Carlos Osuna, Freddy de Tommaso, Aurora Marthens. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
MACBETH – Premiere Wr. Staatsoper-10.6.2021
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Auch die letzte Premiere dieser Saison brachte uns eine Inszenierung, die unser Direktor in der Regietheaterboutique eingekauft hat. Sie hatte 2016 in Zürich Premiere und ist damit gerade einmal ein Jahr jünger als die letzte Wiener Inszenierung. Sie war zwar weniger problematisch als die letzen drei dieser Art (Carmen, La Traviata und Faust) aber die Notwendigkeit hat sich auch hier nicht erschlossen.
Nun wie legt Barrie Kosky den Macbeth an. Das hat sich mir bis zum Ende der Aufführung eigentlich nicht erschlossen. Ist es Macbeth‘ Traum – der idente Beginn des ersten und zweiten Teiles läßt darauf schließen – , spielt sich das ganze nur in den Köpfen Macbeth‘ und der Lady ab oder will er ausschließlich zwei durch das Schicksal aneinander gekettete Menschen in einem irrealen Raum zeigen. Der ganze Abend spielt in einem schwarzen, sich nach hinten verjüngendem Raum (Bühne u. Licht: Klaus Grünberg), an dessen Seitenrändern Lampen angebracht sind. Sämtliche Kostüme (Klaus Bruns) sind schwarz, nur die „Hexen“ sind nackt Dies wird nur am Ende bei der Nachtwandelszene – die Lady trägt ein weisses Nachthemd – und in der Todesszene des Macbeth – er trägt hier ein blutiges weisses Hemd – durchbrochen. Das Ganze funktioniert in jenen Szenen, wo das Paar auf der Bühne ist, bei der Ermordung Banquos und vor allen Dingen in der Flüchtlingsszene stößt dieses Konzept an seine Grenzen – speziell letztere hängt irgendwie in der Luft. Hauptschauplatz ist eine von oben ausgeleuchtete kleine Fläche, auf der zwei Sessel stehen. Dort spielt sich praktisch nahezu das ganze Stück ab. Das wirkt am Anfang gar nicht so schlecht, nützt sich aber relativ schnell ab und wird einfach fad. Das einzig Positive ist, dass es keine Video-Zuspielungen gibt. Real auf der Bühne ist praktisch mit wenigen Ausnahmen das Protgonistenpaar, alles andere – insbesonders der Chor – kommt größtenteils aus dem Off. Selbst die Bankettszene ist so gestaltet. Wie schon weiter oben erwähnt, lässt einem das Ganze eher ratlos zurück.
Leider war auch die musikalische Seite nicht wirklich gelungen. Das lag in erster Linie am Orchester unter Philippe Jordan. Er ist für mich die vielleicht bisher grösste Enttäuschung dieser Direktion. Ich war sehr erfreut als ich von seinem Engagement als Musikdirektor erfuhr, aber er hat die von mir in ihn gesetzten Erwartungen bislang nicht erfüllt und dieser „Macbeth“ hat mir am wenigsten gefallen. Das Orchester klang hart und wenig flexibel, es atmete nicht mit den Sängern mit. Es war über die meiste Zeit oft zu laut und vermittelte kaum etwas von der Stimmung auf der Bühne (z.B. Nachtwandelszene) und die Steigerungen, z.B. das Finale des 2. Bildes, blieben auf der Strecke.
Der von Thomas Lang einstudierte nur wenig sichtbare Chor sang auf gewohnten Niveau.
Anna Netrebko. Foto: Wiener Staatsopper/ Michael Pöhn
Kommen wir nun zu den Sängern. Ich hätte so gerne geschrieben, dass es der Abend der Anna Netrebko war, zumal ich schon mehrere Aufnahmen mit ihr als Lady gehört und gesehen habe und davon begeistert war. Irgend etwas hat an diesem Abend nicht gestimmt. Die erste Arie klang nervös. In der Pause meinten einige, sie hätte sich nicht richtig eingesungen, was ich mir, ehrlich gesagt, nicht wirklich vorstellen kann. Sie steigerte sich zwar im Laufe des Abends – der Umstand, dass ihr für das Trinklied die Leichtigkeit fehlt, ist bekannt – und konnte erst mit der Nachtwandelszene wirklich annähernd so gefallen, wie man es erwartet hat. Luca Salsi gehört sicher zu den besten Baritonen, die es heute gibt, aber als Macbeth hat er mich nicht überzeugt. In den dramatischen Stellen kann er durchaus überzeugen, aber dort wo Kantilene und langer Atem verlangt wird – insbesonders in der großen Arie – blieben sehr viele Wünsche offen. Roberto Tagliavini hatte als Banquo in der ersten Szene einige Probleme, sang aber dann seine Arie doch recht ordentlich, an große Vorgänger durfte man allerdings nicht denken. Bei Freddie De Tommaso (Macduff) fragte man sich wieder einmal, warum er gar so gehypt wird. Natürlich, er verfügt über eine schöne, aber wenig timbrierte, Mittellage, abe sobald es in die Höhe geht verengt sich die Stimme.
Letztlich war es eine Aufführung, die nie wirklich in Fahrt kam und so fiel dann auch der eher kurze Schlussapplaus aus, bei dem sich das Regieteam nicht auf der Bühne zeigte.
Heinrich Schramm-Schiessl