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WIEN/ Staatsoper LUCIA DI LAMMERMOOR – ein formidables Geschwisterpaar

WIEN/ Staatsoper LUCIA DI LAMMERMOOR am 19.11.2025

Ein formidables Geschwisterpaar

Lucia di Lammermoor – Wikipedia
Copyright: Wikipedia

Laurent Pelly hat 2019 Donizettis Dramma tragico in drei Akten für die Wiener Staatsoper inszeniert. Die Enttäuschung war ebenso groß wie die Erwartungen hoch, zählt doch seine Fille du Régiment weltweit zu den Referenzproduktionen. Im Gegensatz zu jenem meisterlichen spielfreudigen und humorvoll-quriligen Ansatz bietet seine Lucia, die per se im Gegensatz dazu von einer düsteren und grausamen Grundstimmung geprägt ist, wenig. Das 1835 uraufgeführte Drama wurde wohl um die Entstehungszeit verortet, eine karge Winterlandschaft beherrscht die Szenerie, gelegentlich, wenn’s emotional düster wird, schneit es, und wahllos werden mal durchsichtige, mal blutrote (nach dem Mord an Arturo) Räume kreiert. Eine Personenregie findet nicht statt, auch der Chor darf sich nur mal in die eine, mal in die andere Richtung halbkreisförmig bewegen. Die Protagonisten sind auf sich allein gestellt – aber immerhin ordentlich und standesgemäß gekleidet, ohne durch Bühnenseen waten und sich in diesen wälzen zu müssen oder durchgehend von einer Handkamera verfolgt zu werden. Diese kargen Vorgaben bieten – je nach schauspielerischem Talent – ein breites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten.

Adela Zaharia, Jahrgang 1987 und rumänische Operalia-Preisträgerin, stellte sich nun nach der Donna Anna dem Wiener Staatsopernpublikum als Lucia vor und reüssierte dabei fast auf der ganzen Linie: Ihre Stimme klingt zweifelsohne nicht weich und einschmeichelnd, eher hart, vielleicht sogar kantig, allerdings gelingen die Koloraturen großteils hervorragend und das Zwiegespräch mit Christa Schönfeldingers Glasharfe stellt den unbestrittenen Höhepunkt des Abends dar. Zaharia, eine imposante Erscheinung, verfügt über ein großes darstellerisches Talent und eine eindrückliche Bühnenpräsenz. Anfänglich die nervös-zweifelnde Geliebte, sodann sich auf Grund der brüderlichen Intrige in ihr Schicksal fügend gestaltet sie die Wahnsinnsarie und die nachfolgende Erschöpfung unentrinnbar und ergeben. Eine beeindruckende Leistung.

Auf ihrem Niveau ihr Bühnenbruder, Mattia Olivieri, als Enrico: Bei ihm handelt es sich tatsächlich um die rare Spezies eines Künstlers, dessen darstellerische Fähigkeiten seinen gesanglichen ebenbürtig sind. Grausamkeit, Machtbewusstsein, Zorn, Enttäuschung Wut – alles Facetten, die in seiner packenden Rolleninterpretation ihren Ausdruck finden. Olivieri, mit Accademia Rossiniana- und Scala-Background bestens gerüstet, lässt mit starken, ausdrucksvollen Tönen und einer beeindruckenden Höhe aufhorchen. Schon sein „Cruda funesta smania“ verdeutlicht dem Zuhörer, dass es besser wäre, ihn nicht zum Feind zu haben, welcher Eindruck sich in weiterer Folge im Duett mit Lucia und dem eindrucksvoll gestalteten sogenannten „Turmbild“ erhärtet. Auch seine Stimme hat keine Honigtöne, aber viel Stärke und Dynamik. In deren Klangfarben hört man bereits Simon Boccanegra, Luna – diese Rolle hat er kürzlich in Erl interpretiert – und Renato. Einer also, der das Zeug hat, ein ganz großer italienischer Bariton zu werden!

Neben diesen beiden „Alphatieren“ nimmt sich Bekhzod Davronov als Edgardo eher bieder aus: Usbeke und wie seine Bühnenpartnerin Operalia-Preisträger, weiß eine grundsätzlich angenehme, wenn auch nicht sehr große lyrische Tenorstimme sein eigen. In den Duetten und Ensembles forcierend darum bemüht, mit seinen Bühnenpartnern mitzuhalten, kann er die Schönheit seiner Stimme erst bei seiner finalen Arie „Tombe degli avi miei“ entfalten, um allerdings in weiterer Folge bei der Sterbeszene zwei Mal in Höhenprobleme zu geraten. Was seine darstellerischen Fähigkeiten anbelangt, bleibt zu hoffen, dass ihm in Zukunft wohlmeinende Regisseure einen guten Weg weisen werden.

Adam Palka blieb als Raimondo unauffällig, Isabel Signoret und Hiroshi Amako rollendeckend als Alisa und Arturo.

Roberto Abbado leitete den blendend disponierten Chor und das temperamentvoll aufspielende Orchester tadellos und unaufgeregt. Die dramatischen Aspekte der Partitur scheinen ihm mehr zu liegen als die lyrischen.

Alles in allem: Zwei großartige, junge Sängerdarsteller verdeutlichen in beeindruckender Weise düstere Menschenschicksale.

Sabine Längle

 

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