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WIEN/ Staatsoper: LES TROYENS von Hector Berlioz. Premiere

14.10.2018 | Oper


Joyce DiDonato. Copyright; Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

LES TROYENS – Premiere Staatsoper am 14.10.2018

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Das Werk gilt als das „Opus summum“ vom Hector Berlioz und kann ohne Übertreibung tatsächlich als „Grand Opera“ bezeichnet weden. Es besteht aus zwei Teilen, nämlich „Le prise de Troje“ (1. u. 2. Akt) und „Les Troyens à Carthage“ (3.-5. Akt). Berlioz selbst hat nie eine Gesamtaufführung erlebt. Als erstes wurde der 2. Teil uraufgeführt (1863). Die Uraufführung des 1. Teils erfolgte erst 1879, also zehn Jahre nach Berlioz‘ Tod. Die erste Gesamtaufführung – allerdings an zwei aufeinanderfolgenden Tagen – gab es erst 1890 in Karlsruhe unter Felix Mottl. In der Folge gab es lange Zeit Aufführungen in stark gekürzter und auch bearbeiteter Form. Erst 1950 gab es in Boston eine Aufführung beider Teile an einem Abend und 1969 gab es in Glasgow und vor allen Dingen in London unter Colin Davis, einem der wichtigsten Förderer des Opernschaffens von Berlioz, eine ungekürzte Aufführung des Werkes. An der Wiener Staatsoper erschien das Werk erstmals am 17.10.1976 als erste Premiere der Direktion von Egon Seefehlner unter der Leitung von Gerd Albrecht und in der Inszenierung Tom O’Horgans am Spielplan. Die Hauptrollen sangen damals Helga Dernesch (Cassandre), Christa Ludwig – in späteren Aufführungen auch Agnes Baltsa – (Didon) und Guy Chauvet (Enée). Die Produktion brachte es bis 1979 gerade einmal auf 9 Aufführungen. Ab 1980 führte man dann nur mehr den 2. Teil auf, aber auch hievon gab es bis 1981 nur 5 Aufführungen.

Das Werk beinhaltet alles, was man sich von einer „großen“ Oper erwartet. Anspruchsvolle Arien, Duette und Ensembleszenen wechseln sich mit wuchtigen Chorpassagen ab und auch dem Ballett wird ein breiter Raum gewidmet. Die Musik ist über weite Strecken sehr melodiös und geht vielleicht manchmal zu wenig in die Tiefe. Bei den beiden grossen Frauenpartien gelingen dem Komponisten doch große dramatische Momente, während die Rolle des Enée erst im letzten Akt echte Akzente setzt.

Hatte es in der 1976er-Produktion noch zahlreiche Striche, vor allen Dingen bei den Balletten, gegeben, so bot man diesmal eine nahezu integrale Fassung. Die Inszenierung stammt aus London und war auch schon in Mailand und San Francisco zu sehen. Ich halte ein derartiges Vorgehen bei einem Werk, das – zumindest in Wien – kein Fixpunkt im Repertoire ist, für legitim und vernünftig. Mir fällt in diesem Zusammenhang Herbert von Karajan ein, de so etwas bereits Ende der 1950er-Jahre vorgeschlagen hat und von der Presse dafür damals fürchterlich geprügelt wurde – „Opernkartell“ war noch einer der mildesten Vorwürfe.

Der Regisseur David McVicar ist meistens für sehr werktreue Inszenierungen bekannt. So auch diesmal. Er erzählt die Geschichte ohne Schnörksel, Brechungen und sonstigen zeitaktuellen Unsinn. Eine wirklich diffizile Personen- und Chorführung ist zwar seine Sache nicht, aber er versteht es, die Szene verständlich zu arangieren. Die Bühnenbilder von Es Devlin sind praktikabel, für Troya ein eher unwirtlich dunkler Raum, für Karthago eine helle Wüstenstadt. Das trojanische Pferd und die visionäre Figur des Hannibal sind Metallgerüste. Die Kostüme von Moritz Junge sind zumindest im ersten Teil ein bunter Mix quer durch die Historie mit Schwerpunkt des 19. Jahrhunderts, was immer noch besser als heutige Alltagskleidung ist. Leider erinnern die Kostüme der trojanischen Militärs teilweise wieder einmal an die bereits sattsam bekannten Uniformen afrikanischer oder südamerikanischer Diktaturen. Im zweiten Teil sind sie dann einheitlicher und zeitpassender. Die Choreographie von Lynn Page war lebendig und vermied die oft bei Balletten in Opern auftretende Peinlichkeit.

Kommen wir aber nun zum musikalischen Teil und hier ist festzustellen, dass es in erster Linie der Abend der Joyce DiDonato war. Mit welcher Einfühlsamkeit sie die Didon gestaltete. war absolute Weltklasse. Dank ihrer hervorragenden Stimmtechnik gelangen sowohl die großen Ausbrüche als auch die gefühlvollen Passagen ausgezeichnet. Ihre große Szene im 5. Akt sowie die Schlusszene waren der Höhepunkt des Abends. Auch darstellerisch war sie ungemein päsent. Ihr Partner als Enée war Brandon Jovanovic. Wie schon bei seinem Hermann in Salzburg gefiel auch hier wieder sein heldisch timbrierter Tenor und der gesangliche und auch darstellerische Einsatz. Allerdings geriet der eine oder andere Spitzenton etwas eng. Ob es allerdings seiner Stimme gut tut, wenn er diese Rolle oft singt, steht auf einem anderen Blatt.

Die zweite weibliche Hauptrolle, die Casandre, wurde statt der erkrankten Anna Caterina Antonacci vom Ensemblemitglied Monica Bohinec gesungen. Natürlich gab es sofort Nasenrümpfen bei den typischen Wiener Nörglern, verbunden mit dem Vorwurf an die Direktion, keinen anderen Ersatz zu haben. Dazu ist zu sagen, daß mir spontan ausser Marie-Nicole Lemieux keine andere Sängerin der 1. Garnitur einfällt, die diese Rolle singt und sich außerdem keine solche Sängerin sechs Wochen als Cover nach Wien setzt, um dann womöglich doch nicht zum Zug zu kommen. Im übrigen machte Monica Bohinec ihre Sache gut. Nach etwas vorsichtigem Beginn gestaltete sie die Rolle sowohl darstellerisch als auch stimmlich zufriedenstellend, auch wenn sich gegen Ende gewisse Ermüdungserscheinungen bemerkbar machten. Adam Plachetka blieb als Chorebe leider stimmlich und darstellerisch etwas blass, während Szilivia Vörös als Anna mit einem gut geführten Mezzo aufhorchen ließ. Jongmin Park ließ als Narbal seinen Bass sehr schön fließen und Rachel Frenkel sang und spielte berührend den Ascagne. Nicht gänzlich glücklich wurde man mit Paolo Fanale als Iopas. Seine Arie klang uneben und die Höhen waren gepresst. Warum diese Rolle nicht mit Benjamin Bruns besetzt wurde, der das Lied des Hylas am Beginn des fünften Aktes sehr schön sang, bleibt eine offene Frage.

Allen übrigen Solisten sei ein Pauschallob ausgesprochen. Ausgezeichnet ist der in diesem Werk ziemlich geforderte Chor, bestehend aus dem Staatsopernchor samt Chorakademie (Einstudierung: Thomas Lang) und dem Slowakischen Philharmonischen Chor (Einstudierung: Jozef Chabron). Gleiches gilt für das aus dem Wr. Staatsballet, Mitgliedern der Ballettakademie und dem Europaballett St. Pölten bestehende Ballett (Einstudierung: Gemma Payne).

Am Pult des Staatsopernorchesters stand mit Alain Altinoglu ein Garant für die Aufführung französischer Werke. Das Orchester war tadellos einstudiert und bot in allen Phasen der Aufführung eine ausgezeichnete Leistung.

Am Ende gab es viel Jubel für die Mitwirkenden, in erster Linie natürlich für Joyce DiDonato, in den auch das Regieteam einbezogen wurden

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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