Werken wie Norma (oder auch I puritani) musikalische Schönheit und Reichtum eignen, welche in ihrer Vielfalt erst wieder erkundet werden müssen. Wer vermag bei wiederkehrenden Motiven ihren Ursprung und den Grund ihres Auftauchens anzugeben? Hören wir, wie meisterhaft Bellini die Koloraturen zur Darstellung der emotionalen Verfassung der einzelnen Figuren einsetzt?
Ist es nicht vielmehr so, dass die Opernindustrie mit ihren vielfach ahnungslosen Intendanten und unzureichend ausgebildeten Sängern das Repertoire des bel canto nicht mehr besetzen kann?
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Thomas Prochazka – www.dermerker.com