Andreas Schager. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
WIEN / Staatsoper: LOHENGRIN – 2. Aufführung der Serie und 19. Aufführung in dieser Inszenierung
28.10. 2018 – Karl Masek
Über diese inszenatorische Hervorbringung des Andreas Homoki ist seit der Premiere 2015 schon so viel Ablehnendes geschrieben worden, dass mir dazu beim besten Willen nichts mehr einfällt.
Also wieder einmal „Ohren auf“ und zum Musikalischen. Andreas Schager sang an diesem Abend zum zweiten Mal in seiner Karriere den Schwanenritter, der ihm im Wagner-Repertoire noch fehlte. Nach dem fulminanten Apollo in Richard Strauss‘ „Daphne“ und dem „Freischütz“- Max die erste Wagnerrolle im Haus am Ring. Leicht hat man es ihm (wie allen anderen, die sich diesen Regieunsinn antun müssen) nicht gemacht. Wer kann schon gute Figur machen als Lohengrin, der bei seiner Ankunft hilflos und verkrümmt am Boden liegen muss, selbst dann noch, als er Elsa fragt: „So sprich denn, Elsa von Brabant: Wenn ich zum Streiter dir ernannt, willst du wohl ohne Bang und Graun, dich meinem Schutze anvertraun?“ Und das in einem Nachthemd, später dann in bayerischer Tracht mit Hosenträgern und Wadelstutzen? No servus!
Nun hat Schager mittlerweile alle großen Wagner-Helden drauf und singt Tannhäuser, Tristan, Siegfried, Parsifal von Berlin bis Paris „rauf und runter“. Da fragten sich so manche, ob er über den vergleichsweise lyrischen Lohengrin nicht schon hinaus sei. Eindruck nach dieser 2. Vorstellung: Er muss seinen hochdramatischen, strahlenden und kraftstrotzenden Tenor da und dort schon zurücknehmen, um die sensiblen Seiten des Schwanenritters glaubhaft auf die Bretter zu stellen. Das gelingt ihm über weite Strecken sehr gut. Dort, wo in der Vergangenheit etliche Rollenvertreter an Grenzen geraten sind, da fängt es bei Schager erst an. Etliche Schlüsselstellen, wie „Heil, König Heinrich! Segensvoll mög Gott bei deinem Schwerte stehn“ oder „Nie sollst du mich befragen“ habe ich schon lang nicht mehr so bombensicher, so strahlend gesungen gehört. Die Brautgemach-Szene krönte er mit einem wahrhaft glanzvollen „Höchstes Vertraun hast du mir schon zu danken…“ und schloss mit herrlichem …“aus Glanz und Wonne komm ich her.“ Hang zum Schreien konnte ich keinen entdecken, mitunter war er „ein wenig frei bei der Melodei“ und auch beim Text, den er sich mit Vokalverfärbungen zurechtlegte. Soll heißen, da und dort schleichen sich kleine sängerische „Unarten“ ein, wie die Überbetonung heller Vokale und Zwielaute (e oder ei). Aber das sind winzige Details und kritische Anmerkungen auf hohem Niveau, welche die Gesamtwirkung seiner Rolleninterpretation und der tollen sängerischen Leistung nicht schmälern.
Sehr gut gefiel mir die neue Elsa von Brabant, Elza van den Heever. Die Südafrikanerin hat eine gesund klingende, technisch hervorragend gestützte, höhensichere jugendlich-dramatische Sopranstimme. Kein verschüchtertes Jungfräulein mit Hang zur Larmoyanz, sondern Lohengrin und Ortrud selbstbewusst die Stirn bietend. Ideal für Elsa, Tannhäuser-Elisabeth, wenn wir einmal vom Wagner-Fach reden. Im 3. Akt gab es tolles Steigerungspotenzial.
Kwangchul Youn war wieder einmal der kraftvolle, höhensichere und wortdeutliche König Heinrich, das bei ihm sich langsam bemerkbar machende breite Vibrato hielt sich diesmal in Grenzen. Sehr gute Abendverfassung!
Evgeny Nikitin war diesmal der Friedrich von Telramund. Mit seinem hellen, harten Bariton und höchst engagiertem Spiel (Kompliment!) füllte er die Rolle (die ja nun kein Sympathieträger, dazu höllisch schwer und stimmlich sehr anstrengend ist) überzeugend aus.
Petra Lang hat ihren Mezzosopran mit den Jahren in hochdramatische Gefilde hochgeschraubt. Sie war jeder Zoll die abgründig böse Ortrud, bewältigte die „Entweihten Götter“ und „Fahr heim, du stolzer Helde…“mit giftiger Stimme und Ausstrahlung. Die Höhen sind bombig, die tiefen Töne kamen geschickt, dazwischen, in der Kernlage eines Mezzosoprans, gibt es aber mittlerweile eine Grauzone.
Clemens Unterreiner war schon seines Outfits wegen besonders zu bedauern. Ständig muss er in der einen Hand eine unsägliche Aktentasche (die erinnerte mich an jene meines erzkonservativen Geographieprofessors in der Oberstufe), in der anderen den Gamsbarthut halten, was seine Heerruferaufgaben irritierend beeinträchtigte. Mit einer stimmlich tadellosen Leistung zog er sich gut aus der Affäre.
Die Brabantischen Edlen und die Edelknaben sangen ohne Fehl und Tadel.
Nicht ganz glücklich wurde ich mit dem Dirigat von Simone Young. Gewiss, sie kennt „ihren“ Wagner, und sie weiß, wie‘s geht. Sie strahlt Sicherheit aus, lässt sich aber für meinen Geschmack zu sehr zu Lautstärke-Exzessen hinreißen. Was vor allem die Finalensembles der Akte 1 und 2 betraf. Damit nötigte sie die Sänger/innen zu oft zu unmäßigem Forcieren, was aber vor allem Schager völlig unbeschadet überstand. Im 3.Akt gelang dann das Vorspiel fabelhaft, überhaupt war der der Großteil des 3. Aktes der beste Teil des Abends, bis dann Young die Gralserzählung m.E. allzu sehr verschleppte. Das Orchester der Wiener Staatsoper, angeführt von Volkhard Steude und Albena Danailova, ließ sich nicht lumpen und legte sich mächtig ins Zeug. Hervorragend das gesamte Blech und Holz, edle Klangfarben kamen von den Streichern. Der Chor der Wiener Staatsoper (Leitung: Thomas Lang) dröhnte klangmächtig und mit Totaleinsatz. Immerhin ist die Bühne nach hinten zu per Holztäfelung geschlossen, da wird der Klang nicht geschluckt, und so müssten die Sänger/innen nicht gar so aufdrehen, aber wie gesagt: Frau Young hatte zeitweise die Regler bis zum Anschlag eingeschaltet…
Das Publikum jubelte nach der Aufführung mit adäquater Phonstärke.
Karl Masek