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WIEN/ Staatsoper: MACBETH

04.10.2015 | Oper

WienerStaatsoper: PREMIERE „MACBETH“ am 4.10.2015

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Tatiana Serjan. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

Die Aufführungsgeschichte dieser Verdi-Oper in der Wr. Staatsoper seit 1955 ist mehr als wechselvoll. Erstmals erschien sie wieder 1970 am Spielplan in einer durchwachsenen Regie von Otto Schenk, wobei Macbeth’s Schloß eher einem Fort in der Prärie glich. Dazu kam ein wenig italienisch inspiriertes Dirigat von Karl Böhm. Von den Sänger  her war man besser dran, war doch Christa Ludwig entgegen manchen Befürchtungen eine sehr gute Lady und erlebte man zudem das umjubelte Wien-Debut von Sherill Milnes. 1982 gab es dann eine Neuinszenierung durch den Engländer Peter Wood, die sehr stimmungsvoll war. Auch musikalisch war man zufrieden, einerseits durch das spannende Dirigat von Giuseppe Sinopoli und die ausgezeichnete, sehr ausgeglichene Besetzung, bei der nur manche – so auch der Autor dieser Zeilen – Probleme mit der Lady der Mara Zampieri hatten. Warum sich der vorige Direktor Holender dann 2009 unbedingt eine Neuinszenierung einbildete, weiß wahrscheinlich nur er selbst. Seine damalige Regie-Favoritin Vera Nemirowa machte sich mit ihrer Inszenierung im Grunde über das Werk lustig. Zahlreiche „Einfälle“ forderten schon während der Vorstellung Proteste des Publikums heraus, z.B. der Tanz der Männer im Schottenrock während des Einzuges des Königs im 2. Bild. Der Tupfen auf dem I war dann die Panne mit dem Kinderwagen, der nicht stillstehen wollte und von Simon Keenlyside mit einem Tritt in die Kulisse befördert werden mußte. Dazu kam eine völlig überforderte Erika Sunneghard in der Rolle der Lady. Holender selbst dürfte danach von der Produktion nicht mehr überzeugt gewesen sein und setzte sie nach der Premieren-Serie wieder ab.

Da „Macbeth“ in der Zwischenzeit eigentlich so etwas wie ein Repertoire-Werk geworden ist, setzte die nunmehrige Direktion wieder eine Neuinszenierung auf das Programm und konnte damit durchaus einen Publikumserfolg landen. Die Inszenierung lag diesmal in den Händen von Christian Räth und dieser nahm das Werk im Gegensatz zu Frau Nemirova ernst und erzählte die Geschichte. Man könnte mit dieser Inszenierung durchaus leben, wenn auch nicht er dem Wahn des zeitaktuellen Theaters verfallen wäre und das Werk ins Heute in eine nicht näher definierte Diktatur verlegt hätte, was schon derart abgedroschen ist, dass es einfach nicht mehr originell sein kann. Dabei ist das völlig unsinnig, denn es gibt nicht nur heute Diktatoren, sondern es hat sie – in der Vergangenheit viel öfter –  immer schon gegeben und es wird sie leider immer wieder geben, solange es Menschen gibt, die Sehnsucht nach dem sogenannten „starken Mann“ haben, der auf schwierige Probleme einfache Antworten zu haben glaubt. Ein Argument dafür, dass diese zeitliche Verlegung ein Unsinn ist, hat mir Herr Räth in seinem Interview mit dem „Standard“ selbst geliefert. Er sagt dort, er und sein Ausstatter hätten er kannt, dass das Werk so stark sei, dass man es nicht in historischen Kostümen spielen kann. Für mich ergibt das den Umkehrschluss, dass, da das Werk so stark ist, man es ruhig in historischen Kostümen spielen kann. Davon abgesehen, war es eine Inszenierung ohne unnötige Schnörksel und fast ohne gröbere Unsinnigkeiten. Dass er die zweite Hexenszene quasi als Macbeth’ Traum sah, kann man akzeptieren. Mit Ausnahme eines Aktenkoffers, den zunächst Banquo und dann Malcolms’ Adjutant zu tragen  hatte und der heute so beliebten Verdoppelung von Figuren (Lady in der Nachtwandelszene) verzichtete er auch auf Attribute des zeitaktuellen Theaters. Ansonsten war die Führung der Personen und des Chores durchaus konventionell. Gespielt wurde übrigens diesmal wieder die Fassung mit dem Huldigungschor an den neuen König am Ende. Die Bühnenbilder Gary McCann’s waren praktikabel – und wären es nicht glatte Betonwände sondern Mauern aus Steinen oder Ziegeln gewesen, wäre dies sicher optisch ansehnlicher. McCann war auch für die Kostüme verantwortlich, die natürlich heutig und daher weitestgehend fad waren.

Musikalisch konnte man mit der Aufführung nur bedingt zufrieden sein, wobei in Pausengesprächen durchaus zu hören war, dass in einem Haus wie der Staatsoper eigentlich nur eine Besetzung mit Anna Netrebko und Zjelko Lucic in Frage kommen sollte. Aber da der Direktor andere Künstler engagiert hatte, müssen wir uns mit diesen auseinandersetzen. Die zentrale Rolle jeder „Macbeth“-Aufführung ist die Lady und diese wurde von Tatjana Serjan verkörpert. Ihre Leistung kann man als durchwachsen betrachten. Solange sie vorwiegend in der Mittellage singen kann, war sie durchaus gut, aber in den höheren Regionen wird die Stimme dünn und klingt nicht mehr. So gesehen waren die „Luce langue“ und die Nachtwandelszene ihre besten Momente. Darstellerisch war sie präsent. George Petean, der die Titelrolle vom ursprünglich vorgesehenen und erkrankten Ludovic Tezier übernommen hat, verfügt an sich über eine schöne, gut geführte Stimme, die allerdings nicht wirklich ein spezifisches Timbre hat. Leider blieb er gestalterisch etwas blass, insbesonders in der Mordszene des zweiten Bildes. Zudem gelangte er stimmlich in der zweiten Hexenszene durchaus an seine Grenzen. Dafür sang er die Arie sehr schön und beendete sie mit einem ausgezeichneten Pianoton. Bei Ferruccio Furlanetto (Banquo) merkte man zwar, dass die Jahre nicht spurlos an ihm vorüber gegangen sind, aber er demonstrierte wieder einmal, was Verdi-Gesang ist, wobei ihm seine Arie ausgezeichnet gelang. Jorge de Leon (Macduff) sang seine Arie sehr ordentlich und ist ein typischer Tenor „für alle Fälle“. Da aber die Tenöre der ersten Garnitur diese Rolle nur ganz selten singen, muss man sich damit zufrieden geben. Donna Ellen war als Kammerfrau in Ordnung und Jongmin Park sang unter der Bezeichnung „Spion“ die sonst als Diener/Mörder und Arzt bezeichneten Rollen.

Mit der musikalischen Leitung durch Alain Altinoglu wurde ich ebenfalls nicht ganz glücklich. Er hat das Werk sicher ausgezeichnet einstudiert, aber mir war manches zu kompakt und fehlte mir der bei Verdi auch notwendige federnde Klang ebenso wie die Entrücktheit der tiefgründigen Stellen. Zudem war es manchmal etwas zu laut. Das Orchester selbst spielte natürlich wieder sehr gut. Großartig der von Thomas Lang einstudierte Chor.

Am Ende gab es viel Jubel für alle – auch für das Regieteam, das ohne Mißfallensäußerungen davon kam.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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