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WIEN / Staatsoper: MACBETH von Giuseppe Verdi

Es gibt wieder einen Verdi-Dirigenten!

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Anna Pirozzi (Lady Macbeth) und Luca Salsi (Macbeth). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: MACBETH von Giuseppe Verdi

7. Aufführung in dieser Inszenierung

19.  Jänner 2022

In den letzten Jahren gab es einige Macbeth-Inszenierungen an der Wiener Staatsoper. Wirklich erfolgreich war keine davon. Bei der jetzigen Aufführung handelt es sich um eine sehr irreale Inszenierung. Man weiß eigentlich nie sicher, was der Regisseur Barrie Kosky in den einzelnen Abschnitten des Werkes wirklich zeigen wollte. Es obliegt also vieles der Phantasie und Vorstellungskraft des einzelnen Opernbesuchers. Einerseits scheint es, als spiele sich die Tragödie in den Köpfen des todbringenden Paares ab, andererseits gibt es dann wieder sehr reale Szenen.

Den ganzen Abend sieht man einen schwarzen nach hinten sich verengenden Raum, an den Seiten wie eine Flugzeuglandebahn beleuchtet, weiters zwei Stühle mit Raben dekoriert. Das Bühnenbild und das Lichtdesign stammen von Klaus Grünberg. Kosky baut den ganzen Abend vorrangig auf die Hauptfigur auf, Lady Macbeth steht hier erst an zweiter Stelle. Zwar wird Macbeth zu Beginn noch im Schlepptau der Lady gezeigt, gewinnt dann aber Eigendynamik, um seinem kriminellen und hier sehr pathologisch verlaufenden Weg zu folgen. Es gibt sehr viel Nacktheit und auch undefinierbare Wesen, offensichtlich aus der Hexenwelt, der Macbeth sich hier im Traum oder auch in der Wirklichkeit ganz verschrieben hat.

Macbeth ist wieder Luca Salsi, heute einer der meistbeschäftigten ialienischen Baritone und auch sicher derjenige Sänger, der diese Partie in der letzten Zeit in den wichtigsten Produktionen gesungen hat. Er ist ganz sicher enorm an der Rolle gewachsen, hat sich auch stimmlich sehr gesteigert, kann aber trotzdem nicht ganz an die großen Vorbilder des Wiener Opernhauses heranreichen. Salsis Stimme ist voluminöser geworden, schafft alle dramatischen Ausbrüche, Phrasierung und Legato sind dazugekommen, aber die Stimme will kein Piano hergeben. Seine große Arie könnte verinnerlichter gestaltet werden. Dies aber sind kleine Einwände angesichts einer beachtlichen Leistung, sängerisch und auch in der Darstellung.

Anna Pirozzi, die in der Premierenserie nach Anna Netrebko schon die Rolle der Lady gesungen hat, ist dem Wiener Publikum bereits bekannt. Sie ist heute eine der wenigen Sängerinnen, die diese Rolle auch ohne große Schwierigkeiten bewältigt. Ein hochdramatischer italienischer Sopran ist gefragt, und Frau Pirozzi besitzt ihn. Allerdings lebt ihr Gesang hauptsächlich von Forteausbrüchen, und diese gelingen beeindruckend sicher. Das erste große Finale krönt sie mit ihrer strahlenden Höhe. Sie kann sich im Laufe des Abends noch steigern. Leider gelingt dann die große Schlafwandelszene nicht wie gewünscht und schwächelt an Pianokultur und feineren Nuancen, wie sie von Anna Netrebko geboten werden. Darstellerisch steht Anna Pirozzi an diesem Abend ganz im Schatten ihres Baritonkollegen.

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Roberto Tagliavini als Banco.

Als Banco zeigt Roberto Tagliavini seine bekannt gute Leistung und absolviert  seine Bassarie mit großem Ausdruck. Als Macduff singt sich Freddie De Tommaso, dank seiner bekannt schönen Stimme und noblen Phrasierung, einmal mehr in die Herzen des Publikums. Malcolm, die Kammerfrau und der Arzt werden von Hiroshi Amako, Aurora Marthens und Ilja Kazakov rollendeckend dargestellt.

Giampaolo Bisanti hat Macbeth schon mehrmals an der Wiener Oper geleitet. Er ist vermutlich heute der ideale Interpret der Opern Verdis. Er dirigiert mit nie erlahmender Energie und vermag die Finali unglaublich zu steigern. Bisanti weiß ganz genau, wie Sänger zu begleiten sind, und schafft ihnen den dafür nötigen Klangteppich. Die große Chorszene macht er zu einem der Höhepunkte. Zudem ist der Chor bestens disponiert.

Das Orchestervorspiel zur großen Schlafwandelszene hat man selten so detailreich und ausdrucksstark gehört. Die Sänger, der Dirigent, Chor und Orchester werden vom Publikum, welches allerdings nicht sehr zahlreich erschienen war, gebührend gefeiert..

20.1.2022                                                                                                                                #

Karlheinz Schöberl

 

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