Monika Bohinec (Azucena). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
WIEN/Staatsoper: IL TROVATORE
Ohne Feuer, ohne Animo
19.9. 2019 – Karl Masek
Die „10. Aufführung in dieser Inszenierung“ war das. So stand es auf dem Programmzettel. Zwei Hausdebüts, zwei Rollendebüts. Volles Haus. Bei einem Werk, für das man nur die vier weltbesten Sänger braucht, dann wäre alles ganz einfach, so der angebliche Ausspruch des Enrico Caruso. Und wenn Wolfgang Körner in seinem unvergleichlich schnoddrigen Satire-Band „Der einzig wahre Opernführer“ anmerkt, „…beim Libretto des Salvadore Cammarano können selbst Kriminalbeamte nicht herausfinden, um was es in dieser Oper eigentlich geht….“, so konterte der legendäre langjährige Opernführer Marcel Prawy, die Story sei doch ganz leicht zu verstehen: „… eine Frau zwischen 2 Männern…“.
Feuer ist ein Leitmotiv der Handlung im „Trovatore“. Und wenn man der einleitenden Erzählung des Hauptmannes Ferrando genau zuhört und die Textanlage eingeschaltet hat, ist alles gleich viel klarer.
Feuer hat auch Giuseppe Verdis glühende Musik voll der Ohrwürmer und zündenden Höhepunkte im Übermaß anzubieten. Aber so ohne Feuer, so ohne Animo, hat man das Werk schon lange nicht mehr im Haus am Ring gehört. Sagen wir es rundheraus: Hauptgrund dafür war ein Dirigat auf bestenfalls Regionalliga-Niveau. Alberto Veronesi heißt der Mann. Beim Hausdebüt von zwei, drei weiblichen Fans mit Bravorufen begrüßt, gelang es ihm nicht einmal in Ansätzen, diesen Abend musikalisch in den Griff zu bekommen. Seine Zeichengebung strahlte keine Sicherheit aus, ganz im Gegenteil: Wackelkontakte gab es in bedenklichem Ausmaß. Da zerbröselten Blechbläsereinsätze in Serie, mit dem Chor der Wiener Staatsoper war der Mann am Pult einen Abend lang uneinig über das anzuschlagende Tempo. Das klang bei Kartenpreisen von bis zu € 239.- nach „erster Verständigungsprobe“, und man wartete fast darauf, dass der Dirigent abklopft und den Mitwirkenden zuruft: „Bitte noch einmal von Takt sowieso“ … Und ein fataler Hang zum Schleppen bewirkte, dass die Vorstellung streckenweise „lahmte“. Nur ein gelegentlicher Blick in den Orchestergraben gab die Bestätigung, der „Maestro“ war noch nicht eingeschlafen. Das Orchester der Wiener Staatsoper spielte, wie vor ihm dirigiert wurde. Man hatte Abenddienst.
Die Protagonisten auf der Bühne konnten einem leidtun. Da des „Maestros“ Schneckentempi auf die Atemkapazitäten der Stimmen keine Rücksicht nahm, wurde es für die Sänger/innen mehr als einmal ziemlich eng.
Ja, und die Sache mit den 4 weltbesten Sängern! Den besten Eindruck hinterließ Monika Bohinec mit ihrer ersten Azucena. Sie ließ aufhorchen. Das geschätzte Ensemblemitglied ließ die obertonreiche Stimme strömen, Sang „Stride la vampa“ mit verhaltener Intensität und edlem Brustregister. Aber auch die dramatischen Sopranhöhen standen ihr in hohem Maß zu Gebote. Für künftige Azucenas sei ihr ein besserer Dirigent gegönnt, der ihr auch den nötigen dramatischen Aufbau dieser Rolle zugesteht.
Jongmin Park sang mit unerschütterlicher Ruhe und mit schwarzem Edelbass die Erzählung des Ferrando. Das sind die Luxusbesetzungen, die man sich gerne gefallen lässt. Er hat im Oktober sein Debüt an der New Yorker „Met“ vor sich (den Colline in der „Boheme“). Die Weltkarriere nimmt Fahrt auf.
Damit sind die Positiva des Abends aber bereits aufgezählt. Die belanglose Inszenierung des Daniele Abbado im Einheitsbühnenbild des Graziano Gregori und den unkleidsamen, geradezu hässlichen Kostümen der Carla Teti macht den Eindruck jahrzehntelanger Abgespieltheit. Dabei war die Premiere am 5. Februar 2017! Das Leading-Team dürfte sich übrigens nicht die Mühe gemacht haben, sich auf die Galerie zu begeben um zu prüfen, ob das dortige Publikum für sein Geld auch alles zu sehen bekommt.
Absagepech gab es auch. Roberto Frontali sollte erstmals „Il Conte di Luna“ singen. Er erkrankte, und der allzeit verlässliche Einspringer Paolo Rumetz rettete wieder einmal kurzfristig den Abend (RD). Wofür ihm ausdrücklich gedankt sei! Er zog sich mit Anstand aus der Affäre. Die vielleicht schwierigste Verdi-Bariton-Rolle, welche besondere Legatofähigkeit und Höhenaufschwünge sowie schier unendlichen Atem verlangt, wäre vermutlich nie Rumetz‘ besonderer Favorit gewesen. Im Schlussbild war er dann mit seinen Kräften am Ende.
Yusif Eyvazov (Manrico). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Yusif Eyvazov war, so schien es, ohne seine Partnerin auf der Bühne und im Leben, Anna Netrebko, eine Klasse schlechter und auch um einige Grade weniger animiert. Sein metallener, schmelzarmer Tenor bleibt Geschmackssache (mir gefällt er nicht). Um die C’s bei „Di quella pira“ muss man bei ihm nicht bangen, sie klangen an diesem Abend aber doch eng und dünn.
Noch ein Hausdebüt: Michelle Bradley als Leonora. Die Amerikanerin singt an der Met Aida, Norma. Auch die Forza-Leonora gehört ins Repertoire des Spinto-Soprans. Damit scheint sie in die Fußstapfen großer Vorbilder wie Leontyne Price oder Martina Arroyo treten zu wollen. Berücksichtigen wir eine begreifliche Debüt-Nervosität. Tacea la notte placida war noch mit aller Vorsicht, fast zaghaft, gesungen. Einige schöne Schwebetöne im Piano, cremiges sotto voce – doch wenn es dramatisch wird, offenbart sich deutlich: Technisch gefestigt ist diese Stimme nicht, Spintoschärfen treten mit Fortdauer des Abends zutage, Überforderung inbegriffen. Insgesamt ist dieser Ersteindruck eher durchwachsen.
Zwei Aufführungen der aktuellen Serie gibt’s noch (22./25.9.). Hoffentlich findet man da besser „in die Gänge“.
Karl Masek