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WIEN/ Staatsoper: MADAMA BUTTERFLY

Wiener Staatsoper, 29.6.2023: MADAMA BUTTERFLY

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Charles Castronovo, Boris Pinkhasovich. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 

 Es gibt Werke, die einem erst nach und nach ans Herz wachsen. Für mich gehört die  „Butterfly“ dazu – was allerdings auch sehr viel mit der wunderbaren Produktion zu tun hat, die seinerzeit eingekauft wurde. Ursprünglich war es eine Koproduktion der Met, der English National Opera und des litauischen Nationaltheaters. Das Leading Team besteht aus Anthony Minghella (Inszenierung), Carolyn Choa (Regie und Choreographie), Michael Levine (Bühne) und Han Feng (Kostüme). Ganz wichtig in dieser Produktion sind auch die Puppenspieler (an diesem Abend – Eugenijus Slavinskas, Valentin Alfery, Emil Kohlmayr), die dem Kind von Cio Cio San wirklich Leben einhauchten und mit einer eigenen Peraönlichkeit erfüllten. Ursprünglich war das Blind Summit Theatre/Mark Down & Nick Barnes für die Regie der Puppenspieler verantwortlich.

Minghella war unter anderem auch ein sehr erfolgreicher Filmregisseur (Der Englische Patient, Der talentierte Mr.Ripley), der mit seiner aus Hongkong stammenden Gattin Carolyn sowohl hinter der Kamera als auch für die Opernbühne beeindruckende Bilder gestalten konnte. Die farbenprächtigen Kostüme wurden – wie schon oben beschrieben – von Han Feng entworfen. Diese Designerin wuchs in Nanjing (China) auf, zog dann 1985 nach New York (wo sie eines ihrer 3 Modestudios unterhält) und wurde 1993 mit ihrer ersten Kollektion bekannt. In der Produktion der „Butterfly“ wagte sie sich zum ersten Mal an das Genre Oper – die Kostüme sind meistens bunt (vom Muster her nicht wirklich japanisch, aber okay…) und ein wahrer Augenschmaus.

Was ist zum Bühnenbild und zur Regie zu sagen? Nun – es zeigt sich, dass man mit ganz wenigen Requisiten (davon am wichtigsten die immer verschiebbaren Shojis) auch eine intime Athmosphäre schaffen kann (man muss dazu halt nur die handwerklichen Fähigkeiten besitzen). Es wurde die Handlung aus dem Libretto erzählt (schlimm genug das extra betonen zu müssen…), einzig zu Beginn des zweiten Teils des zweiten Akts wurde eine Traumsequenz choreographiert, in der Cio Cio San ihr Schicksal vorausahnt.

Nun aber zum musikalischen Teil des Abends – Antonello Manacorda am Pult des Staatsopernorchesters ließ – besonders im 1.Akt – die puccinischen Klangwellen etwas zu laut durch das Haus schallen – darunter litt besonders Andrea Giovannini, der als Goro manchmal schwer zu verstehen war. Allerdings konnte Manacorda aus dem Orchester den für Puccini so typischen Pathos herausholen – nicht zu viel, sondern genau die richtige Portion.

Der Star des Abends war – was man am Schlussapplaus feststellen konnte – Boris Pinkhasovich als Sharpless. Er wird von Saison zu Saison besser und gehört meiner Meinung nach schon jetzt zu den absoluten Topstars seines Genres. Ein wunderbar nobler Bariton – man kann sich glücklich schätzen ihn immer wieder in Wien zu hören. 2018 hatte der Russe in Wien debütiert – und schon damals war ich von ihm begeistert…

Benjamin Franklin Pinkerton – es gibt meiner Meinung nach wenige Figuren, die unsympathischer als dieser empathielose Feigling sind. Da fällt es sehr schwer, wenn wie an diesem Abend auch noch gut gespielt, die Figur von Sänger zu unterscheiden. Charles Castronovo hatte ich schon länger nicht mehr gehört und es überraschte doch, wie sehr seine Stimme größer geworden ist. Tolle Acuti, eine schöne Technik – leider wurde er zu Beginn der Oper vom Orchester ziemlich zugedeckt.

Hiroshi Amako sang den Yamadori ohne besonders viel Eindruck zu hinterlassen, auch den Bonzen (Evgeny Solodovnikov) hatte ich schon beeindruckender in Erinnerung. Die weiteren kleineren Rollen wurden entweder von Mitgliedern des Staatsopernchors (es ist müßig zu erwähnen dass dieser naturgemäß perfekt von Martin Schebesta vorbereitet war).

Die undankbare Partie der Kate Pinkerton wurde von Alma Neuhaus, einem Mitglied des Opernstudios, rollendeckend gesungen. Wie sich die junge Amerikanerin weiterentwickelt wird man dann nächsten Februar feststellen können, wenn sie im zweiten Durchlauf von „Il Trittico“ auf der Bühne steht.

Für Szilvia Vörös ist die Rolle der Suzuki kein Neuland, da sie diese schon an der Oper in Budapest einstudiert und gesungen hatte, bevor sie 2018 in Wien engagiert wurde und seitdem zu den absoluten Stützen des Ensembles zählt (erinnern wir uns an ihre großartigen Auftritte in „Les Troyens“). Vörös gelang eine glaubwürdige Darstellung der Dienerin auf sehr gutem Niveau.

Schlussendlich noch ein paar Bemerkungen zu Sonya Yoncheva – die zweifache Mutter ist zur Zeit in einer tollen Form und ihr gelang mit „Un bel di vendremo“ ein beeindruckender Höhepunkt des Abends. Man soll ja nicht vergleichen, aber für mich war sie glaubhafter als die Sängerin der Premierenserie (obwohl diese auch sehr gut war!). Und weiter mit den Vergleichen – stimmlich war sie für mich eine Mischung aus Freni und Callas, quasi „The best of two worlds“. Es ist schade, dass sie in der nächsten Saison in Wien nicht auftritt.

Das Haus war voll, auch die Stehplätze – und es ging niemand zur Pause. Und ich möchte auch von einem persönlichen Erlebnis berichten. Ich nahm eine junge Frau mit, die noch nie in ihrem Leben in der Oper war und die „von Placido Domingo schon einmal gehört hat, aber nichts genaues weiß“. Lange Rede kurzer Sinn – sie berichtete mir, dass sie Gänsehaut hatte und (wie alle in meiner Umgebung) zum Schluss sehr wässrige Augen hatte. Sie war von der Produktion hingerissen, sagte mir dass sie mit so was nicht gerechnet hatte (z.B. dass Opernbesucher beim Schlussapplaus so aus sich herausgehen würden), die Musik toll war und wir das unbedingt wiederholen müssen (Karten fürs Elisir sind schon gekauft). Es geht doch – man kann eine 26jährige für Oper begeistern – wenn, ja wenn die Inszenierung stimmt. Wohin gehen junge Leute ins Theater? Richtig – ins Musical. Wie sind dort die Inszenierungen? Im besten Sinne „klassisch“. DAS wollen sie sehen, und keine Cerebralonanien von Regisseuren, die sich mit ihren Inszenierungen gut bezahlt selbst therapieren..

 

Kurt Vlach

 

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