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WIEN / Staatsoper: IL BARBIERE DI SIVIGLIA

09.01.2015 | Oper

 

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Dalibor Jenis (Figaro) Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper:
IL BARBIERE DI SIVIGLIA von Gioachino Rossini
402. Aufführung in dieser Inszenierung

8. Jänner 2015

Eine optische Pointe, wie man sie bei Rossini wohl nicht oft zu sehen bekommt, gab es beim ersten „Il barbiere di Siviglia“ des neuen Jahres: ein blondes Liebespaar. Das ging auf das Konto einer Russin und eines Kanadiers. Und da die Opernhäuser ja die gelebten Vereinten Nationen sind, kamen dazu ein Slowake, ein Afroamerikaner und, als geliebter Drüberstreuer, ein Österreicher.

Alle Interpreten, selbst jene, die in Wien in ihren Rollen debutierten (Rosina, Almaviva, Basilio), kannten sich offensichtlich aus Erfahrung aus, was sie da zu spielen hatten, und waren spürbar bestens gelaunt, was für das Gelingen gerade einer Rossini-Aufführung essentiell ist. So hatte man ein perfektes Spitzbuben-Quartett und außerdem… ja, wie sagt man’s? Ein Spitz-Mädchen? Eine Spitzbübin? Oder eine spitzbübisch gelaunte Dame? Egal, wie die politisch korrekte Gender-Bezeichnung lautete: Die Herrschaften passten.

Von den vielen Augenweiden, die das Publikum der Wiener Staatsoper einem französischen Direktor mit Blick für Damen-Attraktivität verdankt, ist Elena Maximova wohl die Schönste, wie sie in Rosinas Gewändern und der blonden Lockenpracht zeigen konnte. Niemand soll sagen, dass sie ein heller Mezzo ist: So viele schöne, profund dunkle Töne hat man in dieser Rolle lange nicht gehört (leider gelang nicht alles „oben“ gleichmäßig gut), und nie wirkte sie mit fabelhafter Technik auch nur annähernd überfordert, wenn sie auch die Koloraturen nicht in „Feuerwerks“-Manier serviert. Immer voll auf der Lauer, ihr Glück zu packen und den alten Vormund auszutricksen, war ihre Rosina ein echtes Vergnügen.

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John Tessier (Graf Almaviva), Elena Maximova (Rosina)

Blondschopf John Tessier, der seine Haare gerne wehen lässt, ist schon als Tonio in der „Regimentstochter“ positiv aufgefallen. Er singt zwar laut Staatsopern-Info alles von Mozart bis leichten Wagner, ist aber im italienischen Belcanto-Fach am besten aufgehoben und steht da wohl schon in der vorderen Reihe. Mit seinem sehr hellen Tenor, der im Lauf des Abends nach spröderem Beginn auch an Geschmeidigkeit zulegte (ohne noch wirklich grundsätzlich „biegsam“ zu sein), packt er vor allem spielend die Höhen, ja, ist offenbar nur zu gern bereit, noch und noch einen weiteren hohen oder höheren Ton einzulegen. Abgesehen davon ist der genau der souveräne Blödler, die solche Liebhaber-Rollen dann wirklich lebendig und lustig machen.

Dalibor Jenis sprang mit einem zwar nicht unbedingt edlen, aber bemerkenswert starken Bariton geradezu auf die Bühne und war ein kraftvoll-robuster Figaro mit der nötigen Gewandtheit für die Rolle. Man hat die Titelrollensänger schon in Bedeutungslosigkeit verschwinden gesehen – das passierte ihm nicht, schon weil er stets unüberhörbar war.

Ryan Speedo Green, der im „Rigoletto“ als Sparafucile gelinde gesagt so seltsam, nämlich abgehoben-ungefährlich wirkte, war hier als Don Basilio weit besser eingesetzt, weil er alle komischen Pointen auf ganz persönliche Art nützte. Sein schöner Baß ist für das Wiener Haus allerdings nicht wirklich groß, bei vollem Orchesterklang ertrinkt er bis zur Unhörbarkeit. Aber was man von ihm hört, das ist schön (und man kann ja nicht ewig von Ghiaurov und Siepi träumen, da wissen ja die meisten Opernbesucher gar nicht, wovon man redet…)

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Alfred Šramek (Bartolo), Ryan Speedo Green (Basilio)

Gelebte Tradition gibt es allerdings auch heute noch: Alfred Šramek ist, trotz doch hörbar reduzierter stimmlicher Mittel, als Dottore Bartolo immer noch eine Klasse für sich, eine Extraklasse sogar – und man wartet nicht vergeblich darauf, dass er, wenn er beharrlich als „Dottore Barbaro“ tituliert wird, sein „So ein Rindviech“ loslässt, mitten in der italienischen Oper, für sein ganz persönliches Publikum. So, wie er punktgenau seine Pointen setzt, ja, wie er zu Rosinas Arie mit seinen Apotheker-Utensilien präzise den Takt schlägt, das ist eine Sondervorstellung zum Thema der hohen Kunst der Komödiantik. Dem Nachwuchs zur Beachtung zu empfehlen, man kann was daraus lernen.

Kein gutes Wort ist über die Besetzung der Nebenrollen zu verlieren.

Interessant war es, auf Michael Güttler am Dirigentenpult hinunter zu blicken: Schier unglaublich, dass man eine so lebhafte, lebendige Musik mit solch gemessenem Gestus leiten kann. Bei der Ouvertüre erschien es auch noch ein wenig trocken, aber möglicherweise wollten dann die Philharmoniker (Herren und Damen!) zeigen, dass sie im Graben nicht schlafen und haben von selbst ein wenig angezogen? Die ultimative Spritzigkeit und Elastizität war es nicht, aber ein guter musikalischer Rahmen für eine gelungene Repertoirevorstellung.

Renate Wagner

 

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