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WIEN/ Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG

16.04.2018 | Oper


Albert Pesendorfer (Hagen), Anna Gabler (Gutrune). Copyright: Wiener Staataatsoper/ Michael Pöhn

WIENER STAATSOPER:

15.4.2018: „GÖTTERDÄMMERUNG“

Wehmut mischt sich zur Begeisterung – nach kurzweiligen fünfeinhalb Stunden geht ein denkwürdiger „Ring“ zu Ende, der wohl niemanden unbeeindruckt zurücklässt.

Die Wiener Philharmoniker sind nach ihrer erfolgreichen Konzerttätigkeit in Mexiko, Südamerika, Deutschland und Ungarn wieder in erstklassiger Besetzung in den Orchestergraben der Wiener Staatsoper zurückgekehrt – und das hört man. War das „Rheingold“ noch durch erhebliche Blechschäden beeinträchtigt, hörten wir ab der „Walküre“ wieder die gewohnten, beglückenden Wagner-Klänge, mit den unvergleichlichen Wiener Hörnern in der „Götterdämmerung“ als absolutem Olymp der ausdrucksstarken Klangschönheit. Die glitzernden Streicher, die wunderbaren Holzbläser und das bombensichere, mächtige Blech beeindruckte unter der umsichtigen Leitung von Adam Fischer – sicher einem der kompetentesten Wagner-Interpreten der Gegenwart. Er zaubert immer wieder überraschende Details aus der Partitur, lässt den hochmotivierten Philharmonikern die möglichen Freiheiten und nimmt zurück, wo es die Wirkung der Sänger erfordert. Die Generalpausen wurden gekonnt zur Erhöhung der Spannung eingesetzt – nur vor dem letzten Liebesmotiv im Finale hätten wir uns etwas mehr Zeit zum Atmen gewünscht.

Der Chor der Wiener Staatsoper hatte in der Götterdämmerung wieder einmal Gelegenheit, seinen Ruf als „bester Opernchor der Welt“ zu bestätigen – und sie taten es mit mächtiger Hingabe in Gesang und Spiel.

Die von manchen „Ring“-Liebhabern nicht sehr geschätzte Nornen-Szene wurde in dieser Vorstellung zu einem gesanglichen Erlebnis. Es lohnt sich, die weisen Töchter der Erda hervorragend zu besetzen. Monika Bohinec, Stephanie Houtzeel und Caroline Wenborne sind es gewöhnt, auch Hauptrollen zu singen, verliehen der Szene die gebührende Intensität und fanden gemeinsam einen ausdrucksvollen, mystischen Klang.

Immer wieder fasziniert uns, zu welch innigem, zartem Ausdruck der mächtige Heldentenor von Stephen Gould fähig ist. Das schöne Timbre und die Leichtigkeit in allen Lagen bescherte uns wieder einmal ein ungetrübtes Hörvergnügen. Der darstellerische Ausdruck ergänzte die erstklassige Gesangsleistung und machte den Wechsel des Siegfried vom unbeschwerten Helden zum leid- und intrigengeplagten Menschen spürbar.

Leider konnte Irene Theorin, die Brünnhilde dieses „Ringes“, so gut sie auch die Rolle spielte, mit dem gesanglichen Niveau ihres Partners nicht ganz mithalten. Ihr in der Mittellage schön klingender Mezzosopran war in der Tiefe kaum vorhanden und in den dramatischen Höhen messerscharf. Die Piano-Sequenzen gerieten zum Teil zu leise und verloren dadurch ihre eindringliche Wirkung. Auch das starke Vibrato wies auf eine schlechte Tagesverfassung hin. Wir haben diese Stimme schon wesentlich ansprechender gehört und hoffen auf eine nur temporäre Unpässlichkeit. Als ihre Halbschwester Waltraute hörten wir erstmals die französische Mezzosopranistin Nora Gubisch und waren von der wunderschön klingenden, wie selbstverständlich fließenden Stimme begeistert. Ein Hausdebut, wie man es sich erfolgreicher nicht wünschen kann.

Das zweite, rollenbedingt noch erfolgreichere Hausdebut gelang Albert Pesendorfer als Hagen. Es ist erstaunlich, dass er erst jetzt – als Einspringer für Eric Halfvarsson – als Solist in die Wiener Staatsoper zurückgefunden hat. Wir haben ihn in Innsbruck als Hans Sachs und in der Volksoper als Timur kennen und schätzen gelernt. Als Hagen ist er – dank seines mächtigen, technisch perfekten Basses eine Idealbesetzung. Die schauspielerische Umsetzung des fiesen, intriganten Gibichungen-Halbbruders erweckt den Eindruck, dass er die Rolle für die Premiere erarbeitet hätte. Ein toller Einstand – wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen. Sein Vater Alberich war wieder Martin Winkler – eine Leihgabe der Volksoper – und er wiederholte den hervorragenden Eindruck, den er in „Rheingold“ und „Siegfried“ hinterlassen hat. Sein warm fließender Bassbariton macht es nicht leicht, den rachsüchtigen, lieblosen Nibelungen darzustellen. Dank starkem  schauspielerischem Einsatz gelingt ihm aber ein durchaus authentischer Bösewicht.

Der stimmlich für den Alberich prädestinierte, nunmehrige Stamm-Wotan des Hauses mutierte diesmal zum erstgeborenen Gibichungen Gunther. Wir hatten Problene, die usurpatorische Macht des Göttervaters und die dominante Bühnenpersönlichkeit des Tomasz Konieczny als schwächelnden König anzunehmen. Mit viel darstellerischem Geschick gelang jedoch die Wandlung und wir konnten einee Luxusbesetzung erfreuen. Seine Schwester war mit Anna Gabler ebenfalls hervorragend besetzt – ihr klarer, hell und rein klingender Sopran passte gut zur liebevollen, aber nicht naiven Gutrune.

Die Rheintöchter Ileana Tonca, Stephanie Houtzeel und Bongiwe Nakani becircten nun auch Siegfried – klangschön, verführerisch, mit perfekt abgestimmten Stimmen – aber glücklicherweise trotzdem erfolglos. Somit kamen wir noch in den „Genuss“ eines eindrucksvollen Trauermarsches, bei dem Adam Fischer durch klugen Spannungsaufbau und imposante Dynamik seine Wagner-Kompetenz nachdrücklich unter Beweis stellte. Das Finale mit dem aufwühlenden Liebesmotiv bewirkte eine atemlose Spannung, die sich nach einer ungewohnt langen, andächtigen Stille in frenetischen Applaus entlud – der nur von einigen wenigen ungehörigen, aber auch unverdienten Buh-Rufen für Irene Theorin gestört wurde. Wer glaubt, nach so einem tief gehenden Finale eine einzelne Sängerin „abstrafen“ zu müssen, sollte seine eigene emotionale Disposition hinterfragen!

Maria und Johann Jahnas

 

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