Giacomo Puccini LA BOHÈME
Wiener Staatsoper – 06. Januar 2022
Slávka Zámečníková (Musetta), Etienne Dupuis (Marcello). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Die erste Vorstellung im neuen Jahr an der Wiener Staatsoper gehörte Puccini’s La bohème. Die legendäre Zeffirelli-Inszenierung aus dem Jahr 1963, die seinerzeit mit Mirella Freni und Gianni Raimondi in den Hauptrollen und mit Herbert von Karajan am Dirigentenpult aus der Taufe gehoben wurde, gehört auch nach fast 59 (!) Jahren im Repertoire immer noch zu den Favoriten des Opernpublikums. Selbst bei einer weniger namhaften Besetzung.
Große Namen wie einst standen nun nicht auf der Bühne, aber sie sorgten für eine solide Aufführung des Opernklassikers.
Zuerst sei einmal die Dirigentin Eun Sun Kim genannt, die mit dieser Puccini-Oper erst vor wenigen Wochen ihr Debüt an der New Yorker MET gegeben hat, und nun mit ihrem ersten Auftritt an der WSO ein weiteres wichtiges Debüt absolviert hat.
Das Dirigat von Kim ist dynamisch und recht forsch, im Puccini-Klang so recht schwelgen will sie nicht. Der Café-Momus-Akt kommt ihrem Tempo sehr entgegen. Der Trubel auf der Bühne findet im Orchestergraben einen adäquaten Partner. Manchmal wünscht man sich vielleicht ein bisschen mehr Sentiment in den letzten beiden Bildern, das ist immerhin Puccini’s La bohème. Auf jeden Fall ist Kim eine interessante Dirigentin, von der man sich hoffentlich bald ein näheres Bild machen kann.
Saimir Pirgu. Foto: Michael Pöhn
Von den Sängern hinterlässt der Rodolfo von Saimir Pirgu eindeutig den besten Eindruck. Pirgu hat sich seit seinem Wien-Debüt, welches immerhin schon vor 18 Jahren stattfand (damals erst 22-jährig als Nemorino), enorm weiterentwickelt. Die Stimme ist deutlich kräftiger geworden, vor allem registriert man eine gehörige Portion Metall in der Stimme. Seine Spitzentöne, von denen es beim Rodolfo ja einige gibt, sitzen perfekt und man muss sich bei Pirgu keine Sorgen machen, dass diese nicht effektvoll erklingen. Er überstrahlt mit ihnen auch mühelos die ohnehin mächtigen Wogen aus dem Orchestergraben. Sehr gut gelingt ihm die berühmte Arie im ersten Akt, in den Duetten mit Mimi ist er ein leidenschaftlicher Rodolfo.
Nicole Car. Foto: Yan Bleney
Nicole Car hinterlässt als Mimi einen etwas zwiespältigen Eindruck. Ihrem leicht verdeckten Sopran scheint es immer wieder an Volumen zu fehlen. Der üppige Orchesterklang verstärkt diesen Umstand. Und dort, wo die Stimme aufblühen sollte, geht dann leider so manches unter und so manche Phrasen werden leider nicht zu Ende gesponnen oder voll ausgekostet. Schade. Ihre stärksten Momente hat Car in den fragilen Momenten der Partitur.
Étienne Dupuis, im echten Leben der Ehemann von Nicole Car, gibt einen soliden Marcello, der ja die ersten Worte in der Oper zu singen hat. Da macht er mit seinem kernigen Bariton einen guten Eindruck. Doch nicht alles kommt im Laufe des Abends so markig-markant über die Rampe.
Eine attraktive Musetta mit glasklarem Sopran und ebensolchen Spitzentönen ist Slávka Zámečníková, die zum Ensemble der Wiener Staatsoper gehört. Der Walzer im zweiten Akt würde vielleicht noch etwas mehr an Koketterie vertragen, denn es muss ja glaubhaft sein, dass Marcello sofort wieder darauf anspringt. Im Finale ist sie dann vokal in ihrem kurzen Gebet eine äußerst sensible junge Frau.
Wie immer hinreißend ist der Esel, der im zweiten Akt über die Bühne läuft. Er gehört zu dieser Produktion wie die liebevolle Ausstattung dieser Inszenierung. Er scheint sich wohlzufühlen, und wird von seinen menschlichen Begleitern auch wirklich liebevoll geknuddelt. So soll es sein.
Vom restlichen Ensemble sticht auch noch Martin Häßler hervor, der einen ausgezeichneten Schaunard singt und spielt.
Ryan Speedo Green verabschiedet sich als Colline inniglich von seinem geliebten Mantel und Marcus Pelz komplettiert in den komischen Rollen von Benoit und Alcindoro, wobei er besonders als Vermieter der vier Bohemiens in amüsanter Erinnerung bleibt.
Am Ende gibt es vom Publikum stark-freundlichen Applaus für alle Künstler. Trotz mit Masken im Gesicht auch mit vielen Bravos.
Ein schöner Opernabend.
Lukas Link
Lukas Link