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WIEN/ Staatsoper: LUCIA DI LAMMERMOOR. Premiere

„Immer muss was Neues her, auch wenn das Alte noch so sehr zu brauchen wär“

09.02.2019 | Oper


George Petean, Olga Peretyatko, Juan Diego Florez. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

LUCIA DI LAMMERMOOR – Premiere Staatsoper 9.2.2019
(Heinrich Schramm-Schiessl)

„Immer muss was Neues her, auch wenn das Alte noch so sehr zu brauchen wär“ lautet der Refrain eines Wienerliedes. An diesen mußte ich öfters während dieser Premiere denken, denn diese Neuproduktion ist völlig unnötig. Sicher, die Barlog-Inszenierung ist mittlerweile fast 41 Jahre alt, aber sie hat immer noch funktioniert und hätte sicher noch länger ihren Dienst getan. Die „Lucia“ ist nämlich eine „Sängeroper“, d.h. man möchte in den einzelnen Rollen nicht immer nur jene Interpreten sehen und vor allen Dingen hören, die die Premiere gesungen haben, sondern alle jene, die die Partien kompetent interpretieren können und ist dazu ein vernünftiger, möglichst unkomplizierter Rahmen sinnvoll. Daher vermute ich, dass der Hauptgrund für diese Neuproduktion – wie so oft – die Verwendung einer „kritischen Neufassung“ ist. Ich habe zu diesen sogenannten Neufassungen meine ganz persönliche Ansicht, die ich hier aber nicht näher erläutern möchte, um mir juristischen Unbill zu ersparen.

Es kam natürlich wie es kommen musste. Die neue Inszenierung von Laurent Pelly fällt hinter der alten zurück. Im Grunde tut sie niemanden weh, gefällt aber auch nicht. Sie ist einfach uninterresant. Die vielen gescheiten Dinge, die der Regisseur in diversen Interviews gesagt hat, spiegeln sich auf der Bühne nicht wieder. Es gibt weder eine Personenregie noch weiss Herr Pelly mit dem Chor etwas anzufangen. Die Chorregie beschränkt sich darauf, während des Singens entweder vor- und zurück oder im Kreis zu gehen, denn einfach stillstehen ist ja heute ein absolutes No-go. Das Bühnenbild von Chantal Thomas erschöpft sich, neben der merkwürdigen Schneelandschaft der ersten vier Bilder, nahezu zur Gänze in Grau- und Schwarztönen, nur das 6. Bild spielt vor einer blutroten Wand (Vorsicht: Holzhammer) und es liegt außerdem ein roter Läufer am Boden. Warum das 4. Bild, also die Hochzeitsszene, in einem schmalen Gang und nicht im gleichen Saal wie das 6. Bild spielt, bleibt ein Rätsel. Die Kostüme, vom Regisseur entworfen, sind ebenfalls in Schwarz- und Grautönen gehalten, nur Lucia trägt in der Hochzeits- und Wahnsinnsszene ein weisses Kleid.


Juan Diego Florez. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Leider war die Aufführung auch musikalisch eher zwiespältig. Olga Peretyatko, die mir als Gilda durchaus gefallen hat, enttäuscht in der Titelrolle. Es waren weniger die mit Ausnahme im Piano eher schrillen Höhen und die wenig flexiblen Koloraturen die mich gestört haben, sondern die zuwenig breite Mittellage, die den großen lyrischen Momenten ihre Wirkung nahm. Überhaupt hat einem die ganze stimmliche Gestaltung der Partie irgendwie kalt gelassen. Juan Diego Florez schätze ich wirklich sehr und verfolge seine Karriere von Beginn an mit großer Freude, aber als Edgardo konnte er mich nicht begeistern. Das Problem liegt primär darin, dass für diese Rolle schon etwas verdische Kantilene verlangt wird und die hat er nicht. Es ist zwar beeindruckend wie er mit seiner ausgefeilten Technik singt und wie bombensicher die Höhen kommen, aber es fehlt in den lyrischen Szenen der gewisse Schmelz und die „Träne“ im Ausdruck und in den dramatischen Stellen vor allem des 4. Bildes die entsprechende Durchschlagskraft. George Petean singt den Enrico ordentlich und mit sicherer Höhe, bleibt aber ziemlich unscheinbar. Jongmin Park sang den Raimondo mit raumgreifender, allerdings nicht immer schön klingender Stimme. Lukhanyo Moyake sang den Arturo mit eher enger Stimme. Virginie Verrez (Alisa) und Leonardo Novarro (Normanno) ergänzten.

Ein Problem war diesmal auch das Orchester. Evelino Pidò mag ein großartiger Musikwissenschaftler sein und er hat das Werk sicher mit Akribie einstudiert, aber da klingt vieles eher trocken, fast akademisch. Zudem fehlt jede Flexibilität und außerdem atmet das Orchester nicht mit den Sängern mit. Der Chor (Einstudierung Martin Schebesta) sang ordentlich, auch wenn ich mir die Passage nach Raimondos Erzählung im 6. Bild etwas hintergründiger vorgestellt hätte.

Unterschiedlich die Publikumsreaktionen am Ende. Großen ungetrübten Jubel gab es nur für Florez, bei Petean und Park war er etwas gedämpfter. Peretyatko und der Dirigent bekamen zwar Bravos, mußten aber auch Buhs einstecken. Beim Regieteam war die Verteilung von Zustimmung und Ablehnung 50:50.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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