Wien/Staatsoper: Piotr Iljitsch Tschaikowski: IOLANTA
Oberflächlich betrachtet, erfüllt die von Evgeny Titov verantwortete Inszenierung die Vorgaben der Brüder Tschaikowski. Wer weder des Russischen mächtig ist noch den Text memorierte, mag den Abend loben. Die (wenigen) anderen werden zugeben müssen, daß sich auch Titov autoriellen Umgang anmaßte.
In seiner Umsetzung herrscht Gewalt. Immer wieder wird gestoßen, bedroht, eingeschüchtert. Kurzum, auch in dieser Produktion müssen die Sänger anders agieren, als es der gesungene Text, die Regie-Anweisungen in der Partitur und die Musik vorgeben.
Die von Rufus Didwiszus geschaffene Bühne: ein mit Rasen, Gräsern und Rosen bewachsener Hügel, im getreuen Abbild der Natur mit kräftigen Farben gewiß eine Zierde für jedes Diorama; darauf Iolantas Bettstatt. Weiters ein von Felsen umgrenztes Wasserbecken, darin Iolanta beim Aufgehen des Vorhangs badet. Im Hintergrund eine bühnenhohe, abschließende Plane, darauf, in Anthrazittönen gedruckt, stuckverzierte Palastwände aus dem Rokoko. Vier Eingänge im Hintergrund für Auf- und Abtritte sowie Geröll vor zweien von ihnen — auch wenn die Partitur uns ein Schloß (bzw. ein Kloster, je nach Übersetzung) in den Bergen Südfrankreichs im 15. Jahrhundert verspricht. Martin Gebhardt beleuchtete stimmungsvoll…
…Sonya Yoncheva, die Iolanta des Abends, schlug sich besser, als man es nach ihrer Tosca vor ein paar Wochen erwarten durfte. Sie verfügt in der Tiefe über einige Noten mit funktionierender Bruststimme, doch über dem passaggio weicht der Kern der Stimme auf, verliert sie hörbar an Kraft. Im Bereich des mittleren Sopran-› c ‹ gewinnt das Instrument wieder an gravitas, ehe es im Bereich der Spitzentöne die Bindung an den restlichen Teil der Stimme verliert. Als Folge klingen die leiseren Spitzentöne zwar einigermaßen fokussiert, doch uninteressant. Lauteren kommt auch der Fokus abhanden, sie klingen scharf und abgesetzt. Nicht die besten Voraussetzungen (nicht nur nicht) für die Partie der Iolanta, wie an Stimmen Interessierte auch an diesem Abend rasch feststellten.
Wie gut, daß man wenigstens Dmytro Popov und Boris Pinkhasovich bei der Arbeit zuhören konnte.
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Thomas Prochazka/ www.dermerker.com