WIEN/Staatsoper: LOHENGRIN am 23. April 2023
Ernennung von KS Nina Stemme zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper
Ehrung für Nina Stemme (Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper). Zu sehen auch das Plakat der Vorstellung des „Fliegenden Holländer, mit der „Senta“ trat Nina Stemme im Jahr 2003 ihren Dienst an der Wiener Staatsoper an. Foto: Klaus Billand
Das war ein Abend dreier ganz großer Stimmen, und eine von ihnen bekam nun die Auszeichnung, die sie wahrlich nach 20 Jahren Gesang am Ring verdient hat: KS Nina Stemme wurde vom Direktor der Wiener Staatsoper und einem Vertreter der Regierung in Anwesenheit aller Mitwirkenden auf der Bühne, des Orchesters der Wiener Staatsoper und des gesamten Publikums im ausverkauften Haus zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt. Die Auszeichnung wurde bisher nur wenigen zuteil. Vom Juwelier Wagner bekam sie auch den entsprechenden goldenen Ring angesteckt.
Der Staatsoperndirektor hob in seiner Laudatio hervor, dass Nina Stemme in den 20 Jahren an weit über 100 Abenden in 16 verschiedenen Rollen aufgetreten ist. Ihr Debut war die Senta im „Fliegenden Holländer“ unter der musikalischen Leitung von Seiji Ozawa im Jahre 2003. Aus diesem Grunde bekam sie das gerahmte Abendprogramm jener Aufführung als Erinnerungsgeschenk überreicht. Nina Stemme hob in ihrer Dankesrede hervor, wieviel sie in all den Jahren an der Staatsoper gelernt und dass sie hier ein zu Hause gefunden habe. Sie richtete ihren Dank an alle Kollegen und Kolleginnen auf und unter der Bühne sowie an das Staatsopernorchester und das „großartige Wiener Publikum“, welches auch sehr langen und herzlichen Applaus spendete. Ein Teil ihrer Rede ging auf Schwedisch an ihre gesamte Familie, bei der sie sich wahrscheinlich unter anderem für die langen Zeiträume bedankte, die sie immer wieder abwesend war.
Zuvor hatte Nina Stemme eine Ortrud der Extraklasse gesungen und auch gespielt. Seit Waltraud Meier kann ich mich nicht an eine solch intensive Rolleninterpretation erinnern. Wie Pfeile schoss sie ihre Spitzentöne los, die nie den Eindruck einer Überanstrengung machten. Alles blieb bei guter Diktion immer wunderbar in der hochdramatischen Gesangslinie. Es gibt wohl derzeit keine Sängerin, die „Entweihte Götter…“ im 2. Akt und „Fahr heim…“ am Schluss mit größerer Verve und solch vokaler und mimischer Intensität singen können. Eine Weltklasseleistung!
Eine solche war auch von Piotr Beczala und Camilla Nylund zu hören. Er hatte einen phantastischen Abend mit einem tenoralen Schmelz, der viel italienisches Flair in seinen Gesang bringt. Gleichwohl konnte er auch mit guter Attacke und einem in tieferen Lagen leicht abgedunkelt und klangvoll ansprechenden Timbre glänzen. Die Gralserzählung wurde schlicht zum Gustostückchen. Wie er die „Taube“ hauchte, war etwas ganz Besonderes! Hinzu kam auch eine mit der vokalen Qualität stets in Einklang stehende darstellerische Leistung.
Camilla Nylund arbeitet sich nach ihrer Isolde und den Zürcher Brünnhilden nun immer mehr äußerst kompetent in das Wagnerfach ein. Es ist ein Genuss, ihre stets gesangsbetonte Stimmführung bei guter Diktion auch bei der Elsa zu erleben, wo in jedem Takt viel Emotion und innerliche Bewegung mitschwingt. Auch sie kann aber, wie sie im 3. Akt bewies, eine starke Attacke fahren – kurzum, eine Elsa aus dem Bilderbuch!
Nina Stemme und Tomasz Konieczny. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Tomasz Konieczny gab wie immer einen kämpferischen und äußerst agilen Telramund mit bestechenden Höhen seines Heldenbaritons. Jedoch war aber auch an diesem Abend wieder die leicht gaumig-nasale Tongebung zu vernehmen, die die gesangliche Leistung doch etwas schmälerte. Clemens Unterreiner sang einen prägnanten und sehr präsenten Heerrufer. Tareq Nazmi blieb als König vor allem darstellerisch zu unbeteiligt und somit uncharismatisch und hatte auch Höhenprobleme. Der Chor und Extrachor der Wiener Staatsoper war sängerisch großartig und konnte die vielen Steigerungen, zumal im 1. Akt beim Erscheinen Lohengrins, eindrucksvoll umsetzen. Omer Meir Wellber dirigierte das Wiener Staatsopernorchester mit viel Verve, manchmal vielleicht etwas zu ungestüm und damit auch zu laut. Man vermisste etwas die für die „Lohengrin“-Musik spezifische A-Dur Aura, was aber letztlich zu dieser rustikalen Inszenierung von Andres Homoki aus Zürich, die 2014 ihre Premiere erlebte, passte.
Die gesamte „Lohengrin“-Thematik, die ohnehin immer schwer zu inszenieren ist, weil Realität auf Märchen stößt, wird von Homoki auf eine Art bayerische Schankwirtschaft heruntergezoomt. Man sieht in ein Einheitsbühnenbild über alle drei Akte von dem auch für die bajuwarischen Kostüme zuständigen Wolfgang Gussmann, das an Einfallslosigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Es ist eine – für die Sänger allerdings akustisch ideale – holzgetäfelte Schuh-Box mit vielen Tischen und Stühlen, die immer wieder in Unordnung geraten, folglich unter störender Lärmentwicklung gleich neu gruppiert werden müssen und auf die man auf- und absteigt, so oft wie möglich. Vielmehr ist es nicht, und der Chor muss sich stets hinten herumquetschen. Aber eine immer noch gute Personenregie und hochklassige Sänger retten das Stück in dieser Optik, wie auch wieder an diesem Abend. Bald soll es ja eine Neuinszenierung geben. Wenn es die von den Osterfestspielen Salzburg 2022 werden sollte, wage ich schon jetzt zu sagen, dass Wien seit dem Herz-„Lohengrin“ mit dieser romantischen Oper Wagners auf Kriegsfuß zu stehen scheint…
Klaus Billand