Wien: „L’ELISIR D’AMORE“ – Staatsoper, 21.3.2025
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Jeder, der wie ich an diesen zwei Tagen hintereinander die Wiener Staatsoper besucht hat, konnte nicht glauben, dass so ein enormer Qualitätsunterschied möglich sein kann. An einem Abend eine Aufführung, die nicht einmal in Utzbach (Anm.: „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard) akzeptabel gewesen wäre, am nächsten Tag eine Vorstellung, wie sie schöner und besser nicht sein könnte.
Nadine Sierra war die beste Adina seit Jahren. Stimmlich perfekt in allen Lagen, ja die Herausforderungen der Partie dürften sie noch etwas unterfordert haben, denn sie legte sich noch jede Menge schöner zusätzlicher Verzierungen und Spitzentöne ein. Dazu spielte sie derart hinreißend, dass man nachvollziehen kann, dass sich jeder auf der Bühne (und auch im Publikum) in sie verliebt.
Xabier Anduaga singt mit seinem schön timbrierten, schmelzreichen Tenor, der über einen dunklen Kern aber auch über strahlende Höhen verfügt, mit schöner Phrasierung und herrlichen Piani einen wundervollen Nemorino. Im Spiel ist er zu Beginn ein ganz schüchterner Junge, der sich kaum etwas traut, am wenigsten seiner angebeteten Adina seine Liebe zu erklären. Als er im großen Duett im zweiten Akt allen Mut zusammennimmt und Adina einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückt, ist Adina selbst überrascht. Herrlich, wie Nadine Sierra (auf Deutsch) zum Publikum sagt, wie „super das heute war“. Und wenn sich die beiden dann von Leidenschaft überwältigt am Boden wälzen, vergessen die beiden Liebenden alles um sie herum.
Man merkt, dass die Chemie zwischen diesen beiden stimmen dürfte. Sie haben auch schon mehrmals zusammen gesungen, u.a. in „La Sonnambula“ am Teatro Real in Madrid und in „Lucia di Lammermoor“ an der Londoner Covent Garden Opera. Es ist schön, dass die Opernwelt endlich wieder ein Traumpaar hat. Seit Anna Netrebko und Rolando Villazón hatten wir kein vergleichbar tolles Traumpaar mehr (und das ist jetzt auch schon 20 Jahre her). Man kann nur hoffen, dass uns diese beiden Sänger in Zukunft noch viele schöne (gemeinsame) Stunden bereiten werden. In der nächsten Saison sollen die beiden angeblich in „La Traviata“ wieder gemeinsam auf der Bühne der Wiener Staatsoper stehen.
Aber auch die übrigen Rollen waren an diesem Abend erstklassig besetzt. Davide Luciano ist ein idealer Belcore. Mit seinem kernigen Timbre und sicheren Höhen sowie seinem selbstsicheren und eitlen Auftreten ist er ganz der Typ Offizier, auf den die Frauen fliegen.
Und Bryn Terfel ist als verschlagener Dulcamara mit perfektem Parlando ohnehin eine Klasse für sich. Schade, dass dieser Ausnahmekünstler nur noch selten an der Wiener Staatsoper gastiert.
Und auch Hannah-Theres Weigl fügt sich würdig als entzückende Giannetta in die Weltklassebesetzung ein.
Aber das Ganze kann auch mit einer so guten Besetzung nur wirklich funktionieren, wenn auch das szenische Umfeld stimmt. Und da erweist es sich geradezu als Segen, dass wir noch immer die geniale Inszenierung von Otto Schenk in der prächtigen Ausstattung von Jürgen Rose im Repertoire haben. Somit geriet die von Francesco Ivan Ciampa umsichtig geleitete Aufführung zu einer Sternstunde, wie man sie schon lange nicht mehr im Haus am Ring erlebt hat.
Wie ich bereits eingangs erwähnt habe: zwei Abende an der Wiener Staatsoper, wie Tag und Nacht.
Walter Nowotny