Wiener Staatsoper, 24.04.2022
Gaetano Donizetti: LUCIA DI LAMMERMOOR
Trist, grau und kalt ist es im schottischen Lammermoor, zumindest in der Laurent-Pelly-Inszenierung von Donizetti’s Opernhit. Alles was auf der Bühne zu sehen ist, ist entweder grau oder schwarz. Abgesehen vom Schnee und Lucia’s Brautkleid.
Ja, sogar die Hochzeitsszene sieht aus als wäre man auf einer sizilianischen Trauerfeier.
Es ist momentan wohl „en vogue“ die Oper, die auf Walter Scott‘s Die Braut von Lammermoor basiert, ins 19. Jahrhundert zu verlegen. Aber leider ist die Wiener Produktion nichtssagend und einfallslos. Eindeutig spannender hat das das Teatro Real in Madrid mit der David-Alden-Inszenierung gemacht, in welcher Lisette Oropesa vor vier Jahren übrigens ihren ganz großen Durchbruch hatte.
Nun müssen wir uns in Wien – bis auf weiteres – mit dieser langweiligen, spannungsbefreiten Inszenierung abfinden. Aber der Direktion ist zu danken, dass sie mit der aktuellen Aufführungsserie immerhin eine erstklassige Besetzung aufbietet. Vielleicht die bestmögliche überhaupt.
Lisette Oropesa. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Link
Man musste bis 2020 warten, bis die US-Amerikanerin Lisette Oropesa – mit Mozart’s Die Entführung aus dem Serail – endlich auch an die Wiener Staatsoper kam, nachdem sie zuvor bereits in New York, London, Madrid oder an der Mailänder Scala Triumphe feiern konnte.
Oropesa gilt als die derzeit führende Interpretin der berühmten Donizetti-Partie. Und es wird einem schnell bewusst, warum das so ist. Die Koloraturen der Partie gelingen ihr vorzüglich, die Stimme ist enorm flexibel, schlank im Ton, und baut auf einem guten technischen Fundament auf. Zudem ist ihr Sopran enorm tragfähig und füllt die Wiener Oper mühelos.
Es ist schon fast erstaunlich wie leicht und sicher sie sich durch die Partie singt. Dabei macht es ihr die statische Inszenierung wahrlich nicht leicht. Doch sie schafft es dennoch von der verliebten jungen Frau über die enttäuschte Geliebte bis hin zur verwirrten Seele das ganze Spektrum ihrer Partie deutlich herauszustellen. Ihre hervorragend gesungene und gestaltete Wahnsinnsszene ist natürlich der umjubelte Höhepunkt.
Benjamin Bernheim. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Sein Rollendebüt als Edgardo feiert dieser Tage der neue französische Tenorstar Benjamin Bernheim. Und das ist kaum zu glauben, wenn man bedenkt wie sicher er bereits in der Rolle ist. Man könnte meinen, dass er die Partie schon lange im Repertoire hat.
Bernheim ist nicht gerade als Belcanto-Tenor bekannt und sieht sich selbst gar nicht so sehr in diesem Fach, wie er einmal erzählte. So finden sich dann auch nur der Tebaldo in Bellini’s I Capuleti e i Montecchi und der Nemorino in Donizetti’s Der Liebestrank (den er übrigens auch erstmals in seiner Karriere in Wien gesungen hat) in seinem Repertoire.
Der Zeitpunkt für den Edgardo könnte nicht besser gewählt sein, denn Bernheim’s Stimme besitzt zum einen den Glanz und die Geschmeidigkeit, die diese Belcanto-Partie braucht, verfügt aber auch schon über etwas Metall, das den dramatischen Ausbrüchen gut steht. Somit steht Bernheim die Rolle sicher besser als seinerzeit Florez in der Premierenserie.
Bernheim glänzt mit einer strahlenden, in allen Registern leuchtenden, elegant erklingenden Tenorstimme. Seine Spitzentöne kommen exakt, er phrasiert vorzüglich. Und seine Stimme harmoniert hervorragend mit der von Oropesa.
Die Turmszene – die in der alten Inszenierung so oft gestrichen wurde – ist erfreulicherweise Bestandteil der Aufführung. In dieser beeindruckt nicht nur Bernheim sondern auch George Petean in der Rolle von Lucia’s Bruder, Enrico. Petean, der schon bei der Premiere dieser Produktion mit dabei war, besitzt einen kraftvollen, wenn auch manchmal etwas monochron erklingenden Bariton, der allerdings das herrische Familienoberhaupt deutlich macht.
Sehr erfreulich ist, dass auch die kleineren Rollen vorzüglich besetzt sind. Allen voran ist hier Roberto Tagliavini als Raimondo zu nennen, der mit seiner warmen und klangvollen Bassstimme einen glaubhaft besorgten Vertrauten der Lucia hören lässt. Josh Lovell verfügt als Arturo über eine klangschöne leichte Tenorstimme – vielleicht einen Tick zu leicht für die Rolle. Aufhorchen lässt auch Hiroshi Amako aus dem Opernstudio in der Rolle des Normanno. Patricia Nolz komplettiert das Ensemble als Alisa.
Dirigent Evelino Pidò ist ein Spezialist für den Belcanto. Somit ist auch die Wiedergabe der Partitur bei ihm in besten Händen. Neben dem wunderbar spielenden Orchester der Wiener Staatsoper glänzt auch der Chor des Opernhauses.
Das Publikum ist begeistert. Es gibt immer wieder Szenen- und Arienapplaus und am Ende einen fast fünfzehnminütigen Schlussvorhang. Großer Jubel besonders für Oropesa und Bernheim, aber auch die anderen Sänger werden akklamiert.
Einer der besten Opernabende seit Langem! Oropesa und Bernheim wiederholen ihre Partien gemeinsam demnächst in Zürich und im Sommer konzertant in Salzburg. Und hoffentlich hört man diese beiden exzellenten Sänger auch bald wieder in Wien.
Lukas Link