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WIEN / Staatsoper: MEISTERSIGNATUREN

28.05.2014 | Ballett/Performance

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Denys Cherevychko / Eno Peci / Fotos: Wiener Staatsoper, Pöhn

WIEN / Staatsoper:
MEISTERSIGNATUREN
Jirí Bubenícek, John Neumeier, Rudi van Dantzig
Premiere: George Balanchine: ALLEGRO BRILLANTE
27. Mai 2014

Bits and Pieces, Stücke zwischen 15 und 25 Minuten, vier an einem Abend, prominente Choreographen-Namen (wenn auch schon mehr von gestern als von heute) – „Meistersignaturen“ ist für das Wiener Staatsballett ein ergiebiger Abend nach dem Motto „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“. Zumal sich auch viele von den ersten Namen des Ensembles als Interpreten hier einfinden.

Neu in das vierblättrige Kleeblatt des Abends kam „Allegro Brillante“, 1956 in New York uraufgeführt, wahrlich ein Klassiker und von seinem Schöpfer George Balanchine auch genau so gedacht. Man kommt, wenn man dem Stück zusieht, nicht um dessen Selbstaussage herum, es enthalte „alles, was ich über klassisches Ballett weiß, in 13 Minuten“. Und das zu Tschaikowsky, wenn auch nicht einer seiner üblichen, allzu bekannten Musiken, sondern zu Teilen von dessen 3. Klavierkonzert – Shino Takizawa interpretierte es wacker mit dem Orchester unter Vello Pähn. (Live Musik gab’s erst im zweiten Teil des Abends für diesen Tschaikowsky und die „Vier letzten Lieder“ von Strauss, der Rest kam aus der Konserve.)

Zehn Tänzer, vier „Nebenpaare“, die durchaus nicht gänzlich im Hintergrund stehen, und ein Hauptpaar, klassische Schrittfolgen durchaus aus einem Geist des 20. Jahrhunderts heraus kombiniert, der Fokus auf zwei Tänzer, die alles ausstrahlen müssen, was die großen Protagonisten der Ballettwelt mitbringen: Wenn Olga Esina auf die Bühne kommt, weiß man auch, was eine wirklich große Primaballerina von ihren Kolleginnen unterscheidet, nämlich die scheinbar so fraglose Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der das Schwierigste quasi schwebend exekutiert wird (während man mancher ihrer Kolleginnen im gefrorenen Lächeln doch die schwerste Konzentration ansieht, leicht erscheinen zu wollen…). Hier ist auch Vladimir Shishov ausgezeichnet: Wo man ihm nicht die virtuosen Sprünge und großen Gesten abverlangt, für die legendäre Kollegen Maßstäbe gesetzt haben, ist er persönlichkeitsstark und immer ein idealer Partner für die Esina. (Und natürlich wird es hoch interessant sein, wenn zwei andere „erste“ Tänzer, Liudmila Konovalova und Robert Gabdullin, diese Parts übernehmen.)

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Olga Esina, Vladimir Shishov

Von den übrigen drei Werken ist wahrscheinlich „Vaslaw“ am interessantesten, 1979 uraufgeführt, John Neumeiers strenge Paraphrase von Vaslaw Nijinsky, der ein Werk zu Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ schaffen wollte, das aber nicht zustande kam (Bach wird hier sehr wohl gespielt, am Flügel ist Igor Zapravdin). Da ist dann Denys Cherevychko der einsame Vaslaw, der von seinen eigenen Figuren und Ideen quasi „umtanzt“ wird und sich immer verkrampfter und tragischer in sich zurückzieht.

Zu Beginn sah man „Le Souffle de l’esprit“ von 2007, die Gemeinschaftsarbeit der Brüder Bubenícek, Jirí Bubenícek für die Choreographie, Otto Bubeníček für die Musikcollage (von Bach bis Eigenkompositionen und einiges dazwischen) und auch für die Ausstattung, die eine Welt der Werke Leonardo da Vincis beschwört, die im Hintergrund als Projektionen langsam abwechseln, während davor ein Ensemble in Herrenhemden sehr heutig und entschlossen wirkt.

Am Ende dann die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss, die der 2012 verstorbene Rudi van Dantzig 1977 zu einer Paraphrase über den Tod machte, den Eno Peci so düster wie eindrucksvoll präsent darstellt, während in Herbstfarben gekleidete Paare mit elegischem Grundton ihre Beziehungen tanzen. Weniger glücklich wurde man mit der gesanglichen Ausgestaltung dieser anspruchsvollen (und sehr bekannten, also vielen Vergleichen ausgesetzten) Lieder durch Olga Bezsmertna.

Keine Frage, die „Meister“ im Titel haben das Ensemble gefordert, und dieses hat wieder einmal gern gezeigt, was es kann.

Renate Wagner

 

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