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WIEN/Staatsoper: LA TRAVIATA. Nein, es war keine „Fehlgeleitete“, die wir in der Titelrolle erlebten.

Wiener Staatsoper: 9.2. 2023 „ LA TRAVIATA“

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Kristina Mkhitaryan, Amatuvshin Enkhbat. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Nein, es war keine „Fehlgeleitete“, die wir in der Titelrolle erlebten. Wenn es etwas an Kristina Mkhitaryan  auszusetzen gab, dann die bis zum letzten Atemzug der Violetta voll präsente Stimme einer offenbar gesunden Frau. Und dieser Sopran ist schön, leuchtend in allen Lagen, wird mit perfekter Wortverständlichkeit in bestem Italienisch Verdi-gerecht geführt. Die optisch keineswegs krank aussehende Sängerin war jedoch emotional voll präsent und stets Mittelpunkt der Szenen, die Verdi ihr zugedacht hat. Wir trauen ihr auch weitaus dramatischer komponierte Rollen zu.

Vokal ebenbürtig, mit prächtigem Bassbariton, ebenso den gestrengen Vater wie den mitleidvollen, weil von Violettas Reizen ebenso wie ihren Leiden bewegten Giorgio Germont gestaltend, hätte der tief beeindruckende Amatuvshin Enkhbat (aus der Mongolei gebürtig) wohl mehr für sie tun  können als der recht oberflächlich wirkende tenorale Liebhaber. Mit seiner schlanken Figur hätte Dmytro Popov mehr Eindruck machen können, als es dem Sänger offensichtlich möglich war. Viel zu äußerlich, weder vokal noch optisch konnte man die Gefühle des liebenden und wegen und mit Violetta leidenden jungen Alfredo nachvollziehen. Überdies sang er ein ganz schlechtes Italienisch. Dass ausgerechnet diese – für mich schönste und am leichtesten richtig auszusprechende – Sprache so unverständlich artikuliert werden kann, war mir neu.

An den Sängern der übrigen Rollen war nichts auszusetzen. Flora Bervoix – Daria Sushkova, Annina –Noa Beinert, Gaston – Robert Bartneck, Baron Douphol – Michael Arivony, Marquis von Obigny – Stefan Astakhov, Doktor Grenvil – Dan Paul Dumitrescu, besonders berührend, Giuseppe –  Thomas Köber, Kommissionär – Alejandro Pizarro Enriquez und Diener bei Flora – Wolfram Igor Derntl erfüllten ihre Rollen werkgerecht.

Was für alle Besucher dieses Abends  – größtenteils Ausländer, vielfach in Gruppen -, wie auch für die Rezensentin, das  gewiss Beeindruckendste blieb: Giuseppe Verdis geniale Musik. Sie drückt ja bereits alles aus, was sich zusätzlich dann noch auf der Bühne abspielen kann und – sollte. Dass der Regisseur Simon Stone mehrfach auf der Drehbühne Paris-bezügliche Riesenplakate und überlebensgroße Gesichter der Sänger zeigt, lenkt nur von der Aussagekraft der Musik ab. Die auf fast leerer Bühne spielenden Szenen außerhalb von Paris sind akzeptabel. Violettas Tod in weißer Gewandung  auf einem Lehnstuhl im Freien kann man akzeptieren.

Mehr als das: Nicola Luisotti am Pult zeigte vollstes Verdi-Verständnis, ebenso wie das philharmonische Staatsopernorchester. Die Kantabilität und emotionale Eindringlichkeit dieser Musik  sowohl in den  Gruppen- wie  auch der Einzelszenen war stets vorhanden. Keine übermäßige Lautstärke deckte die Stimmen zu, keine Zwischenspiele erwiesen sich als dramatisch sinnlos.  Resumé: Evviva Verdi!

Dass das Publikum alle Solisten mit gleich viel Applaus bedachte, lässt nicht auf besonderes Werkverständnis schließen.                                                                                                                  

Sieglinde Pfabigan

 

 

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