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WIEN / Staatsoper: NABUCCO

01.05.2014 | Oper

WIEN / Staatsoper:
NABUCCO von Giuseppe Verdi
64. Aufführung in dieser Inszenierung
1. Mai 2014

Der Stehplatz war ausverkauft, die Sitzplätze natürlich auch, die Neugierde offenbar doch sehr groß: Plácido Domingo hat sich nach seiner ersten, großen, tenoralen Karriere schon seit längerer Zeit als Phänomen herausgestellt, und offenbar wollen viele doch live miterleben, wie weit er seine Bariton-Abenteuer noch „strecken“ kann. Nun, der Nabucco, den er nach London, Verona und Peking jetzt erstmals in Wien hören ließ, kommt ihm noch (fast) mühelos aus der Kehle. Woher er die Kraft hernimmt, bleibt allerdings ein Rätsel.

Placido Domingo als Nabucco

Placido Domingo als Nabucco

Eine gute Technik ist natürlich die Voraussetzung – nicht nur, dass Domingo mit seiner Tenorvergangenheit jede Höhe, die man einem Bariton abverlangt, locker stemmt. Er weiß auch, wie man Töne ansetzt, stützt, hält, er kann herrliche Phrasen singen (manche klingen auch noch wirklich wunderschön!), er kann die Stimme je nach der Stimmung der Figur färben und tönen – und er kann gestalten. Es ist die Ernte eines reichen Lebens, die er in einer Zeit einbringt, wo andere ihre Gärten pflegen und mit ihren Enkeln spielen, und er steht nach wie vor auf dem festen Boden jahrzehntelanger Erfahrung und ungetrübten Könnens. (Und niemand komme mit dem leichten Schwächeln zwischendurch und ein, zwei Kratzern in der Kehle, das passiert auch Jungen.)

Zudem ist Domingo auch eine Persönlichkeit, die etwas darstellt, auf der Bühne gute Figur macht, das ist unendlich wichtig – und da Nabucco (ebenso wie der Boccanegra, der alte Foscari und der Germont, den wir noch nicht von ihm gesehen haben) ein älterer Mann ist, stimmt da dann alles. Soweit es in einer Inszenierung wie jener von Günter Krämer möglich ist – wenn man sich im blauen Anzug, in Hosenträgern, auf einem Glaskasten wälzen muss, um die Leiden eines biblischen Potentaten zu verkörpern, da gehört allseits der gute Wille dazu, das hinzunehmen, aber den hat man ja dem Publikum längst abgezwungen. Also – wer gekommen war, um den großen Plácido Domingo als Nabucco zu erleben, bekam seines Geldes Wert.

Die Rolle der Abigail ist die Crux jeder Aufführung und jeder Sängerin, denn was Verdi da verlangt – zumal zu Beginn mit den Fortissimo-Höhen, die brünnhildengleich geschmettert werden müssen – , geht selten gut aus. Es ist erfreulich, dass Anna Smirnova nicht nur brüllen, sondern auch singen kann (auf Linie auch noch), nicht durchwegs angestrengt bis überfordert klang (wie ihre unmittelbare Rollenvorgängerin in Wien), auch Mezzavoce und Piani hören ließ, und solcherart eine der überzeugenden Abigails war, an die man sich seit langem erinnert.

Die dritte große Rolle gehört dem Baß, und Dmitry Belosselskiy, den man erstmals am Haus hörte, stammt aus jener Welt, die man eben zwei Abende lang im Theater an der Wien beim Bolschoi-Gastspiel erlebt hat – die gewaltigen, harten slawischen Stimmen, die auch so frontal eingesetzt werden (wo etwas gesangliches Raffinement so viel bringen könnte).

Für Verdi ungewöhnlich, sind die Rollen von Mezzo und Tenor sehr bescheiden ausgefallen, was für die Fenena der Zoryana Kushpler (diesmal in der Tiefe besonders schön) bedauerlich war, beim Ismaele des Marian Talaba weniger. Die Anna ist eine winzige Nebenrolle, aber wenn man sie ließ, überstrahlte Caroline Wenborne mit ihrem Sopran einen ganzen Chor. Der sich, wie üblich, für „Va pensiero“ seinen Sonderapplaus holte. Benedikt Kobel und Il Hong agierten am Rande, und am Ende brachte Ersterer Letzteren um.

Jesús López-Cobos ließ wieder einmal sein Temperament durchgehen, das wird dann meist sehr laut und oft auch grobschlächtig, aber es funktionierte so weit. Dem Publikum ging es um Domingo, und man war spürbar glücklich, dass man so uneingeschränkt jubeln durfte.

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Dmitry Belosselskiy und Zoryana Kushpler

 

Renate Wagner
Fotos: Wiener Statsoper/Michael Pöhn

 

PS.: Die Staatsoper überträgt die Aufführung des „Nabucco“
am 7.Mai 2014 live via Staatsoperlive.com (Die Red.)

 

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