WIEN / Staatsoper: „LA BOHÈME“ – 03.02.2025
Ailyn Perez, Liparit Avetisyan. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Von den Kritikern der Wiener Tageszeitungen völlig unbeachtet blieb das Debüt eines neuen Tenors, von dem wir hoffentlich in Wien noch viel hören werden. In der mit dieser Vorstellung zu Ende gegangenen Aufführungsserie von Puccinis „La Bohème“ verstärkte nämlich die mit Clemens Unterreiner (Marcello), Martin Häßler (Schaunard) und Peter Kellner (Colline) bewährte Künstler-WG in der von Franco Zeffirelli so treffend ausgestatteten Pariser Dachkammer ein neuer Dichter: Liparit Avetisyan erwies sich als Traumbesetzung des Rodolfo. Er besitzt einen hellen, lyrischen Tenor mit betörend schönem Timbre. Mit strahlenden Höhen und glaubhaftem Spiel begeisterte der armenische Tenor in der nach wie vor grandiosen Inszenierung von Franco Zeffirelli.
Ailyn Pérez, die nach fünf Jahren Abwesenheit endlich wieder an die Wiener Staatsoper zurückgekehrt ist, sang erstmals hier die Mimì. Die vielfach preisgekrönte Sopranistin (u.a. erhielt sie 2006 den Leonie Rysanek Award der George London Foundation) sang an der Wiener Staatsoper zwischen 2010 und 2020 die Traviata, die Adina in „L’Elisir d’amore“ und die Manon von Massenet. In der Zwischenzeit ist ihre Stimme farbenreicher und fülliger geworden und kommt mühelos auch über die lautesten Passagen des Orchesters. Sie sang sehr ausdrucksstark, besonders „Donde lieta uscì“ im 3. Bild. In der Darstellung war sie überaus berührend und das Zusammenspiel mit dem Tenor funktionierte blendend, auch stimmlich passte sie mit ihrem dunklem Timbre sehr gut zu der hellen Stimme des Tenors.
Maria Nazarova, Ailyn Perez. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Maria Nazarova hat bessere Partien im Repertoire als die Musetta. Sie sang zwar das Gebet im 4. Bild sehr ergreifend, aber das leichtlebige Mädchen im 2. und 3. Bild nimmt man ihr nicht ganz ab.
Eine Freude war diesmal das Orchester der Wiener Staatsoper, das in den letzten Wochen in vielen Vorstellungen durch unsauberes Spiel und verpatzte Einsätze enttäuschte. An diesem Abend waren sie jedoch in Hochform und auch der junge Dirigent Lorenzo Passerini, der erst vor wenigen Wochen in Erl Bellinis „I Puritani“ dirigiert hatte, hinterließ einen durchaus positiven Eindruck. Wenn er auch auf eher langsame Tempi setzte, so hielt er doch von Anfang bis zum Ende die Spannung aufrecht.
Und nicht nur die vielen Touristen erfreuten sich an der schönen Zeffirelli-Inszenierung. Wer weiß, wie lange sie uns noch erhalten bleibt?
Walter Nowotny