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WIEN/ Staatsoper: IOLANTA – Tschaikowskis russische Seelenmusik. Anmerkungen zur Premiere

IOLANTA“ –  Tschaikowskis russische Seelenmusik  . Anmerkungen zur Premiere in der Wiener Staatsoper (24.3.2025)

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Tschaikowski …. der Name steht heute für die edelsten Werte zeitloser russischer Kultur. Des Komponisten Seele spricht aus dessen von inniger Mentalität geprägten spätromantischen Musik. Nicht alle von Peter Iljitsch Tschaikowskis Opern haben zu seiner Zeit wie auch in jüngeren Jahren den Eingang in die Repertoires der Opernhäuser gefunden. Auch nicht sein Einakter „Iolanta“. Die Wiener Volksoper hatte 2022 eine stark gestrichene und ineinander fließende Gesang/Ballett-Fassung unter „Jolanthe und der Nussknacker“ einstudiert (die Titelfigur in anderer Schreibweise). Nicht zwingend klar erzählend. Und nicht zu vergleichen mit der an Ausdruck ungemein eindringlichen neuen Produktion in der Staatsoper. Dies ist ein Opernabend, ein kurzer, nur neunzig Minuten, wie aus einem Guss – den psychischen Befindlichkeiten von Iolanta wie von den sie umhegenden Personen muss man folgen.

1892, ein Jahr vor seinem Tod, wurden im St. Petersburger Mariinsky Theater an einem Abend der zum Ballettklassiker gewordene „Nussknacker“ und zuvor der Operneinakter „Jolanthe“ uraufgeführt. Zwei Werke in der gleichen Schaffensphase komponiert, harmonisch, in der Tonsprache, der Orchestrierung sehr ähnlich – und doch konträr in der Wirkung. Beide Poesiestücke bindet ein gewichtiges Thema: Die Reflexionen über Bedürfnisse, über die Sehnsüchte nach Schönheit wie nach hingebungsvollem Leben von jungen Menschen. Die genialen „Nussknacker“-Melodien führen in ein Traumland, zuckersüss verführerisch in der musikalischen Aussage. „Iolanta“ erzählt von der Wandlung der blind geborenen Königstochter, welcher in ihrer Reinheit und Gläubigkeit durch Liebe das Sehen gegeben wird.

Tschaikowskis Bruder Modest hat basierend auf ein Schauspiel des Dänen Henrik Hertz ein Libretto verfasst, welches in seinen Übergängen nicht allzu perfekt stimmig scheint. Doch es ist der wundersame Aufruf zu einer von Humanismus geprägten menschlichen Denkungsart. Zu merken: In seinen Ballettmusiken kann Tschaikowski seine Melodienflüsse voll und ausgiebig ergiessen lassen. In den Opernlibretti schränken die vorgegebenen Worte das Ausleben seiner musikalischen Phantasie immer wieder ein. Somit ist Tschaikowskis letzte Oper kein mitreißendes Bühnenspektakel, sondern sie kann für den mitlebenden Zuseher zu einer edlen Seelenmusik werden.  

Die Wiedergabe in der Staatsoper trumpft mit starken Stimmen mit slawischer Färbung auf. Ideal in ihrer Unberührtheit, Gesang wie Gestaltung: Sonya Yoncheva in der Titelrolle. Voll Emphatien um sie: Ivo Sanchez als königlicher Vater, Dmytro Popov als der sie Umwerbende, Boris Pinkhasovich, Attila Modus, Simonas Strazdas. Dirigent Tugan Sokhiev taucht sie wie das Orchester mit aller Hingabe in Tschaikowskis Seelengemälde ein. Regisseur Evgeny Titov lässt Iolantas abgegrenzten Lebensraum mit einem singenden Bewegungschor erblühen. Und er lässt die Bitten, die Rufe nach der Schönheit des Lichtes, den umkämpften Werten des Lebens voll Intensität nachklingen.

 Im Schlussbild flackert Feuer auf und anstatt der Blumenwiese und historischem Gewölbe wird eine devastierte Stadtvedute angedeutet ….  „Iolanta“ ist in diesen Tagen neu zu erlebender diktatorischer Machtausübung, Vernichtung anstatt Menschenliebe, in keinem Opernhaus Russlands zu sehen.  

Meinhard Rüdenauer

 

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