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WIEN/ Staatsoper: „LA FILLE DU RÉGIMENT“. Stream am 30.12. abgesagt.

WIEN / Staatsoper: „LA FILLE DU RÉGIMENT“ – 28.12.2022

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Pretty Yende, Juan Diego Florez. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Laurent Pellys Inszenierung von Donizettis „La fille du régiment“ zählt zweifelsfrei zu den besten Produktionen der Ära Holender. Es ist daher sehr erfreulich, dass dieses Werk nach zwei Jahren nun wieder auf dem Spielplan der Staatsoper steht.

Wie bereits in der Premiere im April 2007 sang Juan Diego Flórez den Tonio. Damals überwältigte der peruanische Tenor, der in der Zwischenzeit Österreicher mit Wohnsitz in Wien geworden ist, mit neun fulminanten hohen C’s in der Arie „Ah! mes amis“, und wegen des nicht enden wollenden Beifalls wiederholte er dieses Kunststück fast jedes Mal, wenn er als Tonio an der Staatsoper aufgetreten ist. Nun, dieses Mal gab es keine Reprise, und er bewältigte die berühmte Arie nur mit hörbarem Kraftaufwand, er ließ sogar ein hohes C aus. Aber er wurde vor der Vorstellung als indisponiert angesagt und man muss ihm höchsten Respekt zollen, dass er dennoch eine überzeugende und größtenteils beeindruckende Leistung abgeliefert hat. An diesem Abend lagen seine Stärken mehr in den lyrischen Szenen. So betörte er mit seiner Romanze im 2. Akt („Pour me rapprocher de Marie“) nicht nur Marie sondern auch die Herzen des Publikums. Auch in dem Duett mit Marie im 1. Akt („Quoi! Vous m’aimez?“) konnte er mit seinem schönen Timbre und traumhaft geschmeidiger Phrasierung punkten. Und darstellerisch ist er ja nach wie vor überwältigend als Tiroler Naturbursch, der sich seine Angebetete trotz aller Widerstände erkämpft.

Pretty Yende ist als Marie zwar neu für Wien, allerdings hat sie diese Partie in der Inszenierung von Laurent Pelly bereits in Sevilla und an der Metropolitan Opera in New York gesungen. Glücklicherweise versucht sie erst gar nicht die unverwechselbare Natalie Dessay, die in der Premiere dieser Produktion gesungen hat, nachzuahmen. Pretty Yende hat diese Partie ganz auf ihre Persönlichkeit abgestimmt und ist darstellerisch einfach umwerfend. Sie ist als Marie temperamentvoll, übersprühend vor Glück und Freude, dann wieder verzweifelt und unglücklich, am Schluss auch rebellisch, einfach ein Mensch aus Fleisch und Blut.  Stimmlich hat sie keinerlei Probleme, ja sie legt sich sogar noch jede Menge Spitzentöne und Koloraturen mit Anklängen von der Königin der Nacht bis zur Marseilleise ein. Und gelegentlich streut sie – so wie auch andere Mitwirkende des Abends – auch immer wieder deutsche Wörter in diese französischgesungene Aufführung ein – sehr zum Gaudium des Publikums.

Neu war auch Adrian Eröd als Sulpice. Während er mit seinem schönem Baritonmaterial diese Partie stimmlich geradezu luxuriös gestaltete, konnte er in Puncto Humor seinen Vorgänger Carlos Álvarez nicht ganz vergessen machen.

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Stephanie Houtzeel, Marcus Pelz. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Die Marquise von Berkenfield war mit Stephanie Houtzeel meiner Meinung nach zu jung besetzt. Es ist sehr bedauerlich, dass die Wiener Staatsoper bis heute kein einziges Mal Ewa Podles eingeladen hat, die diese Partie in der Pelly-Inszenierung mit ihrer ausladenden Alt-Stimme und unübertroffener Komik an der Covent Garden Opera London, am Teatro Real Madrid und am Gran Teatre del Liceu in Barcelona gesungen hat.

Als 2007 diese Inszenierung erstmals an der Wiener Staatsoper gespielt wurde, hat man für die Sprechrolle der Herzogin von Crakentorp Montserrat Caballé engagiert. Es sollten die letzten Auftritte dieser großen Sängerin an der Staatsoper sein. Ihr zu liebe hat man ihr gestattet eine Gesangsnummer einzufügen. Diese Tradition hat man dann bis zur letzten Aufführungsserie beibehalten, denn nach der Caballé traten verschiedene Sängerinnen mit verschiedenen Gesangsnummern in dieser Partie auf. Nunmehr hat man die Rolle wieder zu einer reinen Sprechpartie zurückgestuft und für diese Aufführungsserie Marianne Nentwich vom Theater in der Josefstadt an den Ring geholt. Leider gelang es dieser großen Schauspielerin nicht einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Jeder, der so wie ich noch Ljuba Welitsch in dieser Partie an der Wiener Volksoper (übrigens mit der ebenfalls unvergesslichen Irmgard Seefried als Marquise) erlebt hat, wird verstehen, was ich meine.

Marcus Pelz als Hortensius und der Chor der Wiener Staatsoper waren mit viel Spielfreude bei der Sache. 

Das Orchester der Wiener Staatsoper klang gelegentlich so, als hätten manche Musiker bereits für Silvester vorgefeiert. Der 29-jährige Dirigent Michele Spotti hatte alle Hände voll zu tun, um Orchester und Bühne zusammenzuhalten, was ihm größtenteils auch gelang. Nur mit den Tempi war man sich nicht immer ganz einig. Aber wahrscheinlich gab es da für einen Hausdebütanten nicht genügend Proben.

Trotz der kleinen Einwände gelang eine insgesamt sehr stimmige Aufführung. Leider hat sich der Gesundheitszustand von Juan Diego Flórez nicht gebessert. In der Vorstellung am 30.12., wird der junge italienische Tenor Marco Ciaponi als Tonio sein Hausdebüt geben. Der ursprünglich für 30.12.2022 vorgesehene Live-Stream wurde abgesagt. Wollen wir hoffen, dass Juan Diego Flórez bis zur letzten Vorstellung der Serie  wieder gesund sein wird.

Walter Nowotny

 

 

 

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