WIEN / Staatsoper:
L’ELISIR D’AMORE von Gaetano Donizetti
207. Aufführung in dieser Inszenierung
3. März 2014
Erwin Schrott als Dulcamara. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn
Wenige Tage vor ihrem 31. Geburtstag, der sich am 8. März jährt (sagt Wikipedia), ist es Nino Machaidze nun doch gelungen, ihr Staatsopern-Debut nachzuholen. (Im Theater an der Wien hatte man sie allerdings schon 2009 im „Turco in Italia“ kennen gelernt.) Das im Juni 2013 vorgesehene Erstauftreten an der Staatsoper als Gounods Juliette musste die Georgierin, die als Einspringerin für die schwangere Netrebko mit ebendieser Rolle in Salzburg 2008 berühmt geworden war, wegen Schwangerschaft absagen… Mittlerweile wieder schön schlank und exotisch-attraktiv wie eh und je, ließ sie sich allerdings in einer Rolle hören, über die sie fast schon hinausgewachsen ist: die Adina im „Elisir d’amore“.
Die Adina ist eine wirklich schöne Aufgabe, weil sie darstellerisch so viel fordert und bietet – vom Hochmuts-Dämchen bis zur Liebenden, die dann doch ihren Gefühlen nachgibt, nachdem sie ziemlich zwischen dem feschen Sergeanten und dem schüchternen jungen Bauern hin- und hergerissen wurde: Besonders das Happyend, das sie schließlich ganz in die Hand nimmt, spielt Nino Machaidze bezaubernd. Gesanglich allerdings hat die Stimme weder Leichtigkeit noch Dolcezza mehr, sie klingt eigentlich ein bisschen nach scharfem Gekeife, auch dort, wo sie sich um Innigkeit bemüht, die nicht mehr strömen will. Sie ist schon ein paar Stufen zu Dramatischerem hinaufgestiegen.
Dass „L’elisir d’amore“ aber keine Oper ist, an der das Publikum sich für den Sopran interessiert, zeigte die überaus schüttere Besetzung des Stehplatzes (und die Sitzplätze wirkten auch nicht ausverkauft). Nein, es geht um Nemorino, seine darstellerischer Gustostückerln zwischen „Trauminet“ und weinseligem Übermut und um „Una furtiva lagrima“. Aber wie besetzt man das? Pavarotti ist tot, Villazon kann es nicht mehr, wie man vor zwei Jahren erschütternd erleben musste, und Florez ist nicht immer zur Verfügung. Also Charles Castronovo, der Amerikaner mit Vorfahren aus Sizilien und Ecuardor (was ihm ein leicht verwegenes Aussehen gibt), der vor allem in Europa im italienischen Fach und Mozart unterwegs ist. Und gegen seine Technik ist auch nichts einzuwenden, wenngleich ihn sein Timbre keinesfalls an die Weltspitze katapultieren wird: zu guttural, zu baritonal für einen Tenor (sodass es in der Höhe, auch wenn sie sicher ist, das „Tenorale“ im Ton vermissen lässt). Die Paradearie sang er brav, weit unter ihren Möglichkeiten, gewissermaßen uninspiriert, da hätte niemand auf „Bis!“ bestanden… Er klingt eigentlich immer, als wäre er mit verstopfter Nase schwer verkühlt, und das gibt nicht das ideale Klangbild. Darstellerisch ist er sympathisch, kämpft aber gegen die Erinnerung an etliche unvergleichliche Glanzleistungen (oder Temperamentsbündel…) an, an die er nicht heranreicht.
Nachdem die erste halbe Stunde eher zäh lief, kam Doktor Dulcamara, einst Taddei oder Panerai, heute immer wieder und natürlich ideal unser Alfred Sramek, vom Typ her auch ein Ambrogio Maestri. Erwin Schrott, den man eigentlich eher in die Uniform des Belcore stecken würde, ist ganz anders. Wer erinnert sich an Captain Jack Sparrow in den „Piraten der Karibik“? Richtig, Johnny Depp, der ist hier unzweifelhaft Pate gestanden, schlanke Erscheinung, wildes schwarzes Haar, glühende Augen, schäbiger schwarzer Frack und jede Menge Exzentik. Das ist in Ordnung für die Rolle. Gesanglich war Schrott nicht in sonderlicher Geberlaune, ließ sich bei seiner – zugegeben sehr langen – Auftrittsarie Zeit, stimmlich in Fahrt zu kommen, legte dann erst gegen Ende, als der Applaus zu erwarten war, zu. Es war eine ordentliche, aber keinesfalls überragende Leistung, „den Abend gestohlen“ hat er nicht, aber das ist auch keinem seiner Kollegen gelungen.
Alessio Arduini, der kürzlich in „Cosi fan tutte“ in so überraschend hohem Ausmaß überzeugt hat, war als Belcore zwar auch zu jedem darstellerischen Unsinn bereit, aber ein Effekt, den es bei Mozart nie gegeben hatte, stellte sich diesmal seltsamerweise ein: Er wirkte immer wieder überfordert, schon bei seinem ersten Auftritt, und wiederholt wurde man das Gefühl nicht los, das Haus sei für ihn zu groß.
Hila Fahima, eine junge, hübsche Israelin, seit dieser Saison am Haus engagiert, sang ihre Szene als Giannetta mit netter, klarer Stimme. Sie hat schon je zweimal Papagena und Oscar gesungen – wenn man sie in solchen Rollen erwischt, kann man wohl mehr sagen.
Nicht sehr glücklich wurde man mit Guillermo Garcia Calvo am Dirigentenpult, eine weitgehend uninspirierte, „breiige“ Interpretation, die gänzlich dazu beitrug, den Abend im braven Mittelmaß zu belassen, aus dem sich keiner hervortat.
Renate Wagner