24.3.2025 „Iolanta“, Staatsoper, Premiere, „Entzaubertes Märchen“
Foto: Renate Wagner
Nach 125 Jahren wieder im Haus am Ring: Einst von Gustav Mahler nach Wien geholt hat Peter Iljitsch Tschaikowskys Märchenoper „Iolanta“ jetzt in dieses Haus zurückgefunden. Die Zeit für „Märchen“ ist allerdings vorbei. Tschaikowskys sentimentales „Bühnenwunder“ wird in dieser Neuproduktion dechiffriert: Das göttliche Licht der Wahrheit enthüllt nun die Grauen menschlicher Existenz…
…Man kann nun das Märchen ein Märchen sein lassen, man kann in Iolantas Schicksal eine schwere traumatische Störung vermuten oder einen symbolisch verschlüsselten Weg mystischer Gotteserfahrung: das Wunder des „Sehendwerdens“ ist in unserer heutigen Zeit natürlich kitschverdächtig und der therapeutische Sieg Iolantas über ihr Gebrechen, der zugleich eine naive Frömmigkeit offenbart, wird vom Zeitgeist animierte Regisseure schnell dazu verlocken, den positiven Schluss ins Gegenteil zu verkehren.
Genau das passiert in dieser Inszenierung: Im Finale wird während einer überlangen, den musikalischen Fluss brechenden Generalpause Iolanta mit einer ganz anderen „göttlichen Wahrheit“ konfrontiert. Sie muss eine im Bühnenhintergrund sichtbar gewordene, grauschwarze Landschaft „bewundern“, eine kriegs- oder umweltzerstörte „Weltruine“, die Iolantas neu gewonnenem Sehsinn gleich einmal alle Illusionen nimmt. Und was man szenisch mit Glanz zu einem großartigen Hoffnungsmoment hätte ausgestalten können, hüllt sich in die Düsternis einer dem göttlichem Licht verlustig gegangenen Schöpfung.
Regisseur Evgeny Titov hat seine Deutung von Tschaikowskys „Iolanta“-Märchen allerdings gut verpackt: der grasbewachsene Hügel mit dem Bett, auf dem Iolanta zu ruhen hat wie Dornröschen, erscheint als grüner Fleck in einem düsteren Rest von Monumentalarchitektur, in der König René, begleitet von zwei muskelbepackten Leibwächtern, Hof hält. Auf dem bühnenmittig platzierten Hügel wachsen sogar Büsche weißer und roter Rosen (was für die Handlung wichtig ist), aber die Dornen die sie tragen, sind doch mehr ironischer Natur – und ihr „alter Duft der Märchenzeit“ ist längst entfleucht…
http://www.operinwien.at/werkverz/tschaiko/ajolant4.htm
Dominik Troger/ www.operinwien.at