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WIEN/ Staatsoper: I PURITANI

WIEN / Staatsoper: „I PURITANI“ –  28.05.2022

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Pretty Yende.  Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Vorweg eine Anmerkung: diese dritte Vorstellung der aktuellen Aufführungsserie von Bellinis letzter Oper war viel, viel besser als die erste Vorstellung. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die erste Vorstellung eigentlich noch eine Probe ist, allerdings eine Probe, die zu Vollpreisen verkauft wird. Seit ich in die Oper gehe – und das ist jetzt schon mehr als 45 Jahre her – verspricht jeder neue Operndirektor, dass mehr geprobt werden wird. Und das Resultat ist immer das gleiche: die erste Vorstellung einer Aufführungsserie klingt wie eine Probe, und sehr oft sieht es auch szenisch danach aus.

Was sich leider gegenüber der ersten Vorstellung nicht gebessert hat, war die miserable Leistung des Orchesters der Wiener Staatsoper. Man kennt das gespaltene Verhältnis unserer Orchestermusiker zu Belcanto-Werken. Aber so schlampig und unsauber gespielt mit unpräzisen Einsätzen, an denen möglicherweise auch der Dirigent Francesco Lanzillotta nicht ganz unschuldig war, darf Bellini an der Wiener Staatsoper einfach nicht klingen.

Die beste Gesangsleistung bot Roberto Tagliavini als Sir Giorgio. Sein dunkel gefärbter Bass wird gut geführt, es phrasiert sehr schön, ja eigentlich ist er der einzige Sänger des Abends, für den Legato kein Fremdwort zu sein scheint. Schade nur, dass das Stimmvolumen in der Tiefe etwas abnimmt und die extrem tiefen Töne etwas dünn klingen. Aber dieser kleine Einwand soll seine ausgezeichnete Leistung nicht schmälern.

Obwohl der amerikanische Tenor John Osborn an der Wiener Staatsoper bisher nur ganz selten aufgetreten ist (zwei einzelne Vorstellungen von „Il barbiere di Siviglia“ in den Jahren 2000 und 2008, sowie zweimal als Einspringer, 2014 als Pollione in einer konzertanten „Norma“-Aufführung und 2021 als Titelheld im „Faust“ von Gounod) ist er hierzulande kein Unbekannter mehr. Er hat uns schon viele schöne Opernabende bereitet, als Pollione und als Titelheld in Rossinis „Otello“ sowohl bei den Salzburger Pfingstfestspielen als auch im Theater an der Wien und als Arnoldo in Rossinis „Guillaume Tell“ im Theater an der Wien. Er meistert die anspruchsvolle Partie des Arturo mit hellem, höhensicherem Tenor, aber leider klang seine Stimme zu klein. Lag es an der Größe des Hauses und/oder an der offenen Bühne? Jedenfalls musste er vor allem in der Höhe forcieren, wodurch dann einige Spitzentöne eng und gepresst klangen. Dennoch Chapeau vor dieser Leistung! Das hohe f im Finale des 3. Teils, das er natürlich im Falsett sang, muss ihm erst einer nachsingen.

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Adam Plachetka. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn

Warum der russische Bariton Igor Golovatenko abgesagt hat, wurde von der Wiener Staatsoper nicht bekanntgegeben (oder wurde ihm abgesagt?). Eingesprungen ist der tschechische Bariton Adam Plachetka, ehemaliges Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, der den Sir Riccardo Forth bereits 2018 in dieser Produktion gesungen hat. Plachetka verkörpert glaubhaft den enttäuschten Liebhaber, ja im Finale darf er von Hass und Rachsucht getrieben in der Inszenierung von John Dew (im Gegensatz zum Original) seinen Nebenbuhler sogar erdolchen und somit ein Happy-End verhindern. Stimmlich ist er natürlich kein Belcanto-Spezialist. Im Mozart-Fach kommen seine stimmlichen Stärken weitaus besser zur Geltung.

In den kleineren Partien ergänzten Ilja Kazakov als Lord Gualtiero Valton, Carlos Osuna als Sir Bruno Roberton und Margaret Plummer als schönstimmige Enrichetta di Francia zufriedenstellend.

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Roberto Tagliavini, Pretty Yende. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Pretty Yende beeindruckt immer wieder mit sicheren, glänzenden Spitzentönen und ihrem überzeugendem Spiel. Allerdings lassen gelegentliche Intonationstrübungen und Probleme im Piano-Bereich auf technische Mängel schließen. Diese Lücken in ihrer Gesangstechnik sollte sie ehestens beheben, bevor die Probleme zur Gewohnheit werden.

Belcanto-Opern waren schon immer schwer zu besetzen, aber seit unsere viel zu früh verstorbene Edita Gruberova die Bühnen der Welt verlassen hat, ist es wohl noch schwerer geworden.

Walter Nowotny

 Nachbemerkung: Das Niveau des Publikums sinkt auch immer tiefer. Als nach dem Pause zu Beginn des 2. Teils eine junge (amerikanische?) Touristin auf einem Sitzplatz Galerie Seite links 3. Reihe die Taschenlampenfunktion ihres Mobiltelefons eingeschaltet hat und damit alle in ihrer Umgebung sitzenden Besucher gestört und geblendet hat und trotz lautstarker Proteste nicht ausgeschaltet hat, stand kurzerhand ein Herr aus der 1. Reihe auf, ging zu der jungen Dame und nahm ihr einfach das Handy weg. Daraufhin entstand noch ein laustarker Disput um die Rückgabe des Mobiltelefons. Die Sitten im Publikum werden immer rauer…

 

 

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