Wiener Staatsoper: JUAN DIEGO FLOREZ AND FRIENDS – Benefiz-Gala für Peru auch ohne Anna Netrebko ein Hit (12.April 2015, 11 Uhr – 13 Uhr)
Juan Diego Florez, Ildar Abdrazakov. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Er verkörpert in jeder Hinsicht eine Ausnahme-Erscheinung. Juan Diego Florez ist als Tonio in Regimenstochter oder als Prinz in Cenerentola, als Nemorino oder Rigoletto-Herzog ohne Konkurrenz; musikalisch erklimmt er mühelos die höchsten Gesanges-Regionen und vermittelt das Gefühl der vokalen Schwerelosigkeit. Dazu kommt ein blendendes „latin lover“ Aussehen, das sich auch ohne Singen in Hollywood bewähren würde. Kombiniert werden solche Qualitäten mit seinem netten, bescheidenen gar nicht Macho-artigen Charakter. Die Familie bedeutet ihm alles. Und doch findet der aus Peru stammende Tenor noch Zeit, um mit Musik als „Sozial-Vision“ für eine gerechtere Welt zu kämpfen. Unter dem Titel „Sinfonia por el Peru“ lud er Stars-, „rising stars“ und Superstars ein, um einen Vormittag lang für sein Heimatland zu werben und möglichst viel Geld zu sammeln. Das Jugend-Orchester aus Peru , das 2014 gegründete „Harmonia Symphonie Orchestra“ wurde durch Mitglieder der Wiener Philharmoniker aufgestockt, am Pult dieses völkerverbindenden Klangkörpers stand Andriy Yurkevych – en Dirigent aus der Ukraine. Und ehe das Mammut-Konzert begann erschien Staatsopern-Direktor Dominique Meyer. Frau Netrebko habe abgesagt, der „Nachwuchs“ werde seine Chance nützen. Nur ein Duett aus Traviata werde ganz ausfallen. Dann ging es los. Zunächst ein Film über das Musikprojekt aus Peru, dann Tempo und viel Belcanto! Jacques Offenbach mit der Ouvertüre aus „La Vie Parisienne“ – und ein erster Höhepunkt. Juan Diego Florez mit Offenbach in der „Belle Helene“: „Aux mont Ida“. Das ist unüberbietbar. Die Stimme schmeichelt, der Vortrag ist witzig. Die Spitzentöne „gleißen“. Ein Kabinett-Stück! Nun treten die ersten Florez-Freunde auf – sie können nicht immer mithalten, profitieren aber von der allgemeinen Euphorie. Luca Pisaroni ist als Leporello etwas zu bieder, zu „schulmeisterlich“, die izalienische Mezzo-Sopranistin Anna Bonitatibus verfügt als Cherubin über zuwenig Charme. Allessio Arduini ist für den Figaro-Grafen insgesamt zu „leichtgewichtig“. Dann wieder ein Höhepunkt. Juan Diego Florez und der russische Bass Ildar Abdrazakov singen das Duett „Se inclinassi“ aus Rossini’s „L’Italiana in Algeri“. Komisch, temporeich, virtuos. In der Folge ein künstlerisches Auf und Ab. Michele Pertusi ist wirklich kein überzeugender Basilio im Barbiere von Rossini. Valentina Nafornita (aus Moldawien) schlägt sich tapfer als Netrebko-Ersatz mit dem Mond-Lied aus Dvorak’s „Rusalka“. Dann verfällt Gilda ihrem Herzog Juan Diego Florez. Die bildhübsche Russin Aida Garifullina ersetzt – infolge der Netrebko-Absage – ihre Kollegin Nafornita und hat mit dem Schluss-Ton ein wenig Mühe…Ildar Abdrazarov ist ein grandioser Philipp in Verdi’s Don Carlo-Clemens Unterreiner ein „rising star“, der die undankbare Rolle des Escamillo bereits ausschlagen sollte. Celso Albelo fällt darauf hin eher unangenehm als Zarzuela-Tenor auf. Und dann der absolute Höhepunkt der Gala: Cecilia Bartoli und Juan Diego Florez in der Schlüsselszene aus Rossini’s „Cenerentola“. Die Diva assoluta spielte tatsächlich eine Putzfrau, Florez wirkte überrascht! Was folgt ist Witz und Zungen-Akrobatik, Singen pur und Gefühls-Explosion. Großartig! Zuletzt noch ein sinnlicher Musette-Walzer von Aida Garifullina, eine schmachtende Sternen-Arie aus Puccinis Tosca – mit Effekt vorgetragen vom Italiener Vittorio Grigolo, eine etwa zu larmoyante Mimi-Arie durch Valentina Nafornita und eine wunderbare Traumerzählung aus Massenet’s Manon durch den Gastgeber. Am Ende sangen alle – außer der vielbeschäftigten Bartoli – „Non ti scordar di me“ von De Curtis. Eine Mahnung, die unnötig sein dürfte. Jedenfalls eine Sternstunde der Wiener Staatsoper, ein politische Vision für eine bessere Welt und ein Hit-Konzert auch ohne Anna Netrebko. Juan Diego Florez – ihm sei gedankt und: die Fernsehkameras waren ja eingeschalten.
Peter Dusek
Die Florez-Gala wird nächsten Sonntag (19.4.) um 20.15 Uhr auf ORF III gezeigt.