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WIEN/ Staatsoper: IDOMENEO

Die Sache mit der „Durchschnittsfalle"

23.02.2019 | Oper


Bernard Richter, Valentina Nafornita. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: „IDOMENEO“

Die Sache mit der „Durchschnittsfalle“ – 8. Aufführung in dieser Inszenierung

22.2. 2019 – Karl Masek

Am 5. Oktober 2014 hatte diese Inszenierung von Kasper Holten Premiere. Seit 2003 war das die vierte(!) „Idomeneo“-Inszenierung in Wien. Dramaturg Andreas Láng listet im Programmheft genau auf: 2003 – Klangbogen Theater/Wien, Nicolas Brieger/ Bernard de Billy; 27. Jänner 2006, 250. Geburtstag Mozarts – Koproduktion der Staatsoper mit dem TAW, bei welcher der vorgesehene Regisseur, Willy Decker, und der vorgesehene Dirigent, Seiji Ozawa,  krankheitshalber nicht bis zur Premiere kamen; 2013, schon wieder im TAW –  Damiano Michelietto/René Jacobs und schließlich die besprochene Inszenierung, Premierendirigent: Christoph Eschenbach. Besonders gut angekommen scheint sie damals nicht zu sein, denn nach 5 Aufführungen verschwand die Produktion mehr als 4 Jahre vom Spielplan.

Nun also die 8. Aufführung, der Schlusspunkt einer kleinen Dreierserie. Ich sehe diese Inszenierung erstmals, war 2014 nicht dabei. Ersteindruck: Bühnenbild ansehnlich, Kostüme konventionell, geschmackvoll auch in den Farbnuancen. Sonst eine  Regie, die „Opera seria“ ziemlich statisch auffasst. Es wird bebildert, Licht und Videodesign gibt’s. Interpretation wird nicht mitgeliefert. Sie regt nicht auf, sie tut nicht weh. Wirkt tastend, vorsichtig, nicht gerade von Kreativität befeuert. Bleibt in einer diffusen Komfortzone. Quasi hübsch anzusehen, aber halt auch ein bisserl fad.

Höre ich mich in den besprochenen Abend hinein, fällt mir ein vor kurzem gelesenes Buch des österreichischen Humangenetikers Markus Hengstschläger ein: „Die Durchschnittsfalle“. Sie schnappt auch in der Oper zu bei der „Gefahr des Gleichen“. Natürlich, niemand auf der Bühne will eine schlechte Vorstellung. Jeder will Fehler vermeiden. Das heißt dann aber auch, künstlerisch kein Risiko eingehen. Abendverfassung mitbedenken. Und rasch  passiert es, dass man in der Komfortzone Durchschnitt landet.

Wie in dieser Vorstellung. Nein, es war keine schlechte Vorstellung. Aber es war auch in keinem Moment eine, die mitreißen konnte, die begeisterte. Durchschnitt eben. Niemand hat versagt, aber ebenso hat sich niemand an diesem Abend  auf wirkliches Elite-Niveau aufschwingen können.

Eine Kettenreaktion? Eine nicht optimale Gesamtkonstellation der Besetzung?

„Gefahr des Gleichen“: Valentina Naforniță, Sängerin der Ilia. Bestechende Bühnenerscheinung, zu Beginn ihres Wien-Engagements 2011ein stimmliches Ausnahmetalent. Sie singt bald große Rollen, macht auch rasch international von sich reden. Sie ist eine Individualität, kann ein Publikum begeistern. Zur Zeit scheint es mir, als hätte sie stimmlich einen gewissen Durchhänger (klar, man soll nicht gleich eine Krise herbeireden). Die Stimme wirkt im Moment allerdings übermüdet, büßt an Farben ein, es klingt dann alles gleich, egal welche Rolle sie singt (zuletzt auch die Pamina). Etwas verhärtet, wenn sie forciert. Also singt man auf „gutes Durchkommen“, riskiert nichts, bleibt in der Komfortzone. Und es wird durchschnittlich. Oder Bernard Richter. Auch er in der Titelrolle eine angenehme Bühnenerscheinung. Im Prinzip ein schön timbrierter Tenor mit baritonaler Färbung (er war ein guter Pelléas vor eineinhalb Jahren), bis zum Mezzoforte und in der Mittellage klingt die Stimme, Ausdruckswille ist da. Aber wie es in wirklich tenorale Höhen geht, wird die Stimme eng und steif. Die Schwierigkeiten des „Fuor del mar“ überfordern ihn. Ein technisches Problem oder akute Überbeanspruchung? Ich vermag es nicht zu sagen.

Irina Lungu löst sich vom allgemeinen „mittel-mittel“, lotet als Elettra Grenzen aus, stößt aber an diesem Abend bald an solche, wenn die Intonation flackert und Koloraturen nicht mehr exakt bewältigt werden („D’Oreste, d‘ aiace“).


Pavel Kolgatin. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Blass mit weißem Tenor Pavel Kolgatin (Arbace). Zitat des Stimmenkenners Erich Seitter aus dem Programmheft: „Arbace braucht einen markanten vollen Charaktertenor und kann ein reifer Sänger sein …“.

Der Durchschnittsfalle entkommt am ehesten Rachel Frenkel mit einem intensiv gespielten, juvenilen Idamante (nicht gleichmacherisch, sondern mit individueller Note gesungen), Carlos Osuna kann als Oberpriester zufrieden stellen, Peter Kellner singt die „Stimme“ nicht aus dem „off“ und auch nicht mit schwarzem Bassfundament, aber dennoch markant.

Der Chor der Wiener Staatsoper bricht auch mit einigem Erfolg aus dem „mittel-mittel“ aus und ist, weil Vorsicht hinter sich lassend, auf gutem Erfolgsweg, auch an diesem Abend (Einstudierung: Martin Schebesta).

Tomáš Netopil dirigiert rücksichtsvoll, Konzertmeister Volkhard Steude spielt ein schönes Violinsolo bei Idamantes Rondo aus dem 2. Akt, Non temer, amato bene“. Das Orchester der Wiener Staatsoper hat einen diskreten Tag.

Das Publikum im Haus (es war auch ein „live at home“-Termin!) war zu allen freundlich und wohlwollend, ein paar wohl temperierte Bravorufe für alle. Nach knapp 5 Minuten war’s aber vorbei.

Die „Sache mit der Durchschnittsfalle“ möge bei nächster Gelegenheit wieder Ereignishaftem weichen. Das hofft

Karl Masek

 

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