WIEN/ Staaatsoper: LE GRAND MACABRE
Georgl Nigl (Nekrotzar), Gerhard Siegel (Piet vom Fass). Foto: Wiener Staatsoper/Marcel Urlaub
Ligetis einzige Oper sei ein ikonisches Meisterwerk
und ein Solitär
unter den doch zahlreichen Opernuraufführungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
, verkündet Dirigent Pablo Heras-Casado im Programmheft. Als sei dies Gesetz und jeder, der das Haus zur Pause verließ, ein Banause und Ignorant. Dem ist selbstverständlich nicht so, auch wenn Heras-Casados Enthusiasmus lobenswert ist und in der Aufführung erkennbar war. Solitär
gewiß, nimmt man die von Ligeti injizierte Absurdität zum Maßstab. Doch sind nicht Olivier Messiaens Saint Françoise d’Assise oder Francis Poulencs Dialogues des Carmelites ebensolche Solitäre? Und wie steht es mit André Previns A Streetcar Named Desire und Leonard Bernsteins A Quiet Place? Der geneigte Leser erkennt: So kommen wir nicht weiter.
Was also ist György Ligetis Le Grand Macabre? Nun, mit Sicherheit ein intellektuelles Vergnügen für jene, welche in der Musikgeschichte versiert und kenntnisreich sind. Die die Anspielungen an Beethoven, Monteverdi, Verdi und Wagner zu identifizieren vermögen. Die um die Hintergründe der musikalischen Formen wie Passacaglia etc. Bescheid wissen: Komponistenkollegen und -nachfolger, Musikwissenschaftler und Anhänger jener Art von Musik, die ausgehend vom Beginn des 20. Jahrhunderts jenem Intellekt sich verpflichtet fühlt, welcher die Notwendigkeit von Emotion und melodischer Entwicklung ignoriert, hemmt oder leugnet. Mit einem Wort also: jene Minderheit, welche wahrscheinlich nicht einmal ausreicht, auch nur eine Vorstellung an der Wiener Staatsoper komplett zum regulären Kartenpreis zu füllen.
Wir anderen dürfen uns schon bald überfordert fühlen, ob unseres auf Mozart, Rossini, Puccini und Verdi beschränkten Verständnisses, als minderwertig — und in unserer Ablehnung als Ignoranten, nicht aufgeschlossen den » modernen Entwicklungen «. Diesfalls beschert die 100. Wiederkehr von György Ligetis Geburtstag den Besuchern mehrerer europäischer Häuser Neuproduktionen von Le Grand Macabre; — inklusive der Möglichkeit für dem Gutmensch*Innendentum anhängenden Lokalpolitiker, sich vor aller Welt zum Affen zu machen. (Die Angelegenheit wär’ ja unterhaltsam, müßte eines nicht befürchten, daß ähnliche Äußerungen zu anderen Themen auf demselben Unwissen fußen.)…
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Thomas Prochazka/www.dermerker.com