WIEN / Staatsoper: „L’ELISIR D’AMORE“ – 28.10.2022
Bogdan Volkov (Nemorino). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Wie schön ist es doch, dass wir wenigstens noch ein paar Inszenierungen von Otto Schenk im Repertoire der Wiener Staatsoper haben. Seine Inszenierungen zeichnen sich vor allem dafür aus, dass er den Sängern auch immer genügend Freiraum einräumt ihre eigene Persönlichkeit einbringen zu können. Wie viele verschiedene Sängertypen hatten wir doch bereits als Nemorino und Adina, als Belcore und Dulcamara? Und es kommen immer wieder neue nach, die sich ganz natürlich in die Inszenierung einfügen. Ganz im Gegensatz etwa zu der „Carmen“-Inszenierung von Calixto Bieito, wo seit der Premiere keine einzige Sängerin der Titelpartie das starre Inszenierungskonzept des Regisseurs mehr umsetzen konnte.
In dieser Aufführungsserie steht nun erstmals Bogdan Volkov als Nemorino auf der Bühne der Wiener Staatsoper. Volkov stammt aus der Industriestadt Tores in der Oblast Donezk im südlichen Donbass. Seit 2014 ist der Ort durch russische Separisten besetzt und erst vor wenigen Wochen von Wladimir Putin wieder dem russischen Staatsgebiet eingegliedert worden. Ist Volkov nun Ukrainer oder Russe oder hat er – wie viele andere Menschen in diesem Grenzgebiet – ukrainische und russische Vorfahren? Für das Wiener und das internationale Opernpublikum kann das völlig irrelevant sein – er ist ein wundervoller Tenor. Aber man sieht, wie diese gegenwärtige Weltkrise auch in den Kulturbereich hineinragt.
Bogdan Volkov zählt zu jenen Interpreten des Nemorino, die eher einen schüchternen, aber keineswegs einen beschränkten oder tollpatschigen Bauernburschen darstellen. Ein wahrhaft Liebender, der sich einfach nicht traut seiner Angebeteten seine Liebe zu gestehen. Da muss erst ein als Liebestrank getarnter Bordeaux seine Zunge lösen… Mit sanftem Schmelz in seiner hellen, lyrischen, höhensicheren Stimme und schöner Phrasierung begeistert er nicht nur in der perfekt gelungenen Arie „Una furtiva lagrima“. Bravo!
Da Slávka Zámečníková die ganze Aufführungsserie krankheitsbedingt abgesagt hat, sprang unser Ensemblemitglied Maria Nazarova als Adina ein, die diese Partie bereits 2019 an der Staatsoper gesungen hat. Ihre Stimme ist nicht allzu groß – aber gerade darum passt sie sehr gut zu Bogdan Volkov, der ja ebenfalls nicht über eine große Stimme verfügt. Nazarova ist eine bezaubernde und charmante Adina und besticht mit ihrem glasklaren Sopran, funkelnden Koloraturen und einigen eingelegten Höhen.
Davide Luciano (Belcore), Maria Nazarova (Adina). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Der italienische Bariton Davide Luciano geht wohl in die Geschichte der Salzburger Festspiele ein als erster Interpret des Don Giovanni, der bei den Festspielen nackt aufgetreten ist. Eigentlich sollte er bereits zu Beginn der letzten Saison in der Premiere von Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ an der Wiener Staatsoper debütieren. Irgendwie klappte das jedoch nicht, doch jetzt holte er sein Staatsoperndebüt nach. Den Belcore sang er bereits an der Metropolitan Opera New York und an der Mailänder Scala, nun also auch als erste Rolle an der Wiener Staatsoper. Als attraktiver Offizier mit eitlem Gehabe überzeugt er als Figur ebenso wie stimmlich mit seiner phänomenalen Höhe, mit der er wohl zu Recht protzt.
Nach elf Jahren Abwesenheit kehrte Alex Esposito endlich wieder an die Staatsoper zurück. Warum er so lange hier nicht mehr auftrat oder auftreten durfte ist mir nicht bekannt. Immerhin konnten wir ihn in der Zwischenzeit – großartig – als Mozarts Figaro und als Leporello im Theater an der Wien erleben. Aber nachdem ihn die Bayerische Staatsoper sogar bereits zum Bayerischen Kammersänger ernannt hat, wurde es Zeit ihn auch wieder einmal an die Wiener Staatsoper zu holen. Er ist mit seiner schmächtigen Figur und rasiertem Kopf schon von der Statur her ein ganz anderer Typ Dulcamara als wir es etwa von Giuseppe Taddei, Bryn Terfel oder Ambrogio Maestri gewohnt sind. Er ist ein noch junger, ein sympathischer und auch noch attraktiver Quacksalber, der durchaus noch ein Rivale für Nemorino und Belcore um die Hand Adinas sein könnte. Aber er ist ein Komödiant ersten Ranges und besticht auch durch seinen vitalen und gut fokussierten Gesang.
Miriam Kutrowatz, die zu Beginn der Saison vom Jungen Ensemble des Theaters an der Wien in das Opernstudio der Wiener Staatsoper gewechselt hat, ergänzte als Giannetta die Besetzungsliste.
Der Chor der Wiener Staatsoper war mit viel Spielfreude bei der Sache, und Gianluca Capuano bewies am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper mit viel Italianità, dass flotte Tempi nicht unbedingt gehetzt klingen müssen.
Am Ende gab es viel Jubel für alle Beteiligten und ein glückliches und zufriedenes Publikum. Am 30. November kann man noch die letzte Vorstellung in dieser Aufführungsserie erleben, es gibt noch Karten. Außerdem wird diese Vorstellung von der Staatsoper live gestreamt (https://play.wiener-staatsoper.at/) bzw. zeitversetzt (Beginn 20:15 Uhr) auf ORF III im Fernsehen übertragen. Nicht versäumen!
Walter Nowotny