Juan Diego Florez. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
WIEN/ Staatsoper: 05.06.2019 „Manon“
Andrei Serbans Inszenierung darf man bereits als klassisch bezeichnen, man kennt die Szenerie, findet kaum (mehr) ein Haar in der Suppe und kann sich ganz der musikalischen Seite von Massenets Meisterwerk widmen.
Zwei interessante Rollendebüts an der Staatsoper waren zu erleben: Juan Diego Florez als Des Grieux und Nino Machaidse als Manon. Florez versuchte in den letzten beiden Jahren zunehmend Fuß zu fassen in Rollen, die nicht unbedingt seinem Stimmpotenzial entsprechen. Es ist zwar verständlich, sein Repertoire auszuweiten, beziehungsweise zu ändern, das hat aber meist zur Folge, dass man sein angestammtes „Fach“ vernachlässigen muss – mit Qualitätseinbußen, die derzeit noch nicht merkbar sind – , andererseits in den neuen Rollen mehr Stimme geben muss, als eigentlich vorhanden (und gut für den Sänger). An diesem Abend konnte er, ohne allzu sehr forcieren zu müssen, seine Rolle ausgezeichnet bewältigen. Sehr diszipliniert vermied er eingelegte hohe Töne, hielt die vorgeschriebenen nicht überlang und war in den Duetten mit Manon meist sehr präsent. Die glaubwürdige Darstellung dieses sehr wankelmütigen und unüberlegt handelnden Mannes würde auch jeden anderen Sänger überfordern. Nino Machaidse, einst in Salzburg blutjunge Debütantin als Julia, hat doch einiges an Frische verloren, Ihre schwerer gewordene Stimme wurde durch gelegentlich störendes Vibrato beeinträchtigt. Die Höhen waren sehr gut und sicher gesetzt, die Mittellage war nicht ihre Stärke. Die anderen Rollen wurden von ausgezeichneten Routiniers gesungen. Adrian Eröd ist ein nach wie vor ein ausdrucksvoller Bösling Lescaut. Seine schneidend scharfe Stimme passte wie immer gut zur unsympathischen Rolle des Moralapostels von eigenen Gnaden. Dan Paul Dumitrescu war als Vater Des Grieux wie immer ein Turm in der Schlacht. Sein makelloser Bass lebt auch in dieser Rolle auf. Clemens Unterreiner als Bretigny und Michael Laurenz als Guillot komplettierten mit ihren guten Stimmmitteln das hervorragende Ensemble.
Frederic Chaslin, der Spezialist für das französische Repertoire, dirigierte das Werk mit viel Gefühl für Ausgewogenheit in Sachen Lautstärke und Tempo, die Sänger wurden durch seinen rücksichtsvollen Einsatz bestens unterstützt, das Orchester wurde durch seine kluge Stabführung zu einer sehr homogenen Leistung animiert.
Das Publikum war erstaunlich kurz begeistert und suchte nach der doch schon schweißtreibenden Atmosphäre im Haus rasch nach Abkühlung.
Johannes Marksteiner