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WIEN / Staatsoper: NORMA

Du hast es so gewollt

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Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: 
NORMA von Vincenzo Bellini
Zweite Aufführung der Neuinszenierung 
3.
März 2025

Du hast es so gewollt

„Tu l‘as voulu, George Dandin“, heißt es in einem Stück von Molière, als der Held sich gewissermaßen die Haare rauft: Du hast es so gewollt! Das passiert immer wieder. Wer Vergleich herausfordert, bekommt Vergleich. Und das ist nicht einmal ungerecht. Wenn Boris Becker gegen Andre Agassi antrat, war das ein Duell auf Augenhöhe. Wenn die Wiener Staatsoper und das Theater an der Wien in unmittelbaren Wettstreit um Bellinis „Norma“ treten, gilt das gleichermaßen. Zwei ambitionierte erste Opernhäuser von Weltrang, wobei die Staatsoper meist mehr Geld für berühmte Besetzungen hat. Aber es gibt bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme. Bei „Norma“ war es andersrum.

Da hatte das Theater an der Wien offenbar noch einen alten Vertrag, der durch Corona nicht erfüllt werden konnte. Er besetzte Asmik Grigorian (an sich von der Wiener Staatsoperndirektion extrem umschmeichelt) im Theater an der Wien als Norma. Die Sängerin brachte auch noch ihren regieführenden Gatten mit, und Vasily Barkhatov schneiderte ihr eine aufregende Version auf den schlanken Leib und für ihre gloriose Stimme. Mit der alten Römer / Druiden-Geschichte hatte es nichts mehr zu tun, erzählte aber die vorgegebenen menschlichen und politischen Konstellationen in einer Art Faschismus-Welt. Ein verdienter Triumph.

Die Staatsoper zog ein paar Tage später nach. Mit einer weniger überzeugenden Besetzung und einer weniger überzeugenden Regie. Cyril Teste tat, was Regisseure von heute so tun. Er kreiert eine undefinierbare Kriegs-Szenerie in abgerissenen Kleidern (Marie La Rocca) und mehr oder minder abstrakten Bildern ohne weiteren Aussagewert (Valérie Grall). Ohne das zeitweilige Wackeln einer Live-Kamera geht es nicht – es ist glücklicherweise nur selten, der Video-Schrott fällt aber solcherart als umso überflüssiger auf.

Nun muss man an der Staatsoper ja schon dankbar sein, wenn ein Werk nicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird (wie etwa „Don Carlo“) und die Sänger ungestört singen dürfen. Gut, man ist dankbar dafür. Aber ein bißchen wenig ist es doch, auch wenn Norma am Ende als Guerilla-Flintenweib agiert… es ist schließlich Krieg auf dieser Welt, so stellt man Bezüge her?

Es gab an der Staatsoper nur eine Besetzung, die wirklich interessierte, nämlich Juan Diego Florez. Einfach, weil sich die Frage stellte, wie das ausgehen kann. Er hat sein Repertoire schon seit längerer Zeit von den Rossini- und Donizetti-Buben weg erweitert, aber der Pollione, der so hochdramatisch schmettern muss? Ja, man wollte – um den deutschen Zeitungs-Sprech („Kann Merz Kanzler?“) zu variieren – wirklich wissen: Kann Florez Pollione? Nach der zweiten Vorstellung der Serie vermag man es nicht zu beantworten, denn er sang nicht. „Luftröhren“-Irgendwas, erklärte der Direktor vor dem Vorhang. Aber Freddie De Tommaso sei bereit, einzuspringen. Der Beifall auf diese Nachricht war so frenetisch, dass es schon peinlich war. (Man hörte ja auch, Florez sei ausgebuht worden – das muss jemanden, der immer nur der angeschwärmte Liebling aller war, sauer aufstoßen… Viel Lust auf die Rolle wird er danach wohl nicht mehr haben.)

Die Staatsoper hatte wirklich Glück, dass an diesem Abend im Theater an der Wien keine „Norma“ stattfand, denn die Polliones laufen nicht so herum. Freddie De Tommaso brachte sein Ein-bißchen-Hitler-Bärtchen und seine gewaltigen stimmlichen Mittel in die Staatsoper mit (darf man bei Tenören auch von einer „Röhre“ sprechen?), und fügte sich im übrigen leicht in die Inszenierung, weil er ohnedies nur herumstehen und singen musste. Und das bereitete ihm keine Schwierigkeiten.

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Federica Lombardi hat man eigentlich stets bei Mozart verortet (sie wird uns demnächst im Met-Figaro im Kino als Gräfin begegnen), aber sie schlug sich wirklich wacker. Ene schöne Frau, die auch andeutungsweise weiche, milde Töne hat, sich aber vor der Attacke der Norma nicht drückte –  und diese Rolle attackiert dauernd. Sicherlich wird man nicht in Begeisterung ausbrechen, aber eine ordentliche Leistung war es allemale. Was auch für die russische Mezzosopranistin Vasilisa Berzhanskaya gilt. Der immer fabelhafte Ildebrando D’Arcangelo kam als Oroveso sogar (ausnahmsweise) besser zur Geltung als sein Kollege im Theater an der Wien, weil er ein Kriegsherr sein durfte (und kein Töpfer). Und Michele Mariotti packte die Musik durchaus mit Leidenschaft an. Das alles reichte für braves Repertoire.

Was den Vergleich mit „drüben“ an der Wienzeile betrifft, wo intelligent-konzeptionelles, dramatisches Theater gemacht wurde, ging es für die Staatsoper nicht ganz so gut aus. Tu l‘as voulu…

Renate Wagner

 

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