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WIEN / Staatsoper: MADAMA BUTTERFLY

Eine gute Repertorievorstellung als Beitrag zum Puccini-Schwerpunkt

 

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Marina Rebeka (Cio-Cio-San), Joshua Guerrero (Pinkerton). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: MADAMA BUTTERFLY

9. Aufführung in dieser Inszenierung

2. November 2024

Von Manfred A. Schmid

Der 100. Todestag Giacomo Puccinis am 29.11 wird an der Staatsoper Wien mit einem Programm-Schwerpunkt gewürdigt. Eine La Bohème-Aufführungsserie ist schon angelaufen, im Dezember folgt Tosca, in Jänner dann Turandot. Seit gestern wird das Puccini-Repertoire durch Madama Butterfly in der Inszenierung von Anthony Minghella bereichert, die es damit seit der Premiere 2020 erst auf neun Vorstellungen gebracht hat, was z.T. der Pandemie, aber auch dem großen technischen und personellen Aufwand dieser Produktion zuzuschreiben ist. Der der auch als erfolgreicher Filmregisseur tätige Minghella hat nicht nur eine anspruchsvolle, mit raffinierten Spiegeleffekten versehene Bühne ersonnen, sondern benötig für seine Produktion auch eine Heerschar an Artisten und Statisten. Wenn Cio-Cio-San ihre Dienerin Suzuki damit beauftragt, für die sehnsuchtsvoll erwartete Rückkehr ihres Gatten die Wohnung mit Kirschblütenzweigen zu schmücken, marschieren gleich zwölf dunkle Gestalten auf, hocken sich am Bühnenrand nieder und präsentieren auf ihren Rücken, dem Publikum zugewandt, wunderschön rote Blumenarrangements: Nicht der Wald von Birnamwood, sondern der Garten der Butterfly wird hier für kurze Zeit wandernde Realität.

Von dunklen Gestalten bedient, hin- und hergeschwenkt und in die Höhe gehalten werden auch unzählige Lampions, die für ein japanisches Ambiente sorgen sollen, das sich dann auch auf der schier endlos hohen Wand im Hintergrund widerspiegelt. Nicht zuletzt sind auch drei Puppenspieler erforderlich, denn in Minghellas Regie steht als Butterflys Söhnchen kein Blondschopf-Bub auf der Bühne, der sich dann beim Schlussapplaus über die jubelnde Anerkennung freuen kann, sondern ein putziges Püppchen, das gleich von zwei Puppenspielern bedient wird. Und da es bei Minghella vor dem letzten Akt auch eine Tanzeinlage gibt, eine Traumszene, in der Butterfly erahnt, was ihr zustoßen werde, muss auch ein Puppenspieler für die Butterfly-Puppe her, zuzüglich je ein Tänzer für Pinkerton (Andrew Robinson) und eine Tänzerin für die Butterfly (Hsin-Pin Chang). Viel Aufwand also zur Erreichung hochklassiger ästhetischer Wirkungen. Das passt ganz gut noch zum ersten Akt, in dem bei der Hochzeit des Paares strenge Etikette, von den Librettisten erfundene „traditionelle“ Formalitäten ausschlaggebend sind. Sobald es aber um Liebe und Gefühle geht, wenn es „menschelt“, dann wirkt das Ambiente doch etwas zu unterkühlt, glatt und steril.

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Daria Sushkova (Suzuki), Marina Rebeka (Cio-Cio-San) und Joshua Guerrero (Pinkerton)

Zum Glück gibt es die ungeniert leidenschaftliche und mit fernöstlichen Klangfarben und Melodien angereicherte Musik Puccinis, die unter der Leitung von Giampaolo Bisanti mit Verve und einem starken Sinn für Gefühlsausbrüche jeglicher Art aufblühen kann. Ein energiegeladener Dirigent, bei dem es Freude macht, ihm über die Schulter zu schauen, gehört er doch zu jenen in der Branche, die ständig in Bewegung sein müssen, um „das Werkel“, hier immerhin das philharmonische Staatsopernorchester, im Gang zu halten und auch den Chor einzubinden, der im innig gesummten Nachtgesang, von Pizzicato-Tönen begleitet, eine ruhe- und weihevolle Atmosphäre heraufbeschwört, bevor das grausame Geschick voll über Cio-Cio-San hereinbricht.

Bei allen Rollen kommen Debütantinnen und Debütanten zum Einsatz. Die lettische Sopranistin Marina Rebeka ist kaum mehr die jugendliche Geisha, wie sie Puccini vorschwebte, besingt in der Arie „Un bel dì vedremo“ glaubhaft die Innige Sehnsucht nach Liebe, erreicht ihre beste Gestaltung aber in den Szenen, in denen sich der tragische Ausgang, das vergebliche Warten auf den Geliebten, immer deutlicher abzeichnet. Auch wenn sie ihre Hoffnung noch nicht aufgeben will, aber wohl schon ahnt (siehe die oben erwähnte Tanzvision). Geradezu heroisch wird sie, wenn das Scheitern nicht mehr zu übersehen ist und sie die Kraft aufbringt, das Wohl ihres Kindes ihrer schuldlosen Rivalin Kate Pinkerton anzuvertrauen (unaufdringlich und von edler Zurückhaltung Anita Monserrat aus dem Opernstudio) und ihr Glück und Wohlergehen zu wünschen. Rebekas Butterfly stellt sich der Tragödie mit authentischer Würde, ohne vorgetäuschte Theatralik oder Sentimentalität. Ein ehrenvoller Tod ist einem ehrlosen Leben vorzuziehen´, wie es Cio-Cio-San vom Beispiel ihres Vaters gelernt hat. Das kostet Mühe und Kraft, was sich in einige stimmlichen Schärfen niederschlägt, was aber dem guten Gesamteindruck nicht schmälert.

Der jugendlich wirkende Joshua Guerrero kann in der nicht einfachen Rolle des oberflächlichen, rücksichtslos egoistischen, immer unsympathischer werdenden Pinkerton nicht ganz überzeugen. Stimmlich gut aufgestellt, mangelt es ihm an dramatischer Ausdrucksstärke, um Marina Rebeka auf Augenhöhe gewachsen zu sein. Als elegant singender Marineleutnant mehr als okay. Als verantwortungsloser, feiger Schurke zu harmlos.

Berührend hingegen ist Daria Sushkovas Suzuki. Als besorgte Dienerin schickt sie im zweiten zweiten Akt ein berührendes Gebet zum Himmel und steht stets mitfühlend an der Seite ihrer Herrin, was sich im Blumenduett „Tutti i fior?‘ auch wunderbar nachvollziehen lässt.

Stefan Astakhov als Sharpless ist der Pinkerton unermüdlich warnende Konsul, der die Folgen von dessen erotischem Abenteuer abschätzen, aber nicht verhindern kann. Das Ensemblemitglied liefert das stimmige Porträt eines Diplomaten, der humanistisch denkt, aber letztlich zu feige ist, Cio-Cio-San die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.

Matthäus Schmidlechner, seit Herbst Ensemblemitglied und jüngst als Herodes eingesetzt, ist ein so falscher, lästiger und umtriebiger Heiratsvermittler, wie man ihn nur erwarten kann, während es Evgeny Solodovnikov für den die Hochzeit seiner Nichte mit einem Amerikaner als Verrat und  Familienschande verdammenden Onkel Bonze an stimmlicher Durchschlagskraft noch mangelt. Da darf nachgeschärft werden. Alex Ilvakhin, sein Kollege, allerdings aus dem, Opernstudio, ist ein in einer imposantem Aufmachung, auch stimmlich durchaus selbstbewusst auftretender Fürst Yamadori, der vergeblich um Butterflys Gunst wirbt, aber noch lange nicht zum Aufgeben bereit ist.

Ein gut aufgenommener Puccini-Repertorieabend, dem für eine außergewöhnliche Aufführung allerdings noch einiges fehlt.

 

 

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