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WIEN/ Staatsoper: MANON LESCAUT – nicht ganz die Erwartungen erfüllt

WIEN / Staatsoper: „MANON LESCAUT“ –   07.02.2022

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Asmik Grigorian. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Diese Aufführung war ein Paradebeispiel, wie Oper NICHT sein soll. Grundübel war die Tatsache, dass man die Inszenierung von Robert Carsen aus dem Jahr 2005 noch einmal aufgenommen hat. Diese Produktion, eine der schlechtesten aus der Ära Holender, stand schon von Anfang an unter keinem guten Stern. Ursprünglich hätte damit die junge französische Sopranistin Alexia Cousin ihr Staatsoperndebüt geben sollen. Sie hat jedoch kurz vor der Premiere beschlossen im Alter von nur 26 Jahren ihre Gesangskarriere zu beenden, und so sprang die niederländische Sopranistin Barbara Haveman für sie ein. Robert Carsen hat die Handlung in die Gegenwart verlegt und den Konsumwahn und die Gier nach Luxusartikeln in den Mittelpunkt gestellt, was spätestens im dritten Akt, wenn straffällig gewordene Frauen nach Amerika deportiert werden sollen, völlig absurd wird. Die USA würden sich heute wohl kaum noch gefallen lassen, wenn Europa Verbrecher nach Amerika abschieben würde. (OK, der Trump hätte die in dieser Produktion für die Deportation vorgesehen Nutten vielleicht doch gerne genommen.)  Aber der Gipfel an Stumpfsinnigkeit ist dann das Finale, wenn Manon in einer Shopping Mall verdurstet. Da hat wohl der unfähige Des Grieux nicht einmal einen Cola-Automaten finden können? Außerdem hat Robert Carsen bereits vor 17 Jahren das gemacht, was Martin Kušej soeben im Theater an der Wien getan hat: er hat mehrere Kleinpartien in einer Figur vereinigt. So wurden der Student Edmondo aus dem 1. Akt, der Tanzlehrer aus dem 2. Akt und der Laternenanzünder aus dem 3. Akt zu dem Paparazzo Edmondo zusammengefasst. Und die Partie des Schiffskapitäns geht völlig unlogisch in der Partie des königlichen Steuerpächters Geronte, der in dieser Inszenierung wohl eher ein Mafioso ist, auf. Wenigstens eine der schlimmsten Szenen dieser Inszenierung hat man so gut wie eliminiert: die Vergewaltigung der Dienstmädchen durch die Bodyguards im 2. Akt. Dankenswerterweise fällt der Vorhang nun früher, um dem Publikum diese Peinlichkeit zu ersparen.

Und wieder wurde ein Dirigent engagiert, der das Orchester viel zu laut aufspielen ließ und den Sängern auf der Bühne das (Über-)Leben erschwerte. Dank des sängerunfreundlichen Dirigats von Francesco Ivan Ciampa hat man zum Beispiel vom Tenor Josh Lovell (Edmondo) im 1. Akt auf der Galerie kaum etwas gehört.

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Asmik Grigorian. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Und wieder erweist es sich für eine Künstlerin für unvorteilhaft, wenn sie gehypt wird, weil damit beim Publikum Erwartungen geschürt werden, die die Künstlerin dann nicht (ganz) erfüllen kann. Die Salzburger Festspiele versuchen schon seit einiger Zeit Asmik Grigorian zu einer zweiten Netrebko hochzujubeln, und die Wiener Staatsoper springt auf diesen Zug auf. Aber Qualität setzt sich immer durch. Wenn Asmik Grigorian auf ihre Stimme aufpassen und ihre Rollen (und in Zukunft hoffentlich auch ihre Dirigenten) sorgfältig auswählen wird, dann wird sie eine erste Grigorian und nicht eine zweite Netrebko werden. An diesem Abend gab sie bestenfalls das Versprechen ab, dass sie vielleicht einmal eine gute Manon Lescaut sein wird. Aber sie wird aufpassen müssen, denn die Stimme weist bereits jetzt gefährliche Schärfen in der Höhe auf und verliert an Glanz. Auch darstellerisch enttäuscht sie noch. Lediglich zu Beginn als junges, unbekümmertes Mädchen und zu Beginn des 2. Aktes überzeugt sie. Die leidenschaftlich Liebende nimmt man ihr ebenso wenig ab wie die leidende und sterbende Manon. Was aber vielleicht auch mit ihrem Partner zusammenhängt.

Brian Jagde besitzt eine groß dimensionierte Tenorstimme und unerschöpfliche Kraftreserven. Er war auch der einzige Sänger, der vom viel zu lauten Orchester nicht zugedeckt werden konnte. Vom ersten Ton an stemmt er sich unermüdlich, aber leider auch völlig undifferenziert durch die Partie. Dass das aber nicht immer schön klang, steht natürlich auf einem anderen Blatt, der Stimme fehlt jeder Glanz, jede Sinnlichkeit. Ich habe zwar schon viel schlechtere Tenöre in dieser Partie erlebt, aber noch niemals einen derart leidenschaftslosen Liebhaber. Und man konnte sehen und fühlen, dass die Chemie zwischen der Sopranistin und dem Tenor nicht funktionierte. Damit hat sich die Handlung der Oper auch abseits der schlechten Inszenierung ad absurdum geführt.

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Boris Pinkhasovich. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Und wenn einmal in einer Aufführung von Puccinis „Manon Lescaut“ der Bariton der beste Sänger auf der Bühne ist, dann kann ja etwas nicht stimmen. Boris Pinkhasovich hat auch als Lescaut bewiesen, dass sein Engagement ein großer Gewinn für die Wiener Staatsoper ist. Er ließ seinen prachtvollen Bariton schön fließen und sorgte mit seiner kleinen Arie im 2. Akt für einen kurzen vokalen Höhepunkt.

Nach dem Tod Manons verließ man das Haus ungerührt und mit einem Gefühl der Enttäuschung. Nach den vielen großartigen Vorstellungen der letzten Zeit war dies nun leider ein Tiefpunkt, auf den man gerne hätte verzichten können. Die Wiederaufnahme der „Manon Lescaut“ war wirklich entbehrlich. Und hoffentlich wird diese Produktion nun endlich entsorgt. Statt der unnötigen Neuinszenierung von Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ hätte man wohl besser Puccinis Frühwerk neu inszenieren sollen.

 Walter Nowotny

 

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