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WIEN / Staatsoper: LADY MACBETH VON MZENSK

26.04.2017 | Oper

WIEN / Staatsoper: LADY MACBETH VON MZENSK am 25.04.2017

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Brandon Jovanovich. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 

Dieses Meisterwerk aus der Zwischenkriegszeit des zwanzigsten Jahrhunderts kann man nicht teilnahmslos „konsumieren“ – zu sehr wühlt die Musik von Dmitri Schostakowitsch auf und die spannende, aber trostlose Geschichte sorgt dafür, dass man nicht gut gelaunt, sondern nachdenklich und bedrückt nach Hause geht. Leider hat das Stück kein bisschen an Aktualität verloren, spielt zwar offiziell im zaristischen Russland, war aber mit gutem Grund in den totalitären Regimen von Stalin und Hitler verboten – zu deutlich waren die Parallelen – aber auch die Assoziationen zur gegenwärtigen politischen Situation in vielen, gar nicht so weit entfernten Gegenden drängen sich auf. Dass die zwischenmenschlichen Abgründe bis hin zu Vergewaltigung, Mord und Totschlag so meisterhaft mit der  hoffnungslosen Grundstimmung verwoben wurde, erklärt die eindringliche Wirkung dieses schaurig-schönen Werkes.

Meisterhaft war diesmal wieder die musikalische Umsetzung durch das Staatsopernorchester incl. Bühnenorchester in großer Besetzung unter der Leitung von Ingo Metzmacher. Weit über einfache Sängerbegleitung hinaus „wurde hier Musik zur Handlung“ und die Orchesterzwischenspiele vermittelten bzw verstärkten die Stimmungen der Handlung.

Meisterhaft war auch die rollengerechte Besetzung bis zu den kleinen Rollen, deren Bedeutung erst in der Interpretation durch „Luxusbesetzungen“ voll zur Geltung kommt:

In der Titelrolle erlebten wir eine Singschauspielerin in der idealen Entwicklungsphase von Stimme und Ausdruck. Eva-Maria Westbroek konnte die anspruchsvolle Partie mit der Leichtigkeit und Souveränität singen, die eine ausdrucksstarke Darstellung erst möglich machen. Schon ab dem ersten Ton erlebten wir eine gelangweilte, frustrierte Frau, die nicht bereit ist, ihre Lebenssituation zu akzeptieren – dass die dreifache Mörderin aus zum Teil „niedrigen Beweggründen“ trotzdem als die sympathischeste Figur der Handlung empfunden wird, gibt zu denken.

Wolfgang Bankl lebte die dunkle Seite der menschlichen Eigenschaften eindrucksvoll aus und erfüllte die vielschichtige Figur des Boris Ismailow stimmgewaltig mit Leben. Er drückt ihr, wie schon u.a. beim Klingsor und beim Graf Waldner seinen persönlichen Stempel auf und legt die Latte sehr hoch. Carlos Osuna gestaltete seinen Sohn Sinowi – ein echtes „Simandl“ – rollengerecht als Schwächling.

Ein ganz anderes Kaliber ist der Sergej von Brandon Jovanovich. Sein polternder Tenor glänzt nicht mit stimmlicher Feinmotorik, für den rücksichtslosen Macho hat sein technisch guter Tenor aber sowohl den schmeichlerischen Schmelz als auch die brutale Kraft.

Wie schon erwähnt, waren bei dieser Vorstellung die kleinen Rollen sensationell besetzt:

Herwig Pecoraro, den wir u.a. als Mime und als Herodes schätzen, war zwar mit dem „Schäbigen“ stimmlich unterfordert, bot aber darstellerisch einen Leckerbissen über die Nöte eines trockengelaufenen Säufers.

Jongmin Park – sonst Basilio, Wassermann, Ramfis u.v.m. – ließ bereits beim ersten Ton aufhorchen. Sein wunderschöner, schwarzer Bass erlaubte ihm die Darstellung eines sehr weltlichen Popen, der dank der geliehenen Macht ein unbeschwertes Leben führt.

Clemens Unterreiner gestaltete den korrupten Polizeichef mit beängstigender Realität. Eine Luxusbesetzung, ebenso wie Ayk Martirossian als „Alter Zwangsarbeiter“, der die kleine Rolle mit edel strömendem Bass aufwertete.

 Immer wieder erstaunt uns die unglaubliche erotische Ausstrahlung von Zoryana Kushpler, die uns schon als Carmen, Maddalena und als Lola fasziniert hat – wenn sie auftritt knistert es in der Luft. Mit gereiftem, schön klingendem Mezzosopran stellt auch sie eine Luxusbesetzung dar und macht verständlich, warum Sergej mit rücksichtsloser Menschenverachtung zu der berechnenden, aber attraktiven Sonjetka gewechselt ist.

Auch Rosie Aldridge als bemitleidenswertes Vergewaltigungsopfer Axinja, Hans Peter Kammerer als Verwalter/Polizist, Manuel Walser als Hausknecht/Wächter, Peter Jelosits als Lehrer und Simina Ivan als Zwangsarbeiterin sorgten für hohes Niveau in diesem bedrückenden Stück.

Dass es zu keinem jubelnden Schlussapplaus kam, lag sicher nicht an der künstlerischen Leistung der Akteure, sondern an der Handlung, die trotz (oder vielleicht gerade wegen) der relativ realistischen Inszenierung von Matthias Hartmann zum Nachdenken anregt.

 

Maria und Johann Jahnas

 

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