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WIEN / Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG

Wo viel Schatten ist, gibt es - zum Glück - auch viel Licht

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Ninas Stemme (Brünnhilde) vor dem Sarg Siegfrieds. Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG

24. Aufführung in dieser Inszenierung

19. Mai 2022

Von Manfred A. Schmid

Wer sich nach dem enttäuschenden Siegfried von der finalen Götterdämmerung wenig erwartet hat, muss wahrlich kein Hellseher gewesen sein. Die Befürchtung, dass Michael Wenius für die Rolle des hehren Helden weder genug Stimmmaterial noch ausreichende darstellerische Fähigkeiten mitbringen werde, ist voll eingetroffen. Dieser Siegfried ist ein Peter Pan, der partout nicht erwachsen werden will, sondern ewig der ungestüm herumtollende, etwas beschränkte Knabe bleibt. Die seiner Stimme zugebilligten „dramatischen Möglichkeiten“ bleiben weitgehend uneingelöst. Wenn er zur Jagd aufbricht und ans Ufer des Rheins gelangt, wirkt er wie ein Boyscout auf Wanderschaft.  Jeder Zoll kein ernstzunehmender Held und schon gar nicht das, was man sich unter einem Heldentenor vorstellt. Da fehlt es an allen Ecken und Enden an gesanglicher Durchschlagskraft. Kein Wunder daher, dass er um die Spitzentöne im Dritten Aufzug einen großen Bogen macht.

Eine Enttäuschung ist auch Albert Dohmen als Hagen, der einmal ein vortrefflicher Wotan (in Bayreuth) und Alberich (u.a. in Dresden) war. Für Siegfrieds Widersacher braucht es aber einen kraftvollen Bass und keinen – noch dazu etwas altersschwachen – Bariton. Seine „Hoioho“-Rufe verhallen ebenso kläglich wie der aufrüttelnd gemeinte Appell an seine Mannen. Die einzige große Chorszene im Ring verliert so ihre monumentale Wirkung. Auch wenn er im Traum von seinem Vater Alberich besucht wird, der ihn ermahnt, die Ehre der Nibelungen wiederherzustellen, ist er dem eindrucksvoll agierenden Oberhaupt der Sippe alles andere als ebenbürtig. Jochen Schmeckenbecher hingegen zeigt auch bei diesem Kurzauftritt, warum er als einer der besten Alberiche der Gegenwart gilt.

Nina Stemme ist, wie schon in der Walküre und im Siegfried, der hellleuchtende Mittepunkt des Geschehens. Eine immer noch stimmlich imponierende und gestalterisch vorzügliche Brünnhilde. Mühelos in der Höhe, die gewisse Schärfe verleiht der Figur noch zusätzliche Farbe. Wie sie am Schluss bestimmt und gefasst die Errichtung eines Scheiterhaufens am Ufer des Rheins anordnet, den toten Helden noch einmal würdigt und ihm den verwunschenen Ring vom Finger zieht, um ihn den Rheintöchtern zurückzugeben, ist von unübertrefflichem Ernst und voll der Würde.

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Regine Hangler (Gutrune) und Clemens Unterreiner (Gunther).

Ein eindrucksvolles Rollendebüt gelingt Szilvia Vörös als Waltraute. „Höre mit Sinn“, ihre an Brünnhilde gerichtete Warnung, ist intensiv ausgearbeitet Die Mezzosopranistin zeigt erneut, dass sie zu den besten und vielseitig einsetzbaren Kräften des Hauses zählt.

Eine gute Hausbesetzung ist auch Clemens Unterreiner als Gunther, der in dieser Partie zwar – was die Stimmfülle betrifft – an die Grenzen seines Baritons herankommt, sie aber nicht überdehnt, sondern sich durchaus bewährt. Gefordert, aber nicht überfordert. Dabei kommt ihm zugute, dass sein Bariton edel klingt und sich gegenüber den Stimmen von Hagen und Siegfried wohltuend abhebt.

Regine Hangler ist ein verlässliche, zuweilen etwas schrille Gutrune. Das Ensemblemitglied wirkt – an der Seite von Noa Beinart und Stephanie Houtzeel – auch als eine der Drei Nornen mit, die bei ihrem Auftritt im Vorspiel aber insgesamt zu leise und inhomogen klingen. Nicht perfekt ist diesmal leider auch das unausgewogen singende Terzett der Rheintöchter. Entweder ist die Sopranstimme (Joanna Kedzior als Woglinde) zu laut und drängt sich in den Vordergrund, oder Patricia Nolz und Stephanie Maitland sind als Wellgunde und Flosshilde zu leise.

Die musikalische Leitung obliegt Axel Kober, der bei diesem Ring von Anfang eine ausgezeichnete Leistung erbracht hat. Die Zusammenarbeit des erfahrenen Generalmusikdirektors der Deutschen Oper am Rhein mit dem Staatsopernorchester funktioniert tadellos. Die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne werden aufmerksam begleitet und auch in den wuchtigsten dramatischen Zuspitzungen nie von den Klängen aus dem Orchestergraben zugedeckt. Dass dieser Ring besetzungstechnisch ungenügend und einem Haus wie der Wiener Staatsoper nicht angemessen ist, wird kaum ihm anzulasten sein. Gemeinsam mit Adam Fischer gehört Kober zweifellos wohl zu den besseren Ring-Dirigenten, die man in den letzten Jahren in Wien erlebt hat. Nur einer hat sie alle – meiner Meinung nach – übertroffen: Peter Schneider 2017.

20.5.2022

 

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