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WIEN / Staatsoper: LES CONTES D’HOFFMANN

23.05.2014 | Oper

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Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper:
LES CONTES D’HOFFMANN von Jacques Offenbach
Wiederaufnahme
84. Aufführung in dieser Inszenierung
Premiere: 23. Mai 2014

Da setzt man zumindest eine „halbe“ Premiere für einen der ganz großen Tenornamen unserer Zeit an. Dann sagt dieser: Vielen Dank, lieber doch nicht. Nun müssen wir glücklich sein, dass der Staatsoperndirektor nicht in seiner Nachwuchs-Wühlkiste gekramt und irgendjemanden hervorgezogen hat (wie er es für den Florez-Ersatz tat). Er brachte immerhin zwei staatsopernwürdige Namen auf, wobei der eine (Neil Shicoff) absagte (was man nicht für gänzlich unwahrscheinlich hielt) und der andere wenigstens da und geprobt war, um die halbe Premiere zu singen. Glück muss man haben.

Und der Koreaner Yosep Kang, den man bisher nur als Einspringer-Rudolf kannte, war ein ganz vorzüglicher Hoffmann. Abgesehen davon, dass es für das Publikum eine Erleichterung ist, einer jungen, kräftigen Stimme zuzuhören, mit der man nicht dauernd bangen muss, passte er mit seiner Kraft und seinem stahl-melierten Timbre ausgezeichnet zur Rolle. Seine fabelhafte Technik hat er schon unter Beweis gestellt, gelegentliche nasale Laute kamen nur selten, dafür wurden Spitzentöne von solcher Pracht ins Publikum geschleudert wie Boris Becker in seiner besten Zeit Asse in den CenterCourt donnerte – begeisternd. Shicoff-Fans, die dem Abend ja doch mit langem Gesicht beiwohnten, monierten den Mangel an Persönlichkeit, aber das ist wohl so – If Youth knew and Age could! wusste angeblich schon Freud. Aber man muss ehrlich sagen, dass Kang auch durchaus in den Schuhen der Rolle stand, ein Mann, der weiß, was er singt und was er tut.

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Yosep Kang / Ildar Abdrazakov

Noch mehr Interesse konnte man natürlich an Ildar Abdrazakov haben, denn der ist nun wirklich der kommende oder eigentlich schon der „gegenwärtige“ große Baß: eine slawische Prachtstimme mit rauer Tiefe, als ob man gegen Samt bürstete, toll anzuhören. Seltsame Tatsache nur, dass Abdrazakov, der seine Mittel reich und großzügig strömen ließ, im dritten Akt dann plötzlich müde war: Die „Diamenten-Arie“ klang eindeutig reduziert. Nun, es ist eine anstrengende Partie – und er hat sie auch mit Lust differenziert, das Hohnlachen des Bösewichts genossen, vom eleganten Lindorf in Uniform über den skurrilen Brillenverkäufer Coppélius, den dämonischen langhaarigen Doktor Mirakel bis zum glatzköpfigen, im Rollstuhl sitzenden Dapertutto jede Rolle mit Freude an der Verwandlung und Lust am Spiel ausgekostet.

Wie die meisten der Interpreten dieses Abends gaben auch zwei der drei Damen ihre Staatsopern-Rollendebuts: Daniela Fally als drollige Olympia sang alle Noten (und wenn die eine oder andere in Quietschen ausartete, mag es zum Profil der Puppe passen), aber sie tat es mit allzu nachdrücklichem Verve, wo man etwas mehr Leichtigkeit gewünscht hätte. Auch viel, zu viel Nachdruck war in der Antonia der Marina Rebeka, deren Stimme in der oberen Mittellage (und gar in der Höhe) so schrill wird, dass sie Schneide-Qualitäten entwickelt. Nadia Krasteva hat die Giulietta schon früher gesungen, und sie passt ihr perfekt in die Kehle. Eine elegante Kurtisane ist sie allerdings nicht, das ist schon der Frontalangriff des Sex, den sie bietet…

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Daniela Fally / Marina Rebeka / Nadia Krasteva

Eine wichtige Dame vermisste man sehr: Nein, Stephanie Houtzeel war kein Nicklausse, es fehlte an Timbre, an Technik und auch an Überzeugungskraft, weder ein hübscher Bub an Hoffmanns Seite noch am Ende die wirklich poetische Muse. Ein großer Dichter braucht doch eine entsprechende Begleitung, und das kann eine Traumrolle sein!

Aber diesmal reüssierten die Nebenrollen überhaupt wenig, einzig Walter Fink als Antonias Papa Crespel ließ sich kurzfristig mit Abdrazakov auf ein Duell der Bässe ein und kämpfte wacker. Das Vierer-Pack Andrès / Cochenille / Frantz / Pitichinaccio hat man von großen Interpreten in bester Erinnerung, Thomas Ebenstein zählt nicht zu diesen, vor allem seine große Szene als Frantz nervte nur, statt zu entzücken. Donna Ellen als „Stimme der Mutter“ ist wohl schon lange im Grab gelegen, so brüchig klang sie, Michael Roider (Spalanzani), Carlos Osuna (Nathanael), Janusz Monarcha (Luther) erledigten ihre Parts einigermaßen, Mihail Dogotari als wackliger Hermann und Tae-Joong Yang als total stimmtrockener Schlémil schon um einiges weniger.

Am Pult stand der Slowene Marko Letonja und rührt heftig in Offenbachs genialer Effektmusik um, die hier eigentlich immer laut und vordergründig dröhnend daher kam.

Dankbar muss man übrigens für die „halbe“ Premiere sein, denn das heißt, dass die Inszenierung von Andrei Serban in der einigermaßen surrealen Ausstattung von Richard Hudson erhalten geblieben ist. Und wer weiß, wie viel Gewalt man dem „Hoffmann“ antun kann (zuletzt in Oslo!), der wird dankbar sein, dass die Geschichte einigermaßen erzählt wird. Der Opernfreund ist soooo bescheiden geworden!

Übrigens: Da hat man also einen „Hoffmann“ achtbar besetzt – und was war geschehen? Das Interesse war gering, die Sitzplätze zwar voll (wenn auch nicht ganz), aber Parterre-Stehplätze hätte man noch zu Beginn der Vorstellung bekommen, und auf der Galerie hing nur ein Fähnlein der paar Aufrechten herum. Die wahre „Hoffmann“-Kennerschaft war auch nicht vertreten, denn das Publikum wusste oft nicht, wann es klatschen sollte / dürfte / wollte, aber am Ende war es doch ein Erfolg. Wenn auch nicht eben von Premieren-Ausmaß.

Renate Wagner

 

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