Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Les Troyens
Wiener Staatsoper, 17.10.2018
Nach 42 Jahren wieder Les Troyens – diese Oper, damals sang die Didon noch Christa Ludwig, war die letzte Vorstellung für mich im Haus für über 25 Jahre (was aber nichts mit der Qualität der Aufführung zu tun hatte..)
Es ist der Direktion zu danken, dieses wirklich monumentale Werk wieder ans Haus gebracht zu haben. Es ist eine „Grand Opera“ im wahrsten Sinne des Wortes, die Netto-Spielzeit beträgt 4 ¼ Stunden, unterbrochen von zwei (über)langen Pausen. Das Leading Team David McVicar (Regie), Es Devlin (Bühne) und Moritz Junge (Kostüme) erzählt die Handlung so, wie sie im Libretto (übrigens auch von Hector Berlioz) steht. Während die Kostüme an das 19.Jahrhundert erinnern, ist das Bühnenbild in angenehmster Weise den Schauplätzen angepasst. Besonders das warme, mediterrane Licht des 3.Aktes (Licht – Wolfgang Goebbel, Pia Virolainen) erfreut das Auge.
Im Gedächtnis bleiben nach der Vorstellung weniger die sehr konservative Personenführung (da hätte man etwas mehr machen können – da waren viele „Standardoperngesten“ zu sehen), sondern die Massenszenen, die Konstruktion des Trojanischen Pferdes und das Schlussbild (leider konnte man vom Online-Merkerplatz die Konstruktion im Hintergrund kaum sehen). Im Gegensatz zu anderen Produktionen, wo die Statisterie im Laufe der Jahre ziemlich geschrumpft wurde (Carmen), ist hier anscheinend kein Aufwand zu groß gewesen – es wurden noch Zusatzchöre und –tänzer engagiert – Slowakischer Philharmonischer Chor, das Europaballett St. Pölten und Artisten der Ape Connection.
Trotz der „Überlänge“ der Oper (auf der anderen Seite – was sind die vier Stunden schon gegen die Götterdämmerung oder die Meistersinger) war es ein spannender und kurzweiliger Abend – mit Ausnahme des 4.Aktes, wo die teils überlangen Ballettsequenzen zwar spannend choreographiert waren (Lynne Page) aber hauptsächlich das vorher Gesungene wiedergaben bzw. unterstrichen und die Handlung nicht wirklich vorantrieben. Auf der anderen Seite konnte hier das Staatsopernorchester unter der Leitung von Alain Altinoglu seiner Spielfreude hingeben. Der Franzose hat die Musik von Berlioz „intus“ und spannte während der gesamten Oper dein großen Bogen.
Man könnte ja die Oper in zwei – komplett voneinander unabhängige – Teilen aufführen. Die beiden ersten Akte behandeln den Fall von Troja – und an diesem Abend bewies Monika Bohinec, dass sie mehr als eine Einspringerin ist. Eindringlich, mit profunder Tiefe, beschwor ihre Cassandre die Trojaner und ihren Geliebten Chorébe (Adam Plachetka) zu fliehen, um ihrem Schicksal zu entgehen – wie man weiß, vergebens. Positiv fielen mir da in den kleineren Rollen Donna Ellen und besonders Anthony Schneider (als Schatten des Hector) auf. Ich bin sehr gespannt, wie sich Letzterer entwickeln wird.
Brandon Jovanovich hatte einen beeindruckenden Einstieg als Enée, hatte das Volumen und Material, um in den Ensembleszenen hervorzustechen. Ich hörte zwei kleine Unsicherheiten, die aber den guten Gesamteindruck nicht nachhaltig störten. Was ich ihm nicht wirklich annahm war seine Rolle als „Liebender“ – da war immer ein wenig Distanz und nicht dieselbe Hingabe, die Didon ihm entgegenbrachte. Ich kann nicht sagen ob das gewollt war oder nicht – es würde insofern Sinn machen, da Enée im Prinzip Karthago nur als einen Zwischenaufenthalt nach Italien sieht und trotz aller Liebe zu Didon er unterbewusst doch auf Distanz ist.
Einmal mehr bewies Jongmin Park was für eine tolle Entwicklung er macht – sein Narbal war beeindruckend. Benjamin Bruns war eine sehr gute Besetzung für den Hylas. Marcus Pelz und Ferdinand Pfeiffer brachten das Publikum zum Schmunzeln (1. und 2. trojanischer Soldat). In weiteren Rollen fand man Peter Kellner, Paolo Fanale, Rachel Frenkel, Alexandru Moisiuc, Orhan Yildiz, Wolfram Igor Derntl, Igor Onishchenko, Tamara Dornelas, Dominika Kovacs-Galvics und Laurids Seidel.
Szilvia Vörös. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Neu im Ensemble – und schon bei einer Premierenbesetzung dabei – ist Szilvia Vörös, die einen sehr guten Eindruck als Anna vermittelte. Mir gefiel besonders ihre Mittellage und ihre Tiefe. Auch da – ähnlich wie bei Anthony Schneider – bin ich auf ihren weiteren Weg gespannt.
Last but definitely not least – Joyce DiDonato. Mit ihrem Engagement wurde – endlich – ein weißer Fleck auf der Sängerlandkarte der Wr.Staatsoper geschlossen (von ihrem einmaligen Auftritt als Rosina und ihrem Solokonzert – nach wie vor habe ich ihre Interpretation von „Over the Rainbow“ im Ohr). Sie ist einer der Top Mezzosopranistinnen weltweit – und es war an der Zeit, sie am Haus am Ring zu hören. In den Akten 3 und 4 bestach sie durch ihr Lyrismen und offenbarte, dass ihre Stärken nicht unbedingt bei den tieferen Tönen liegt). Was sie aber im letzten Akt auf die Bühne brachte, kann man nur mit dem Tribut „absolute Weltklasse“ versehen. Da war so viel Emotion dabei, gepaart mit einer stupenden Technik – ein Ereignis, das man nicht missen sollte!
Vor der Vorstellung wurden noch genügend Sitzplätze angeboten (wer gewillt ist, etwas mehr zu zahlen, wird sicherlich einen Sitzplatz finden), Stehplätze auf der Galerie gab es auch noch zur Genüge. Wäre ich in Wien, würde ich auf jeden Fall mir dieses Spektakel im besten Sinne noch einmal anschauen – es wird was für’s Ohr und auch für’s Auge geboten!!! Und wer weiß, ob in dieser Generation diese Oper noch einmal am Spielplan aufscheinen wird…
Kurt Vlach