
„Ein Schwan, ein Schwan“ Foto Copyright M.Pöhn-Wr.Staatsoper
WIENER STAATSOPER
LOHENGRIN von Richard Wagner
26.Juni 2018 Von Manfred A. Schmid
Ente in Sicht – das Ende noch lange nicht
Man kann jetzt schon Wetten darauf abschließen, wie lange es wohl dauern wird, bis Dominique Meyers Nachfolger diese ärgerliche „Lohengrin“-Inszenierung entsorgen wird. Da Bogdan Roscic sein Amt aber erst 2020 antritt, wird uns diese Wagner-Oper in der Regie von Andreas Homoki (Premiere April 2014) gewiss noch öfters auf dem Spielplan begegnen. Und wenn es stimmlich weitgehend passt, wie dies auch gerade eben der Fall war, dann ist das bekanntlich schon mehr als die halbe Miete.
Was an dieser Produktion lautstark bekrittelt wurde, hat sich allgemein herumgesprochen: Homoki hat einen einzigen Schauplatz für alle Akte gewählt und diesen nicht im belgisch-niederländischen Brabant festgemacht, sondern ausgerechnet irgendwo im Alpenland. Kein Wunder also, dass Krachlederne, Bierkrüge und Gamsbärte die Bühne dominieren: Wagner und Deutschtümelei – kein sehr origineller Regieeinfall und zudem schon mehr als abgespielt. Immerhin aber sei, so stand es in einigen Rezensionen zu lesen, die sorgfältige Personenführung des Regisseurs lobend hervorzuheben. Ich weiß nicht so recht: Wenn der auf geheimnisvolle Art und Weise am Ort der Handlung ankommende Lohengrin, der Inbegriff des jugendlichen Helden der deutschen Romantik, plötzlich im Zustand leichter Desorientierung im Nachthemd auf dem Boden liegt, dann kann einem Herbert Lippert nur noch leidtun. Denn es ist gewiss nicht leicht, in Seitenlage auf dem Boden ausgestreckt – noch dazu vom Zuschauerraum weggedreht – mit dem Singen zu beginnen. Und so klingen die ersten Töne des vielseitigen Tenors, der erst kürzlich in Gottfried von Einems „Dantons Tod“ als Camille Desmoulins einen blendenden Eindruck hinterlassen hat, äußerst zaghaft, verwackelt und gequält. Und zuweilen auch leicht distonierend. Sofort stellen sich Befürchtungen ein, ob man diese Partie Lippert überhaupt noch antun sollte, bzw. ob er sich selbst das noch antun sollte. Aber er steigert sich im Lauf des Abends noch beträchtlich und vermag schließlich tatsächlich noch echt zu überraschen. Sein heller, unverwechselbar gefärbter Tenor trägt – abgesehen von einigen Schwierigkeiten beim Tonansatz – noch über weite Strecken. Und in den dramatischen und leidenschaftlichen Szenen mit Elsa sowie in der heiklen Gralserzählung kann er auch berühren. Respekt für die Leistung! Aber allzu oft sollte er sich diese Partie wirklich nicht mehr antun. Sonst wird´s ein Ritt über den Bodensee.
Die Partie der unglückselig agierenden Elsa ist Annette Dasch anvertraut. Ihre Stimme ist voller geworden, ihre Darstellung recht ansprechend. Sie wird aber von ihrer geschickt manipulierenden Gegenspielerin Ortrud (Elena Zhidkova) ziemlich an die Wand gespielt – bzw. an die Wand gesungen. Einer so intensiven, mit allen Psychotricks arbeitenden Fädenzieherin, die das Heft des Handelns auch in ärgster Bedrängnis nicht aus der Hand gibt, begegnet man nicht alle Tage. Ihr zur Seite steht mit Jukka Rasilainen ein fabelhafter Telramund. Er wird zwar auch von seiner dominierenden Frau gegängelt, hat aber genug eigenes Profil, um stets bedrohliches Potenzial auszustrahlen.
Der Bassist Andreas Bauer ist ein ebenso energischer wie umsichtiger Heinrich der Vogler, Adrian Eröd zeigt mit seinem versatilen Bariton, dass er beinahe immer und überall einsatzbar ist. Ob im ernsten Fach, wie im vorliegenden Fall als Heerrufer, oder in komischen Partien, wie zuletzt beispielsweise als Figaro in Rossinis Barbier. Sebastian Weigle hat das musikalische Geschehen stets gut im Griff; der Chor ist gewohnt zuverlässig und fast immer auf der Bühne: Das waren noch Zeiten, als Karajan im Lohengrin den Chor ganz von der Bühne verbannte…
Üblicherweise sinkt Elsa am Ende, angesichts des schmerzlichen Verlusts Lohengrins, entseelt zu Boden. Bei Homoki bleibt sie – ebenso wie Ortrud – am Leben. Ob das ein Glück ist, muss allerdings bezweifelt werden. Zum Schluss aber gibt es doch noch ein erfreuliche Happyend-Meldung: Ich habe vor einigen Wochen – vielleicht erinnern Sie sich – in „Samson und Dalila“ die Quietschente vermisst. Irgendwie fehlte sie in der Badewanne, in der die beiden Hauptdarsteller so verliebt und sinnentleert pritschelten. Sie wurde offenbar wiedergefunden und konnte nun im Lohengrin gesichtet werden. Elsa trug sie bei der Ankunft Lohengrins durch den Raum. Sie war verkleidet als Schwan. So etwas nennt man wohl Synergieeffekt.
Manfred A. Schmid