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WIEN/ Staatsoper: IL BARBIERE DI SIVIGLIA am 18.2.

WIEN / Staatsoper: „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“ – 18.02.2025

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Andrzej Filończyk. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Bereits mit Amtsantritt hat Direktor Bogdan Roščić den Barbier von Sevilla in Pension geschickt, der in der mustergültigen Inszenierung von Günther Rennert seit 28. April 1966 seinen Dienst zur vollsten Zufriedenheit seiner Kunden verrichtet hat, und das an insgesamt 434 Abenden. Am 28. September 2021 nahm dann ein neuer Barbier seinen Dienst an der Wiener Staatsoper auf, der allerdings nur noch jene Kunden zufriedenstellte, die primitiven Klamauk, blödes Grimassenschneiden und spastisches Herumzucken lustig finden. Mir hat diese Neuproduktion derart missfallen, dass ich mir geschworen habe, mir diese humorlose und völlig verblöde(l)te Inszenierung von Herbert Fritsch nie wieder anschauen zu wollen. Aber weil ich gerne Erwin Schrott als Don Basilio sehen wollte, hätte ich beinahe meinen Schwur gebrochen; ich habe mir nämlich im Vorverkauf eine Karte für die Aufführung am 18. Februar 2025 gekauft. Und dann geschah ein Wunder!

Bereits am 16. Februar erreichte mich die Nachricht, dass in der Wiederaufnahme der Fritsch-Inszenierung zwei Tage zuvor die Plastikfolien, die statt eines Bühnenbildes in der Gegend herumhängen bzw. herumgeschoben werden, derart gestunken haben, dass viele Besucher während der Vorstellung aus dem Zuschauerraum geflohen sind (vor allem auf der Galerie) und sich das Orchester nun weigert weitere Aufführungen in diesem stinkenden Ambiente zu spielen. Deshalb sollte die Vorstellung am 18. Februar wieder in der alten Rennert-Inszenierung gespielt werden. Am nächsten Tag wurde dann dieses Gerücht bestätigt. Am 17. Februar um 17:43 Uhr erreichte mich ein Mail der Wiener Staatsoper mit folgender Nachricht: „In der morgigen Vorstellung von Il barbiere di Siviglia wird es zu einer Änderung der Inszenierung kommen: Im Bühnenbild der aktuellen Inszenierung von Herbert Fritsch werden großflächige Farbfolien verwendet. Bei der Lagerung der Produktion ist es zu Materialveränderungen gekommen, die zu einer sehr unangenehmen Geruchsbelästigung führen. Während der Hersteller zusammen mit der Technischen Direktion der Wiener Staatsoper an der Behebung dieses Materialfehlers arbeitet, muss vorerst die Vorgänger-Inszenierung des Werkes von Günther Rennert eingesetzt werden.“

Vor der Vorstellung trat dann Direktor Bogdan Roščić vor den Vorhang, um erstens die kurzfristige Umbesetzung des Grafen Almaviva anzukündigen (anstelle von Jack Swanson, der an einer Luftröhrenentzündung leidet, soll der kurzfristig eingeflogene René Barbera singen) und zweitens das Bühnenbild der seiner Meinung nach „sehr erfolgreichen Fritsch-Inszenierung“ (diese Meinung teilt jedoch ein großer Teil des Stammpublikums nicht!) als „indisponiert“ anzusagen. Als er dann erklärte, dass die heutige Vorstellung daher im Bühnenbild der alten Rennert-Inszenierung stattfinden wird, brach im Publikum tosender Applaus und lautstarker Jubel mit Bravo-Rufen aus und ein stimmstarker Besucher auf der Galerie forderte mit Wienerischem Idiom den Herrn Direktor auf, er möge dies doch auch bei Don Carlo, Tristan und Parsifal tun. Der sonst so beherrschte Direktor Bogdan Roščić verlor daraufhin seine Contenance, rief sichtlich verärgert auf die Galerie: „Bitte beruhigen Sie sich!“ und verließ rasch die Bühne.

Dann trat Diego Matheuz ans Pult und dirigierte die Ouvertüre. Als der Vorhang aufging, spendete das Publikum spontan heftigen Szenenapplaus. Es waren also viele Besucher glücklich, dass das geniale Bühnenbild von Alfred Siercke noch existierte und an diesem Abend wieder auf der Bühne stand. Aber der Vorfreude, dass die Vorstellung in der Inszenierung von Günther Rennert stattfinden soll (so stand es auf dem Abendplakat bzw. auf dem Besetzungszettel), wich bald die Ernüchterung. Der Abendspielleiter namens Peter Pacher hatte entweder keine Ahnung von der Rennert-Inszenierung oder wollte bewusst (vielleicht auf Auftrag des Direktors?) möglichst viele Blödheiten der Fritsch-Inszenierung in die Rennert-Inszenierung implementieren. Das Endergebnis war ein einziges Ärgernis.

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René Barbera. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Man muss den mexikanisch-amerikanischen Tenor René Barbera bewundern. Nicht nur, dass er erst zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung in Schwechat gelandet ist, er muss sich auch vorgekommen sein wie in einer Nervenheilanstalt. Wenn ich nicht irre, war er an diesem Abend der einzige Sänger, der noch in der Rennert-Inszenierung aufgetreten ist (ich erinnere mich jedenfalls ihn bereits 2019 hier als Graf Almaviva gesehen zu haben). Jetzt standen ihm jedoch lauter Partner gegenüber, die nur blöde Grimassen schnitten, spastisch herumzuckten oder sich wie grenzdebile Vollidioten aufführten. Es ist auch irgendwie bezeichnend für die Besetzungspolitik des Hauses, dass der Einspringer der beste Sänger des Abends war. René Barbera gewann im Jahr 2011 den von Plácido Domingo ins Leben gerufenen OPERALIA Gesangswettbewerb. Er besitzt einen für diese Partie erforderlichen beweglichen, aber auch geschmeidigen Tenore di grazia und man bedauerte, dass er am Ende nicht auch die Schlussarie „Cessa di più resistere“ gesungen hat.

Erwin Schrott als Don Basilio glänzte stimmlich mit seiner Verleumdungsarie. Ich bin mir sicher, dass er in einer guten Inszenierung auch komisch sein könnte, an diesem Abend war er das leider nicht.

Gleiches gilt auch für Paolo Bordogna, der zwar eine sehr trockene Stimme besitzt, aber über eine unglaubliche Parlandofähigkeit verfügt, als Doktor Bartolo.

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Paolo Bordogna, Maria Kataeva. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Die russische Mezzosopranistin Maria Kataeva, ebenfalls eine OPERALIA-Preisträgerin (2019), besitzt einen kräftigen Mezzosopran mit schöner, dunkler Färbung und großer Flexibilität in den Koloraturen. Aber irgendwie hatte man den Eindruck, dass sie der Rosina stimmlich schon fast entwachsen ist. Das fiel vor allem in dem Duett mit Figaro auf; ihre Stimme klang gefühlt dreimal so groß wie die des Titelhelden.

Der polnische Bariton Andrzej Filończyk bestätigte als Figaro den Eindruck, den er bereits als Don Giovanni vor einem Jahr an der Staatsoper hinterlassen hat: Die schön timbrierte Stimme ist derzeit für die Wiener Staatsoper noch zu klein. Filończyks Stimme wird in der Höhe sogar noch kleiner und dünner, sodass die Spitzentöne kaum noch zu hören sind. Wenn ich daran denke, wie etwa Leo Nucci die Auftrittsarie präsentierte und mit strahlenden Höhen zu Begeisterungsstürmen hinriss…  

Einen sehr positiven Eindruck hat Jenny Hietala hinterlassen. So schön gesungen hört man die Partie der Berta nur selten.

Das größte Ärgernis hingegen war Sebastian Wendelin als Ambrogio. Diese Rolle wurde jahrzehntelang von Chorsolisten exzellent dargestellt. Unvergessen ist da z.B. Karl Caslavsky, der in 95 Vorstellungen ein umwerfend komischer Ambrogio war, aber auch Nikolaus Simkowsky, der in noch mehr Vorstellungen den Diener in großartiger Weise verkörpert hat. Nun stand also Sebastian Wendelin auf der Bühne. In der Fritsch-Inszenierung ist ja die Figur des Ambrogio zur Hauptrolle aufgewertet worden. In der Premiere war in dieser Rolle Ruth Brauer-Kvam schon ein Ärgernis. Aber was Sebastian Wendelin an diesem Abend auf der Bühne aufführte, war geradezu unerträglich. Mit primitivstem Klamauk outrierte er auf penetranteste Art und Weise, dass es kaum noch auszuhalten war. Bereits in der ersten Szene (in der Ambrogio in der Rennert-Inszenierung gar nicht auf der Bühne sein sollte) ging er mir schon so auf die Nerven, dass ich mir gewünscht hatte, Berta möge endlich auftreten und ihn mit ihrem Staubwedel von der Bühne jagen.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass das eine der ärgerlichsten Aufführungen war, die ich in fast 50 Jahren an der Staatsoper erlebt habe. Es wäre besser gewesen, die Staatsoper hätte an diesem Abend einen Schließtag eingelegt.

Da ich vermute, dass die Aufführung am 21. Februar wahrscheinlich in der gleichen Pfuschversion stattfinden wird, kann ich das Publikum nur eindringlich warnen: es steht zwar das Bühnenbild von Alfred Siercke auf der Bühne, es wird jedoch NICHT die Inszenierung von Günther Rennert gespielt. Die Staatsoper bietet da eine Mogelpackung an.

Bleibt nur zu hoffen, dass der stinkende Mist des Herrn Fritsch für alle Zeiten entsorgt wird und ab Juni wieder die Rennert-Inszenierung auf dem Spielplan stehen wird. Aber dann bitte von einem fähigen Regieassistenten ordentlich einstudiert – ohne spastische Verrenkungen, ohne Grimassenschneiden und ohne primitiven Klamauk à la Fritsch.  

Walter Nowotny

 

 

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