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WIEN/ Staatsoper: KAMMERMUSIK DER WIENER PHILHARMONIKER

Ludwig van Beethoven mit Albena Danailova, Tamás Varga und Christoph Traxler

11.06.2020 | Konzert/Liederabende

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Albena Danailova. Foto: Wiener Philharmoniker

WIEN/Staatsoper: Kammermusik der Wiener Philharmoniker

Ludwig van Beethoven mit Albena Danailova, Tamás Varga und Christoph Traxler

  1. 6. 2020 – Karl Masek (via Stream)

Besondere Erfolge der Direktion Dominique Meyer waren unbestritten die Matineen-Zyklen im Gustav-Mahler-Saal: Die sonntäglichen Ensemblematineen und die „Kammermusik der Wiener Philharmoniker“ an Samstagvormittagen. Diese Veranstaltungen waren in all den Jahren überwiegend ausverkauft – sie erfreuten sich beim Publikum größter Beliebtheit. Diese Programmschienen setzt auch Bogdan Roščić klugerweise fort.

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Tamás Varga. Foto: Olga Kretsch

In der letzten Saison hat man  (klar, im Beethoven-Jahr!)  das reichhaltige Kammermusik-Schaffen des genialen Bonners und Wahlwieners in den Fokus der philharmonischen Programme gerückt. Bis 18. Jänner fanden die Matineen statt. Dann schlug die Pandemie zu. Am 9. Mai wäre der geplante Vormittag mit Albena Danailova (Violine), Tamás Varga (Violoncello) und Christoph Traxler (Klavier) mit Beethoven-Trios gewesen. Dominique Meyer nahm dieses Programm kurz entschlossen in seinen Abschiedsmonat auf, und so kam es zur seltenen Konstellation, die beiden Klaviertrios in D-Dur, op. 70/1 und in Es-Dur, op. 70/2 im Großen Saal zu hören. Sollte es Skepsis gegeben haben, dass ein intimes kammermusikalisches Werk im Opernhaus nicht so recht zur Geltung kommen könnte: Ich war nicht unter den 100 Livebesuchern, sondern nützte die Stream-Chance, sah und hörte das Konzert zu Hause. Und die Übertragung war technisch und akustisch bestens!

Ludwig van Beethoven schrieb diese beiden Klaviertrios 1808, im Jahr, als auch seine 6. Symphonie, die „Pastorale“, entstand. Zur Jahreswende 1808/1809 wurden die der ungarischen Gräfin Erdödy gewidmeten Werke in deren Palais uraufgeführt. Beethoven selbst spielte den Klavierpart. Ein prominenter Kritiker hat diese Werke übrigens sehr gewürdigt: E.T.A. Hoffmann.

Ein besonderes Juwel ist dabei das „ Largo  assai  ed  espressivo“, der 2. Satz des so genannten „Geistertrios“, op. 70/1. Diese Bezeichnung geht auf Beethovens Schüler Carl Czerny (das ist der, welcher Generationen von Klavierschüler/innen mit seinen Etüden gequält hat!) zurück. Er fühlte sich durch diesen Satz an den ersten Auftritt des Geistes in Shakespeares „Hamlet“ erinnert. Dieser Satz weist tatsächliche eine bewusst fahle und schattenhafte Farbgebung auf, die sich durch den gesamten Satz zieht.

Wie überhaupt dieses Werk geprägt ist von unkonventionellen Überraschungsmomenten und  harmonischen Rückungen. Im Bestreben, billige Effekte zu vermeiden, fällt eine grüblerische Schwerblütigkeit auf, die fast an Brahms denken lässt (der aber erst 25 Jahre nach Entstehung dieser Trios zur Welt kam).

Hellere Farben und ein vor allem im Finalsatz musikantischer Schwung prägen das viersätzige Es-Dur-Trio. Noch einmal Carl Czerny: „Beethoven hat den 2. Satz  (Allegretto, also kein üblicher langsamer Satz!) entworfen, als er in Ungarn kroatische Musik hörte“…


Christoph Traxler. Foto: Max Parowsky

Christoph Traxler verlieh dem Klavierpart klare, transparente Konturen, ließ auch die nachdenklichen, fast improvisatorisch wirkenden  Passagen zu ihrem Recht kommen, indem er sich dafür „alle Zeit der Welt“ nahm. Auch Beethoven schien sich während dieser Kompositionen viel Zeit für nachdenkliche Fermaten genommen zu haben, bevor es dann mit einer neuen, überraschenden Idee, ganz anders „weiterging“ als erwartet. Bei den Allegro-Finalsätzen gab er rasante Tempi vor. Glasklar, schlank, leichtgewichtig wurde da musiziert. In allerbestem Einvernehmen mit Albena Danailova und Tamás Varga, die es hörbar genossen, auch in kammermusikalischen Gefilden ihr exzeptionelles Können zeigen zu können. Sie mit warmem, ausdrucksstarkem Ton, er mit sonorer, edler Tongebung. Und beide mit den ganz speziellen philharmonischen Qualitäten des Mitatmens, des einander Zuspielens, des traumwandlerisch sicheren Antizipierens.

Das Publikum, das sich im Staatsopernparkett verlor – mehr als 100 dürfen es immer noch nicht sein –  spendete intensiven Beifall, Bravi inbegriffen, bei dem eine große Portion Dankbarkeit mitzuschwingen schien, dass es nach der Corona-Zwangspause nun doch wieder losgeht, auch wenn es im Moment nur kleine Schritte sind…

Dafür gab es eine Zugabe: Einen Beethoven-Ohrwurm, das anmutig-federleichte Menuett aus dem Klaviertrio, op. 38.

Karl Masek

 

 

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