Gioachino Rossini: »LA CENERENTOLA«
26. Dezember 2015
28. Aufführung in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf
Rachel Frenkel als „Angelina“.. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
An der Wiener Staatsoper gab man gestern La cenerentola ossia La bontà in trionfo in jener lieblosen und schlechten Produktion Sven-Eric Bechtolfs, welche mit ihrem dümmlichen Humor die Intelligenz jedes vernünftigen Opernfreundes beleidigt und bereits vor der Première entsorgt gehört hätte. Der »Schauspieler als Regisseur« verlegte ja die Märchenhandlung ins (fiktive) Herzogtum San Sogno an der italienischen Riviera der 1960er-Jahre, womit er jede Sängerin der Angelina am Ende des Abends um die Größe ihrer Milde und ihres Verzeihens betrügt.
Leider hatte man es im Besetzungsbüro verabsäumt, Erich Seitters Beitrag »Gesangspartien in La cenerentola« im Programmheft zu lesen. So hatte man mehr als die Hälfte der Rollen aus dem Ensemble besetzt, obwohl nicht nur die Partie der Angelina eines ersten Sängers — diesfalls eines Mezzosoprans mit ausgezeichneten Koloraturfähigkeiten und profunder Tiefe — bedarf. Da gab es, glaubt man den Annalen, zu keiner Zeit viele Sängerinnen für diese Partie, und auch heute kommen dem Opernfreund nur zwei oder drei adäquate Besetzungsvorschläge in den Sinn.
Mit Rachel Frenkel stand leider keine dieser drei auf der Staatsopernbühne: Bereits die Kavatine »Una volta c’era un re« zeigte ihre gesanglichen Grenzen auf, und dabei würde es noch ein langer Weg werden bis zum finalen »Ah, prence« und »Non più mesta«. Darstellerisch bemüht und deutlich besser als die Sängerin der Première (was keine große Kunst war), fehlte es vor allem an den gesangstechnischen Voraussetzungen: Da vermißte man das legato, das Stimmvolumen im Parlando (vor allem in den Ensembles) und im unteren Register. Wie man Frau Frenkel je als Octavian ankündigen konnte, bleibt wohl ein Geheimnis des Besetzungsbüros…
Alessandro Corbelli sang den Don Magnifico bereits in der Première. Gestern ließ er sich einer fiebrigen Erkältung wegen ansagen. Welchen Eindruck könnte die Cavatina »Miei rampolli femminini«, gut gesungen, hervorrufen, und wie wenig war gestern leider davon zu hören! Trotzdem, Alessandro Corbelli rettete mit seinem Auftritt wohl die Vorstellung und steigerte sich im Laufe dieser zu achtbarem Niveau. Dafür mußte ihm nicht nur das Besetzungsbüro dankbar sein.
Seine anderen zwei Töchter wurden von Maria Nazarova (Clorinda) und Ilseyar Khayrullova (Tisbe) gesungen. Die beiden jungen Ensemble-Mitglieder versuchten, das Beste aus ihren Partien zu machen. Darstellerisch gelang dies viel besser als stimmlich, mit vielen kleinen Gesten und dem Mut, sich auch über sich selbst lustig zu machen. Beide verstanden sich auf das Rossinische Parlando besser als Alessio Arduini, der Dandini des gestrigen Abends. Seine Stimme klang nicht nur im »Come un’ape ne‘ giorni d’aprile« viel zu schwerfällig, dabei stellt doch eine Auftrittsarie die Visitenkarte dar, welche man beim Publikum abgibt. Den ganzen Abend über klang das eher nach Silvio denn nach Dandini: zu laut, zu grob, zu wenig stimmlicher Ausdruck. Dadurch allerdings gebrach es den Rezitativen an jener Vielfalt, welche im Publikum ein Abgleiten in Langeweile verhindert. Für das »Biotop Staatsoper« mag das in den Ohren des Direktors und jenen der Leitung des Besetzungsbüros selbst für größere Partien als hinreichend erachtet werden. Für eine internationale Karriere, von der doch alle Sänger träumen, bedarf es noch wesentlicher stimmtechnischer Entwicklung.
Michele Pertusi vergab die erste Szene des Alidoro völlig, fand dann aber zu einer heute vielerorts mit »gut« bezeichneten Form. Diese wurde auch von jenem überwiegend aus auswärtigen Gästen bestehendem Publikum akklamiert, welches sich in der Lichtpause des ersten Akts in Richtung Buffet begab, nur um nach der Erklärung des Publikumsdienstes, es sei noch keine Pause, nach der Rückkehr den Fortgang der Vorstellung zu stören.
Die Sängerkrone des gestrigen Abends gebührt Antonino Siragusa für seine Darstellung des Don Ramiro. Gewiß, auch von ihm wünschte man sich mehr legato in der Stimmführung und hie und da einen weicheren Ansatz der Phrasen, doch der aus Messina gebürtige Tenore di grazia vermochte das Publikum nicht nur mit einem differenziert gesungenen »Sì, ritrovarla io giuro« zu überzeugen.
Die Herren des Staatsopernchors machten das Beste aus der hrinrissigen Produktionsidee und liefen — zum Teil in Frauenkostümen — zu darstellerischer Hochform auf. Stimmlich gab es einige verwackelte Ensemble-Szenen, Folgen mangelnder Koordination zwischen Pult und Bühne.
Das Staatsopernorchester wurde am zweiten Weihnachtstag von Albena Danailova und Ekaterina Frolova am Konzertmeisterpult angeführt und bot unter dem Dirigat Michael Güttlers eine spritzige, auch nicht zu laute Wiedergabe der Partitur. Allerdings fanden Bühne und Orchester (vor allem) in den Parlando-Ensembles und bei so manchem Choreinsatz nicht immer in gewünschtem Maß zusammen: Da wäre am Pult mehr Mitatmen mit den Sängern und das Anzeigen von Einsätzen vonnöten.
Größtes Ärgernis bleibt aber die dumme und von Klamauk geprägte Inszenierung des »Schauspielers als Regisseur«, illustriert durch eine Stimme aus dem Publikum: »Wenn man keine ordentliche Inszenierung zustande bringt, sollte man La cenerentola konzertant spielen und das Geld in das Engagement erster Sänger und Dirgenten investieren.«
Thomas Prochazka
MerkerOnline
26. Dezember 2015