WIEN / Staatsoper: LOHENGRIN am 15.09.2016
In dieser Vorstellung konnte man deutlich erkennen, dass der Zauber und die wunderbare Musik dieser romantischen Oper auch von einer unpassenden, an Verhöhnung grenzenden Inszenierung nicht ernsthaft beschädigt werden kann. Voraussetzung dazu ist allerdings eine hervorragende musikalische Umsetzung, die wir zum Glück in dieser dritten Vorstellung der Serie uneingeschränkt erleben konnten.
Das Staatsopernorchester mit vielen jungen Gesichtern wurde vom sensiblen Kapellmeister Yannick Nézet-Séguin zu einer gefühlvollen, aber auch temperamentvollen Interpretation geführt. Technisch perfekt und einfühlsam klangen die Soli der einzelnen Instrumentengruppen und vermittelten – trotz kontraproduktivem Bühnenbild – die romantische Stimmung, die wir aus längst vergangenen Inszenierungen noch kennen.
Gerne denken wir an einen Lohengrin in silberner Rüstung, der plötzlich strahlend im hellen Licht erscheint, an eine Burg, an ein Münster und an ein Brautgemach mit Bett – ist lange her und heute nicht mehr intellektuell genug. Der Staatsopernchor beeindruckte durch billanten Klang, der in dem Bühenbild, das wie ein Schalltrichter wirkt, sicher nicht leicht zu dosieren war.
Die Gesangssolisten bildeten ein aussergewöhnliches Team ohne echten Schwachpunkt:
Klaus Florian Vogt ist optisch als Lohengrin nicht zu überbieten und erzielt mit seinem hell timbrierten Tenor eine übersinnliche Wirkung. Präzise und mit Leichtigkeit gelingen sowohl die zartesten Piani als auch die dramatischeren Stellen z.B. in der Gralserzählung – eine sehr eindrucksvolle Variante des Schwanenritters, der verletzbare, menschliche Gefühle zulässt und dem auch Eitelkeit nicht fremd ist. Die größer gewordene Stimme hat dem Gesamteindruck gut getan – ob sie für den Tannhäuser schon reif ist, werden wir in Kürze erfahren.
Bei Ricarda Merbeth hat die Stimmentwicklung nicht nur positive Auswirkungen. Die lyrischen Stellen haben etwas an Innigkeit eingebüßt – dadurch hat sie sich vom unschuldigen Mädchen zur selbstbewussten Frau, die sich sowohl gegenüber ihrer Widersacherin als auch bei Lohengrin „auf die Hinterbeine“ stellt, gewandelt. Ihre Stimme klingt schön und sicher; ein deutliches Vibrato wird mancher bereits als störend empfinden.
Die Friesenprinzessin Ortrud wird in der Interpretation von Petra Lang zur Hauptrolle. Der Dialog mit Friedrich wurde zur hohntriefenden Abrechnung mit dem Gatten, dessen körperliche Fähigkeiten die intellektuellen bei Weitem übertreffen – er merkt nicht, dass er sofort wieder als Werkzeug ihrer Machtbesessenheit instrumentalisiert wird. Ihn charakterisiert der Ausspruch des König: „Weil unsre Weisheit Einfalt ist“ ganz zutreffend. Die Anrufung der Götter in höchster stimmlicher und darstellerischer Exaltiertheit bewirkte ein schauriges Empfinden – ihr Triumpf im Finale überraschte uns in noch nie so erlebter Intensität.
Der Friedrich von Telramund könnte für Tomasz Konieczny eine Traumrolle wie Alberich, Jochanaan, Kurwenal oder Don Pizarro werden. Auch hier stört sein gaumiges Timbre nur wenig und er kann die Vorzüge seiner mächtigen Stimme und seine darstellerischen Fähigkeiten voll zur Geltung bringen.
Günther Groissböck sang einen exzellenten König Heinrich – sein klar timbrierer Bass klingt in jeder Situation edel und unangestrengt – schade, dass er in dieser Inszenierung kein König sein darf – er ist aber der würdigste Oberförster von ganz Bayern.
Mit Boaz Daniel erlebten wir endlich wieder einen Heerrufer, der dieser Rolle gewachsen ist und somit den Gesamteindruck der Solistenriege auf höchstem Niveau hielt.
So macht Oper – und natürlich besonders Richard Wagner – uneingeschränkte Freude!
Maria und Johann Jahnas