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WIEN/ Staatsoper: NACHBETRACHTUNGEN ZUM „61. WIENER OPERNBALL“

26.02.2017 | Ballett/Performance

NACHBETRACHTUNGEN ZUM 61. WIENER OPERNBALL am 23.2.2017

Viele Neuerungen waren für diesen 61. Opernball vorgesehen – stellte doch das Gesamtkonzept der neuen Organisatorin Maria Großbauer mit dem Titel „Alles Oper“ das traditionsreiche Haus und vor allem vielerlei Zitate aus der Opernwelt in den Fokus – und dennoch bewirkte ein Ereignis Abweichungen vom lange Geplanten, zumindest, was die Zeremonie der Eröffnung betraf. Da der Opernball auch ein Ball der Republik ist und viele Regierungsmitglieder sowie Bundespräsident Alexander van der Bellen hier vertreten sind, war ein unerwarteter trauriger Anlass der Grund für diese unvorhergesehenen Änderungen. Sichtlich ergriffen informierte  Bundeskanzler Christian Kern die Ballgäste vom Tod der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Sabine Oberhauser, die kurz zuvor am selben Abend ihrer schweren Erkrankung erlegen ist. Er bat in sehr persönlichen Worten voller Hochachtung, Wertschätzung und Anteilnahme um eine Trauerminute. Verständlich, dass  Mitglieder der Regierung während bzw. nach der Eröffnung den Opernball gleich wieder verließen.  

Die Fanfare von Karl Rosner – gespielt vom Bühnenorchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Witolf Werner – erklang daher erst nach diesem Augenblick des Gedenkens und leitete damit das Eröffnungsprogramm ein, gefolgt von der österreichischen Bundeshymne und der Europahymne, beides intoniert vom Wiener Opernball Orchester, geleitet von Andreas Spörri. Mit der Polonaise aus der Oper „Eugen Onegin“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowski zogen die insgesamt 144 Paare des Jungdamen- und Jungherren-Komitees ein.

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Edle Eleganz: Maria Yakovleva und Denys Cherevychko im Walzer „Künstlerleben“© Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Das Wiener Staatsballett präsentierte sich diesmal mit dem Walzer „Künstlerleben“ op. 316 von Johann Strauß Sohn, choreografiert von Lukas Gaudernak, seit 2009 Proben- und Produktionsleiter im Staatsballett Wien. Er  wurde 1987 an die Ballettcompagnie der Wiener Staatsoper engagiert und begann bereits früh neben seinen Auftritten als Tänzer auch zu choreografieren – 1994 entstand für die „Jungen Choreographen“ sein sehr beachteter Erstling „1994 – im Jahr der Familie“. In seinem  Œuvre finden sich auch zahlreiche Kreationen für Opernproduktionen im In- und Ausland, weiters zeichnet er mehrfach für Balleröffnungen von Wiener Traditionsbällen verantwortlich und hat langjährige Erfahrung als choreografische Assistenz bei den Neujahrskonzerten der Wiener Philharmoniker. Für seinen ersten Opernball-Walzer wählte er 6 Solistenpaare, 6 Paare Corps de ballet sowie 12 Paare aus der Ballettakademie der Wiener Staatsoper (Leitung: Simona Noja) aus, um seine eleganten Schrittfolgen gepaart mit schönen geometrisch-symmetrischen Tanzformationen und gelungenen Auflösungen für die nächsten Gruppierungen im großen langgezogenen Ballsaal musikalisch umzusetzen, unterstützt dabei von der Halbsolistin Franziska Wallner-Hollinek als seine choreografische Assistenz; die beiden haben bereits mehrfach erfolgreich in dieser Konstellation miteinander gearbeitet. Als exquisite Hauptpaare tanzten Maria Yakovleva mit Denys Cherevychko sowie Nina Poláková mit Roman Lazik. Alle vier waren auch in der bejubelten Ballettpremiere mit zwei Piecen von John Neumeier am vergangenen Sonntag im Einsatz gewesen und hatten in ihren jeweiligen Parts reüssiert, ebenso wie Mihail Sosnosvschi, Eno Peci und Davide Dato und Masayu Kimoto, die hier mit schöner Körperlinie und feinem Esprit mit den Partnerinnen Natascha Mair, Nina Tonoli, Ioanna Avraam und Alice Firenze die edle Walzerchoreografie präsentierten, die mit stürmischem Beifall von den Zuschauern honoriert wurde. Auch der famose Ballettnachwuchs gefiel – stellvertretend sei hier Aleksandar Orlic genannt, der als Sohn von Vesna Orlic, seit 2010 Ballettmeisterin und Stellvertreterin des Ballettdirektors für künstlerische Belange in der Volksoper Wien, gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus der Ballettakademie sehr gute Figur machte. Exquisit auch die Kostüme, entworfen von Christof Cremer, der sich am klassischen Weiß und Silber orientierend, Ornamente aus dem Schwindfoyer als Zitat zum Gesamthausthema für diesen Opernball aufgreift und diese in den Kostümen und auch im Haarschmuck der Damen sichtbar macht. Sascha Goetzel dirigierte das Wiener Staatsopernorchester – Balletterfahrung als Dirigent bringt der österreichische Stardirigent mit, hat er doch bereits in der Saison 2006/07 hier den „Nussknacker“ in der Choreografie des damaligen Ballettchefs Gyula Harangozó musikalisch betreut und 2003 schon einmal die Opernball-Eröffnung dirigiert.

Mit dem Dirigentenwechsel zu Speranza Scappucci erfolgte eine weitere Novität auf dem Ball: es dirigierte damit erstmals eine Frau. Die Italienerin war als Solokorrepetitorin an der Wiener Staatsoper tätig, bevor sie sich dem Dirigieren zuwandte und seither international viel gefragt ist. Im vergangenen November gab sie im Haus mit „La Cenerentola“ ein erfolgreiches Debut und wird im Frühsommer weitere Opernaufführungen in Wien leiten. Für den Opernball sprang sie für den erkrankten Semyon Bychkov ein und reiste dafür  aus Baden-Baden an, wo sie tags darauf im Festspielhaus ein Konzert mit Olga Peretyatko und Lawrence Brownlee hatte – dankenswerter Weise konnten die dortigen Proben so angepasst werden, dass der Abstecher nach Wien möglich war.

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Doppeltes Debut: Startenor Jonas Kaufmann und Dirigentin Speranza Scappucci erstmals am Opernball. © Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Nach der feurigen Ouvertüre zu „Carmen“ von Georges Bizet dann der gesangliche hochkarätige Höhepunkt: Startenor Jonas Kaufmann debütierte als Sänger der künstlerischen Eröffnung des Opernballs: mit viel Gefühl sang er zunächst die Blumenarie „La fleur que tu m’avais jetée“ aus „Carmen“ und danach folgte das weltbekannte Liebeslied „Dein ist mein ganzes Herz“ aus „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehár. Beglückt, dass er nach seinen Problemen mit den Stimmbändern und der daraus resultierenden monatelangen Zwangspause wieder stimmlich fit seinen wunderbaren warmen Tenor erstrahlen ließ, jubelten die begeisterten Anwesenden ihm zu und applaudierten minutenlang.

Roman E. Svabek war wieder für die Choreografie des Jungdamen- und Jungherren-Komitees zuständig. Diesmal wählte er mit „Künstler-Gruß“ eine Polka français op.274 von Josef Strauß (begleitet vom Wiener Opernball Orchester unter Andreas Spörri) das Publikum goutierte die originellen Schwarz-Weiß-Effekte mit viel Beifall. Auch hier wieder ein Opernzitat passend zum Motto des Abends. Statt der üblichen Sträußchen in den Händen der Debütantinnen überreichten am Ende der Darbietung die jungen Herren ihren Partnerinnen je eine silberne Rose in Anlehnung an die Oper „Rosenkavalier“.

Kein Opernball ohne glitzerndem Kopfschmuck für die jungen Damen: diesmal stammte der Entwurfs der mit zahlreichen Swarovski-Steinen besetzten Tiara „Le Beau Danube Bleu“ von Karl Lagerfeld. Anlässlich von 150 Jahre Donauwalzer – wurde vor wenigen Tagen am Originaluraufführungsort Dianabad zelebriert – führte diese berühmte Komposition von Johann Strauß Sohn ins Finale der Eröffnungszeremonie: „An der schönen  blauen Donau“, op. 314 erklang, die 144 Paare drehten sich gekonnt im Linkswalzer. Mit der bereits traditionellen Aufforderung „Alles Walzer“ durch Direktor Dominique Meyer, Ballettchef Manuel Legris und alle Künstler des Hauses, die im Stehplatzbereich positioniert, dem feierlichen Geschehen folgten, war das glanzvolle Ballereignis eröffnet und jedermann konnte sich ins Getümmel wagen oder die vielen attraktiven Orte des Verweilens entdecken. Im Foyer entzückten die riesigen Blumenarrangements in Pfauenform als Hinweis auf die „Die Zauberflöte“, phantasievoller Pflanzenschmuck ließ sich im großen Ballsaal und vielerorts im Haus wiederfinden. Auch im Marmorsaal wiederholte sich das Thema der Zauberflöte mit farbenfrohen Siebdrucken von Evelyn Grill, die von der Decke bis zum Boden reichten. Der Parterregarderobenbereich mutierte zur glitzernden Swarovski-Welt mit Kristallvorhängen und Scherenschnitten mit Motiven aus weiteren Mozart-Opern. In der von Agnes Hasun gestalteten  „Wolfsschlucht“ (angelehnt an eine Szene aus „Der Freischütz“) fand man sich im gemütlichen Heurigen. Im gesamten Haus kam die Kulinarik nicht zu kurz: Die viele Köstlichkeiten von Austern über Kaviar bis Schnecken, aber auch Süßes wie u.a. Eis im Stanitzel sowie erlesene Weine sowie Sekt und Champagner ließen keinen Wunsch offen, um die Ballgäste bis in den frühen Morgen zu verwöhnen – wenn man vom vielen Tanz oder der „Quadrille“ (angesagt von Roman E. Svabek) um Mitternacht, 2 Uhr bzw. 4 Uhr früh der Labung bedurfte. Um fünf Uhr morgens war der glanzvolle Ballzauber vorbei.

Ira Werbowsky   

 

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