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WIEN/ Staatsoper: L’ELISIR D’AMORE -mit Umbesetzungen

WIEN / Staatsoper: „L’ELISIR D’AMORE“  –   02.03.2022

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Misha Kiria (Dulcamara. Wenn er nur etwas mehr Humor zulegen könnte, wäre er eine sehr gute Besetzung. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Acht Stunden vor Beginn der Vorstellung habe ich online eine nicht gerade billige Karte für diese Vorstellung gekauft. Nur wenige Minuten später wurde auf der Homepage der Wiener Staatsoper die Umbesetzung von zwei der vier Hauptpartien bekanntgegeben. (Am besten, man kauft seine Karten nur noch eine Stunde vor der Vorstellung!) Krankheitsbedingte Umbesetzungen in Corona-Zeiten kann man der Wiener Staatsoper sicher nicht anlasten, sehr wohl aber, dass der Umbesetzungs-Newsletter schon lange nicht mehr funktioniert. Wenn man nicht zufällig auf der Homepage nachschaut, bekommt man von den Umbesetzungen gar nichts mit und erlebt am Abend eine (manchmal auch unangenehme) Überraschung. Da kann sich die Wiener Staatsoper ein Beispiel an der Bayerischen Staatsoper München nehmen, bei der jede noch so kleine Umbesetzung umgehend mit Newsletter bekanntgegeben wird.

Aber was für ein Glück, dass wir Donizettis Meisterwerk in der einmaligen und unersetzlichen Otto Schenk-Inszenierung im Repertoire haben, in die jeder Sänger problemlos auch kurzfristig einsteigen kann. Und was für ein Glück, dass in Wien viele Sänger leben, auch solche, die von der jetzigen Direktion nicht übernommen wurden, wie z.B. die amerikanische Sopranistin Andrea Carroll. Da sie die Adina hier bereits mehrmals gesungen hat, ist sie mit dieser Inszenierung ebenso vertraut wie Clemens Unterreiner, der an diesem Abend ebenfalls kurzfristig die Partie des Belcore übernehmen musste.

Die Inszenierung von Otto Schenk in der Ausstattung von Jürgen Rose kam ursprünglich im Theater an der Wien heraus, im Jahr 1973, mit Reri Grist, die vor wenigen Tagen – hoffentlich bei bester Gesundheit – ihren 90. Geburtstag gefeiert hat, als Adina. An ihrer Seite sangen damals unter der musikalischen Leitung von Silvio Varviso Nicolai Gedda den Nemorino, Robert Kerns den Belcore und Eberhard Waechter den Dulcamara. 1980 wurde die Produktion dann ins Haus am Ring mit einer Traumbesetzung (Ileana Cotrubas, Peter Dvorský, Bernd Weikl und Giuseppe Taddei) unter der musikalischen Leitung von Jesus López-Cobos übernommen. In den folgenden 22 Jahren konnten wir dann in bisher 259 Aufführungen u.a. Kathleen Battle, Angela Gheorghiu, Anna Netrebko und Pretty Yende als Adina, Roberto Alagna, Francisco Araiza, Benjamin Bernheim, Lawrence Brownlee, Joseph Calleja, Javier Camarena, José Carreras. Vittorio Grigolo, Alfredo Kraus, Luis Lima, Luciano Pavarotti, Ramón Vargas und Rolando Villazón als Nemorino, Mariusz Kwiecien, Leo Nucci und Ingvar Wixell als Belcore sowie Fernando Corena, Ildebrando D’Arcangelo, Ambrogio Maestri, Leo Nucci, Rolando Panerai, Erwin Schrott, Alfred Šramek und Bryn Terfel als Dulcamara in dieser Inszenierung erleben.

Eigentlich war ich sehr neugierig auf die armenische Sopranistin Nina Minasyan, nun sang also Andrea Carroll die Adina. Mit ihrem in allen Lagen sicher und gut klingenden, dunkel timbrierten Sopran hebt sie sich wohltuend von den vielen dünnstimmigen Soubretten ab, mit denen die Partie der Adina so oft besetzt wird. Carrolls Stimme besitzt genügend Volumen für die lyrischen Szenen, jedoch auch die notwendige Beweglichkeit um alle Koloraturen mühelos zu bewältigen. Und mit ihrem überzeugenden und sympathischen Spiel betörte die bildhübsche Amerikanerin nicht nur Nemorino, sondern auch das Publikum. Diese Adina muss man einfach lieben.

Juan Diego Flórez war wieder einmal in einer seiner Paradepartien zu erleben. Wie er diesen schüchternen und ein wenig tollpatschigen Bauernburschen spielt, muss man einfach gesehen haben. Und wie er ihn singt, dass muss man gehört haben. Bereits in seiner Auftrittsarie und im Duett mit Dulcamara legt er sich zusätzliche Höhen ein. Und wie er seine Arie im 2. Akt („Una furtiva lagrima“) mit einer Träne in der Stimme nicht nur schön, sondern auch berührend vorträgt, ist ein Lehrstück in Sachen Belcanto. Kein Wunder, dass das Publikum danach so lange jubelte und tobte, bis er die Arie wiederholte, und bei der Wiederholung eigentlich noch schöner sang als beim ersten Mal. Warum versucht er dauernd in einem anderen Fach Fuß zu fassen, in dem er bestenfalls zweit- oder drittklassig sein wird? Er möge doch wirklich im Belcanto-Fach bleiben, da steht er nach wie vor an der Spitze.

Clemens Unterreiner (als Ersatz für Sergey Kaydalov) ist für Belcore eine Idealbesetzung. Er ist als fescher Soldat und eitler Geck eine gute Erscheinung und mit viel Spielwitz bei der Sache. Stimmlich schöpft er mit seinem markanten Bariton aus dem Vollen, man merkt, dass ihm diese Partie liegt.  

Der Georgier Misha Kiria stellte sich mit seinem geschmeidig geführten, voluminösen Bass als Dulcamara erstmals dem Wiener Publikum vor. Wenn er vielleicht noch ein bisschen an Humor zulegen wird, dann könnte auch er eine Idealbesetzung des Quacksalbers werden. Vielleicht findet sich ja noch ein diesbezüglicher Zaubertrank in seiner Reiseapotheke.

Marco Armiliato war der richtige Mann, um Chor und Orchester der Wiener Staatsoper und die Solisten samt Einspringern sicher durch die Aufführung zu bringen. Gerade in solchen Vorstellungen erweist es sich als großer Vorteil, wenn ein routinierter und sängerfreundlicher Dirigent am Pult steht.

 

Am Ende gab es viel Jubel für alle Beteiligten und ein glückliches und zufriedenes Publikum. Die Wiener Staatsoper hat wieder einmal bewiesen, dass sie auch mit kurzfristigen Umbesetzungen eine erstklassige Aufführung zustande bringen kann. Bravo!

 

Walter Nowotny

 

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