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WIEN/ Staatsoper: LA FILLE DU REGIMENT – zweite Vorstellung der Serie


Carlos Alvarez, Javier Camarena. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

LA FILLE DU REGIMENT – Wiener Staatsoper, 23.9.2020

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Eigentlich hätte er den Tonio bereits im Jänner 2018 singen sollen, aber aus nie wirklich bekannt gewordenen Gründen – die Geschichte von der plötzlichen CD-Aufnahme habe ich nie geglaubt – kam es nicht dazu. Die Rede ist von Javier Camarena, der heute neben Florez als wichtigster Vertreter des Belcanto-Fachs gilt. Sein grosser Vorteil gegenüber anderen Sängern dieses Genres ist, dass er nicht nur über eine ausgefeilte Technik sondern auch über eine schöne Stimme verfügt.

Und man wurde nicht enttäuscht. Vom ersten Moment an zeigte er grosse Präsenz auf der Bühne. Er ist zwar nicht ausgesprochen fesch, aber er spielt den Tiroler Bauernburschen sehr natürlich und stellenweise sogar recht drollig. Stimmlich bleibt kein Wunsch offen. In der ersten, populären Arie singt er die Accuti problemlos und erntet dafür großen Jubel. Vom Publikum vehement gefordert wiederholt er diesmal den 2. Teil der Arie. Das war aber für mich nicht der Höhepunkt des Abends, sondern seine Arie im 2. Akt. Dieses äußerst anspruchsvolle Stück sang er wunderbar auf Linie und mit gefühlvollem Timbre.

Seine Marie war Jane Archibald, eine Sängeriun, die seit über zehn Jahren nicht mehr am Haus gesungen hat. Auch mit ihr konnte man mehr als zufrieden sein. Speziell die lyrischen Stellen sang sie mit viel Einfühlung und schöner Stimme. Leider neigt die Stimme etwas dazu in der Höhe leicht zu flackern, was speziell im 1. Akt den Gesamteindruck etwas beeinträchtigte. Darstellerisch fand ich sie etwas sehr zurückhaltend, sie war keinefsalls so ein Kobold wie die Dessay.  Carlos Alvarez war wieder der darstellerisch sehr präsente und stimmlich sehr zufriedenstellende Sulpice. Donna Ellen hatte mit der Marquise etwas Schwierigkeiten, möglicherweise war sie nicht optimal disponiert.


Carlos Alvarez, Jane Archibald. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Kommen wir nun zum kleinen Problem – denn mehr war es meines Erachtens nicht – des Abends. Es ist seit der Premiere dieser Produktion üblich, eine bedeutende Sängerin, die sich bereits im Herbst oder Spätherbst ihrer Karriere befindet bzw. befand, für die Duchesse de Crakentorp zu engagieren und läßt sie auch am Beginn des 2. Aktes eine Einlage singen. Dieses mal engagierte man für diese an sich reine Sprechrolle Maria Happel. Um gleich keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen – ich mag Happel sehr gern und habe mich ziemlich darüber geärgert, dass sie nicht Volkstheater-Direktorin geworden ist. Mit diesem Engagement hat man ihr aber keinen guten Dienst erwiesen. Da man für die erwähnte Einlage naturgemäß weder etwas aus einer Oper oder eventuell Operette nehmen konnte, hat man sich für das Piaf-Lied „Mylord“ entschieden. Sie machte ihre Sache auch nicht schlecht und auch das Orchester zeigte, dass es das auch spielen kann, aber es passte halt leider wie die Faust aufs Auge. Es gab diesmal allerdings keine Zwischenrufe, ja sie erhielt sogar einige Bravos. Ansonsten fiel sie weder positiv noch negativ auf.

Evelino Pido, für den erkrankten Giacomo Sagripanti eingesprungen, dirigiert mit der von ihm gewohnten Genauigkeit und hatte Bühne und Orchester gut im Griff. Manchmal hätte ich mir allerdings etwas mehr Schwung gewunschen. Das Orchester spielte sehr gut und der Chor (Einstudierung: Martin Schebesta) entledigte sich seiner hier gar nicht so kleinen Aufgabe zufriedenstellend.

Am Ende gab es Jubel, insbesosders natürlich für Javier Camarena.

Heinrich Schramm-Schiessl

P.S.: Es ist übrigens schade, dass Herr Roscic von der unter der vorigen Direktion geübten Praxis, den originalen eisernen Vorhang zumindest bis ca. Mitte Oktober zu zeigen, wieder abgekommen ist.

 

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