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WIEN /Staatsoper: NABUCCO von Giuseppe Verdi

Dankbar zur Kenntnis genommen: Eine Bühne, die nicht extra stört

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Amartuvshin Enkhbat (Nabucco), Maria José Siri (Abigaille). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: NABUCCO von Giuseppe Verdi

80. Aufführung in dieser Inszenierung

1. November 2021

Von Manfred A. Schmid

132 Jahre hat es gedauert, bis die Oper Nabucco, mit der Verdi der Durchbruch gelang, Eingang ins Repertoire der Staatsoper finden sollte. Die Inszenierung von Günter Krämer, dem zur Geschichte der Rettung des jüdischen Volkes aus babylonischer Gefangenschaft erschreckend wenig eingefallen ist, stieß 2001 allerdings mehrheitlich auf Ablehnung. Vor allem die meist in Dunkelheit getauchte Bühne von Petra Buchholz und Manfred Voss, nur durch die Projektion hebräischer Texte zuweilen etwas aufgelockert, befriedigt nicht. Dass sich die Produktion dennoch auf dem Spielplan behauptet hat, liegt an der gelungenen Personenführung (der Hauptakteure, leider nicht der Massen, die meist nur herumhocken) sowie nicht zuletzt daran, dass das Bühnenbild so belanglos ist, dass es die Handlungsverläufe weder stört noch die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dafür ist man heutzutage, besonders seit dem Amtsantritt des jetzigen Direktors, schon unendlich dankbar. Denn inzwischen gibt es kaum eine Neuproduktion, in der nicht virtueller Firlefanz, irritierende Videoeinspielungen und allerlei andere multimediale Gimmicks das Nachverfolgen der Handlung wie auch – gravierender –  der Musik empfindlich beeinträchtigen. Das ist dann auch der entscheidende Unterschied zwischen diesem Nabucco und dem tags zuvor gezeigten Faust. Endlich wieder Anteilnahme, Begeisterung und Leidenschaft angesichts einer nachvollziehbar vorgeführten, nicht mutwillig verfälschten oder absurd umgemünzten Geschichte. Und: Mit Figuren auf der Bühne, die den Vorstellungen des Komponisten und seiner Librettisten nicht von Vornherein diametral entgegenstehen. Mag schon sein, dass die Einbeziehung multimediale Verfremdungen und das Herniederprasseln unablässig wechselnder visueller und virtueller Effekte den Konsumgewohnheiten jugendlicher Besucher entgegenkommt: Da tut sich ja ständig was. Wie aufregend modern und abwechslungsreich! – Aber ob dadurch regelmäßig wiederkehrende Opernbesucher gewonnen werden, um so das eventuelle Ausbleiben größerer Mengen des Stammpublikums ausgleichen zu können, bleibt dahingestellt.

Die fade Bühne lenkt, wie schon angedeutet, an diesem Abend den Fokus ganz auf die Musik unter der Leitung von Paolo Carignani.  Man erwartet – no na – Italianita, und diese wird mit viel Schwung auch eingelöst. In der Ouvertüre überrascht er zwar mit einem schleppend dargebotenen instrumentalen Gefangenenchor, aber der Spannungsaufbau gelingt dem versierten Dirigenten, wie sich im weiteren Verlauf darstellt, gerade mit solchen pointiert eingesetzten Mitteln. Lob gebührt Peter Somodari am Solocello für seine einfühlsame, die seelische Befindlichkeiten Zaccarias auslotende Begleitung.

Welche Bedeutung dem Chor in dieser Oper zukommt, ist allseits bekannt. Der Chor der Wiener Staatsoper, erweitert durch den Extrachor, lässt diese Gelegenheit natürlich nicht ungenützt und zeigt sich – einstudiert wie immer von Thomas Lang – von seiner besten Seite. Dass das Publikum mit starkem Beifall reagiert, ist diesmal gewiss aber auch dem Wiedererkennungs- und Wiederhörenseffekt geschuldet.

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Roberto Tagliavini (Zaccaria, Oberpriester der Hebräer)

Gespannt ist man auf den aus der Mongolei stammenden Sänger Amartuvshin Enkhbat bei seinem Staatsoperndebüt als Nabucco. Er wird den hohen stimmlichem Erwartungen und Anforderungen der Titelpartie gerecht. Ein ausdrucksstarker Verdi-Bariton, dessen Arie nach der Wiedererlangung der Macht mit der Bitte um Vergebung ihre Wirkung ebenso wenig verfehlt wie das Beklagen seiner Einsamkeit im 3. Akt. Darstellerisch ist da noch Luft nach oben

Maria José Siri kommt bei ihrem Rollendebüt als Abigaille mit der oft als unsingbar bezeichneten Partie gut zurecht, was aufgrund ihrer Prädestination für große Sopranrollen des italienischen Fachs nicht weiter verwundert. Auch darstellerisch gelingt ihr die mitreißende Gestaltung einer von Machtstreben und Minderwertigkeitsgefühlen – wegen ihres Status als geborene Sklavin – beherrschten Frau. Berührend dann ihre Reue im Angesicht des Todes.

Das Ensemblemitglied Szilvia Vörös hat sich inzwischen in erstklassigen Rollen ihres Faches einen Namen gemacht. Die Sopranistin war schon beim Streaming der Oper mit Placido Domingo am 22. Jänner dieses Jahres dabei. Ihr in allen Stimmlagen rein geführter Sopran mit starker Ausstrahlung macht sie zu einer feinen Königstochter Fenena.

Eine stimmliche Bravourleistung liefert auch Roberto Tagliavini als stimmstarker, eindringlich mahnender Hohepriester Zaccaria. Dass die ganz tiefen Töne nicht in Fülle erklingen, ist bekannt, nimmt man in Anbetracht des überzeugenden Gesamteindrucks aber gerne in Kauf.

Nicht zufriedenstellend fällt die Besetzung des Ismaele mit Massimo Giordano aus. Sein Tenor klingt bedeckt, als ob er sich nicht ganz entfalten könne. Ein Eindruck, den man schon bei früheren Auftritten gewinnen konnte und der sich erneut bestätigt.

Eine starke Hausbesetzung ist, wie erwartet, Dan Paul Dumitrescu als profund tönender Oberpriester des Baal. In Nebenrollen treten weitere Kräfte aus dem Haus in Erscheinung: der Tenor Daniel Jenz, seit dieser Saison Ensemblemitglied, als Abdallo, und Aurora Marthens, aus dem Opernstudio, in der Rolle von Zaccarias Schwester Anna.

Insgesamt also ein Abend mit erfreulichen gesanglichen Leistungen, die – wären die inszenatorischen Gegebenheiten stimmiger – freilich noch besser ausfallen könnten. Dennoch und zu Recht großer und langanhaltender Applausn

 

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